Komik ist Tragik in Spiegelschrift. Am Mittwoch, den 10. Mai 2017, steht auf dem Spielplan des im Freizeitheims Linden das kafkaeske Kammerspiel „Bezirksratssitzung“. In den Hauptrollen: Die vier von der Stadtverwaltung, Bezirksbürgermeister Rainer Grube, der Pöbel und die Musikszene.
Die Musikszene gräbt sich ins Gestuhl, merklich angepisst, denn was soll mensch schon von einer Verwaltung erwarten, die Todesurteile über die Presse kommuniziert, während sie den Gehängten einen kräftigen Tritt gibt. Nicht viel, aber ein Arschloch muss ja besetzt werden, sonst wird’s ja auch langweilig. Heute sind’s vier, die sich natürlich keiner Fäkalsprache bedienen, denn professionelles Schweigen und Plattitüden entfalten, ist ja so viel grausamer. Tyrannen foltern trocken.
Es geht los. Scheiße, Popcorn vergessen. Die Stadtverwaltung, eine vierköpfige Furie, sie ist zu Gast in Linden, um – so der schnöde Plott – die Pläne der Stadt zu einem »Neubau des Fössebades« vorzustellen.
Genial! Selbst Populisten hätten keinen besseren Euphemismus prägen können. »Neubau« und »Fössebad« klingt beinahe, als wäre damit in Pro-Pöbel-Projekt gemeint. Für’n Arsch. Das Ganze einen »Neubau des Fössebades« zu nennen ist so, als würde mensch die Pyramiden von Gizeh als Immobilien mit Schattenwurf bezeichnen. RhetorikerInnen könnten sich darauf wirklich einen runterholen, bliebe ihnen die Vokabel nicht im Halse stecken.
Vernichtungsrhetorik deluxe,
jedes Argument erstickt in absoluter Niceigkeit.
Auftritt Herr Zapke. Der führende Kopf der Furie entfaltet den Anweseden die Angeblichkeit, dass Hannover in Sachen Versorgung von Wasserflächen im Bereich Hallenbäder unterversorgt und in Sachen Freibadflächen überdurchschnittlich versorgt sei. Entsprechend sei man von Seiten der Stadt zu dem Schluss gekommen, beim Fössebad-Neubau – schon wieder dieses Wort und es folgt eine noch genialere Wortschöpfung – ein Sport- und Familienbad mit einem 50 Meter international wettkampftauglichen Sportbecken, einem Lehrschwimmbecken und einem Planschbecken anzustreben. Ein Freibad – so Wortzauberer Zapke – sei nicht vorgesehen, dafür gäbe es auch keinen Bedarf, denn Linden-Limmer verfüge ja – uns kreist noch die Unterversorgung mit Wasserflächen in der Galle, die einem hochkommt – über das Limmer Volksbad in 1,9 km Entfernung. Alles klar, man schmeißt also die kleinen Kampfschwimmer den Sommer über ins Wasser des Volksbades und wenn die Bälger im Sardinenpool wettkampftauglich werden, profitieren sie vom internationalen Größenwahn. Das Publikum wischt sich die ungechlorte Scheiße aus den Augen, die da ins Gepöbel geseiert wird. (Man würde hier Christoph Walz besetzen. Garantiert.)
Mit dem Weglassen des Freibades ergäbe sich der Vorteil – das kann die Stadtverwaltung aussprechen ohne rot zu werden – , dass die Stadt durch den Verkauf von etwa 4.000 qm Bauland etwa 800.000,- € für den Neubau rekapitalisieren könne. (Die Gesamtfläche des Areals liegt bei etwa 34.000 qm und die Kosten des Nobelneubaus sollen bei 19,5 Mio. € liegen) Wir reden also von etwas mehr als 10% der Fläche und jede/r, der/dem der Mietspiegel noch nicht bis zum Halse steht, weiß ganz sicher, dass es hier nicht um die Schaffung von sozialem Wohnungsbau, sondern soetwas wie acht Reihenhäuser geht.
Ein Erhalt des Gebäudeteils in dem das Béi Chéz Heinz beheimatet ist, sei finanziell nicht darstellbar. Was immer das heißt. Kafka hätte sich inzwischen auf dem Gang erschossen.
Die Hirnmasse dieser Armseligkeit, die gerade die Wände im Freizeitheim besprenkelt,
ist sprachlich nicht darstellbar.
Tumult. Angemessen empörte Reaktionen und Nachfragen durch Bezirksrat und ZuschauerInnen. Die Verwaltungsmenschen verweisen hohlphrasig auf das frühe Stadium der Planung, was seriöse Antworten quasi unmöglich mache. Allerdings – mensch platzt beinahe vor Erwartung – soll der Bezirksrat in etwa vier Wochen abschließend zu der Planung Stellung beziehen. Genaues wisse man noch nicht. In die geistige Leere dieses rekapitalisierten Geseiers empört sich Bezirksbürgermeister Grube, dass bislang sämtliche Beschlüsse, Einlassungen und Forderungen des Bezirksrates konsequent ignoriert worden seien und man durch die Stadt gezwungen werde »quasi die Katze im Sack zu kaufen«. Da könne man den Laden ja gleich dicht machen und sich die ganze Diskutiererei sparen.
Den Verwaltungshohlkörpern schien dieser Einwand scheinbar unangenehm. Sei ’s drum, man müsste jetzt los, denn in Misburg sei jetzt ebenfalls Ratssitzung und auch da werde ja auch ein »Bad geplant«.
Die tote Katze, die man hier verscheuern will, scheint – keine Antwort ist eben auch eine Antwort – man längst im Sack in der Fösse ersäuft zu haben und nun einen Kadaver feilzubieten.
Fest steht: Sie Stadt – die „UNESCO City of Music“ muss in „City of Poolnudel“ unbenannt werden – , sie will unbedingt ein Sportbad für repräsentative Sportwettbewerbe (Wasserballbundesliga und Championsleague) bauen und hätte damit auch eine mega praktische Ausweichmöglichkeit für Zeiten in denen das Stadionschwimmbad saniert werden muss.
Genial brutal.
Damit das Ganze aber nicht so aussieht wie’s eigentlich ist, baut man noch ein Planschbecken in den Prestigebau und nennt das Monstrum dann Sport- und Familienbad. Sauber!
Und wie macht man die kafkaeske Katze vollends mudtot? Genau. Das allzeit wuchernde Wohlfühlargument »Wohnungsbau« ist der beste Kniff, um das Freibad nicht zu bauen und nebenbei das Béi Chéz Heinz an dieser Stelle (spätestens im Jahre 2022) loszuwerden.
Der Stadtteil liegt am Boden, aber er kämpft. Berechtigte Nachfragen prasseln auf die Furie ein wie Stecknadelköpfe. Wie man dazu käme ein solches »Projekt« in eine Sackgasse zu bauen? Und wo die Parkplätze für eine solche Sportstätte und die Olypionikenbusse hergezaubert werden sollen? Warum das mal in einem ÖPP Ausschreibungsverfahren1 finanziert werden soll? Warum Wünsche des Bezirks, die eindeutig in Richtung Erhalt von Freibad und Kulturstätte gehen, konsequent ignoriert würden?
Die City of fuck U weiß solche Kitzeleien natürlich in glänzender Kompetenz zu beantworten:
Das ist eben so.
oder
Dies kann man zum jetzigen Zeitpunkt der Planungen noch nicht sagen.
Ganz großes Kino. Man will sich selbst mit Schwimmflügeln geißeln. Die vier Vollpfosten schweigen. Vermutlich klauen sie inzwischen in Misburg kleinen Kindern Bonbons aus dem Mund.
Vom dramatischen Aufbau her kann man der Stadt nur Respekt zollen. Ein solch achselzuckendes Monstrum an Respektlosigkeit, kann sich echt keiner ausdenken. Von der ersten Phrase bis zum Abspann vollkommen inhaltsleer und kalt zu bleiben, ist auch irgendwie Olympia. Vermutlich nährt sich diese unsportlichste aller Städte von der Entrüstung der BürgerInnen und ihrer VertreterInnen, denn alle Fraktionen des Bezirksrates (mit Ausnahme der SPD und dem der Vertreter der FDP2) sind über dieses Prozedere sehr empört.
Bleibt zu wünschen, dass Linden seinem Ruf treu bleibt und sich die Bevölkerung das nicht gefallen lässt! Sport frei!
Fortsetzung folgt.3
Weiterführendes:
bs! Kommentar Heinz muss bleiben 09.04.2017
www.stadtkind-hannover.de 11.05.2017
www.linden-entdecken.de 11.05.2017
www.klickhin.de 08.05.2017
Anmerkungen:
1 öffentlich-private Partnerschaft
2 Herr Ekim Bulut – sehr geiler Typ, der es verdienst hat namentlich erwähnt zu werden!
3 Fotos vom 11. Großes April-Cover-Festival „TIME TO SAY GOODHEINZ“ vom 28.04.2017