Bremen, 18:45 Uhr. Mehrere breit verteilte Schlangen bilden sich vor dem Eingang des Aladin, ein eher untypisches Bild für den heimischen Konzertbesucher, der eigentlich nichts mehr liebt, als eine gut sortierte Schlange. Aber gut, der Einlass durch die engen Türen des Clubs klappt (irgendwie) ohne größere Drängeleien und auch die (mittlerweile deutlich intensiveren) Sicherheitschecks gehen schnell voran. Nachdem die ersten Hürden genommen sind steht man im erstaunlich großen Aladin mit freier Bar- und Platzwahl. Für die gemütlicheren Konzertbesucher gibt es einen Balkon mit Sitzplätzen, der Rest kann sich frei im Aladin zwischen mehreren enormen Bars verteilen. Trotz des großen Platzangebotes wird es bei Mother’s Cake erstaunlich kuschelig.
Mother’s Cake betreten überpünktlich um 19:50 Uhr die Bühne. Clever, denn wer still (na gut, nicht wirklich still) und heimlich früher anfängt kann auch länger spielen. Die drei Burschen aus Österreich machen für einen Support Act eine gute Figur und schaffen es von Anfang an, das bunt gemischte Publikum zu begeistern. Der Beifall ist laut, die Köpfe wackeln, die ein oder andere Hüfte schwingt und der Klang ist sauber. Zu sauber könnte man meinen. Binnen der letzten Jahre scheinen Mother’s Cake ihre Ecken und Kanten abgeschliffen zu haben und bieten eine aalglatte, im Vergleich zu den Vorjahren nicht mehr ganz so progressive, 40-minütige Psychedelic-Rock-Show, die jedoch beim Gemeinen Rock’n’Roll-Fan gut ankommt.
Nach einer vorbildlich kurzen Umbaupause ist es soweit. Die weitgereisten Wolfmother aus Australien nehmen die Bühne ein und werden mit frenetischem Applaus empfangen. Ohne lang zu fackeln legen Stockdale, Peres und Carapetis mit „Victorious“, dem Titelsong des jüngsten Langspielers los. Und es klingt wahnsinnig gut! So viel Euphorie auf beiden Seiten des Bühnengrabens hat man nach dem Hören der letzten Platte kaum erwartet. Auf den Schock des neuen werden zwei Klassiker nachgelegt, um auch den letzten Zweifler zu bekehren.
Wer nach „New Moon Rising“ und „Woman“ noch ruhig auf den oberen Plätzen des Balkons sitzt, ist entweder taub oder hat sich im Veranstaltungsort geirrt. Bassist Ian Peres wirbelt sein Instrument durch die Luft wie ein Wahnsinniger. Er spielt es über dem Kopf, an der Seite, auf dem Boden, hinter dem Rücken und wenn es sein muss auch zeitgleich mit seiner fast schon antiken Korg CX-3-Orgel, deren Tasten gelegentlich mit Füßen getreten werden, aber der Mann ist im Wahn, man möge es ihm verzeihen. Auf der anderen Seite der Bühne singt sich Stockdale in feinster 70er Manier die Seele aus dem Leib und veranstaltet Dinge mit seiner, aus den 70ern stammenden Gibson SG, die definitiv einen Jugendschutz benötigen. Der Jugendschutz muss auch einigen Konzertbesuchern am Herzen gelegen haben, denn nur 2 Minuten nachdem sich Stockdale seines (eh überflüssigen) T-Shirts entledigte, flog ein schwarzer Kapuzenpulli auf die Bühne. In den 70ern wären das noch BHs und Joints gewesen…times they are a changing‘, wie Bob Dylan zu singen pflegt.
Wolfmother bestreiten ihr Set mit einem guten Mix aus alt und neu, langen und noch längeren Gitarrensoli und geben dem Publikum mit Songs wie „Gypsy Caravan“, „Apple Tree“, „Vagabond“ und „White Feather“ den Stoff, den es verlangt. Trotz der schlechten Wortspiele Stockdales (BreMan und BreWOMAN ist nun wirklich nicht die Krone der Kreativität) könnte die Stimmung nicht besser sein. Meint man. Zumindest bis „Dimension“ angestimmt wird. Die Suppe aus Schweiß und Freudentränen im Saal kocht über, das Publikum schreit die drei Worte, an die es sich im Glücksrausch noch erinnern kann, aus voller Kehle mit. „Then the storm began to blow, INTO ANOTHER DIMENSION!“ und dann, auf dem Höhepunkt von allem, verlässt die Band die Bühne. Die „Zugabeschreie“ sind ohrenbetäubend. Es dauert nicht lange und das Betteln wird erhört.
Wolfmother kommen zurück auf die Bühne. Stockdale hat seine doppelläufige…ähm…doppelhalsige, weiße Gibson EDS-1275 dabei. Das verspricht Großes. Und so kommt es auch. „Colossal“ und „White Unicorn“ erschüttern das Aladin, bevor, wie soll es auch anders sein, das eine Riff durch den Saal tönt, welches man trotz des inflationären Gebrauchs in Filmen, Werbung und PC-Spielen nicht über hat. „Joker and the Thief“ fordert allen Beteiligten das letzte Fünkchen Energie ab.
Nach 1,5 Stunden ist die Zeitreise in vergangene Jahrzehnte vorbei. Das Aladin lädt noch ein, für das ein oder andere Getränk zu verweilen und über das gerade erlebte zu schwärmen. Zum Glück folgt auf Samstag immer ein Sonntag, den wird man brauchen.
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