„Alles wird gut“ ist wohl die Königin der Floskeln. Wenn man verzweifelt ist, wenn scheinbar nichts mehr geht, wenn Oberkante Unterlippe ist, dann kommt diese Floskel. Alles wird gut, hab Vertrauen, es wird schon. Ja, ne is klar. Diese Floskel wurde mit Sicherheit vermehrt benutzt, als Deutschland, Europa die ganze Welt im Lockdown war. Die Corona-Zeit war echt heavy: nicht Rauskönnen, kein Kontakt mit Anderen und so weiter, von den vielen tausend Todesopfern ganz zu schweigen. Wer einen Bürojob hat, hatte noch Glück im Unglück: Homeoffice wurde erfunden. Aber wer auf Publikum angewiesen ist, wie z.B. Gastronomen, der hatte Existenzangst. Das trifft auch auf alle Künstler zu, keine Konzerte, keine Einnahmen. Panik. Und jetzt kommt die Lieblingsfloskel ins Spiel, etwas abgeändert, aber zutreffend:
Alles wirtz gut
Aber bevor der Haupt-Act auf der Bühne steht, eröffnet Ambo den Abend. Die Band aus Holland, genauer gesagt aus Amsterdam, besteht aus fünf Studenten des Konservatoriums in Amsterdam. Siobhan Lemaire (Gesang), Stern Hoek am Bass, Matthijs Theunisse (Gitarre) und die Ladies Femke Westeneng (Drums) und der Sängerin Jazz Meijers. Aber was bedeutet jetzt Ambo. Am wie Amsterdam und Bo wie Bochum? Fast, das wird erst später klar. Die junge Band ist anfangs etwas unsicher, weiß aber wie es geht und nimmt schnell Fahrt auf.
Sehr rockige Frauenstimme, aber auch Shout-Einlagen von Siobhan Lemaire. Die Ladies halten hier den Laden zusammen. Hinten die Drummerin, vorne die Frontfrau. Nach 30 Minuten ist leider schon Schluss. Eigentlich schade.
Daniel Wirtz war ganz klar ein Coronaopfer. Eben noch sehr gut im Geschäft. Kurz vor einer ausverkauften Unplugged-Tour kommt dann plötzlich der Lockdown und nix geht mehr. Tour fällt aus. Da baut sich mal ganz schnell, ganz viel Frust auf. Und da Wirtz eher der freiheitsliebende Typ ist, und keinen Bock auf Einschränkungen hat, blieb er gleich in Südspanien nahe Gibraltar, wohin er nach dem Rummel um das Serienformat „Sing meinen Song“ 2015 geflohen war. Nun gut. All dies erzählt er im späteren Verlauf des Konzerts. Klingt sehr frustrierend, Corona macht halt was mit uns Menschen. Da kommen keine guten Eigenschaften hervor. Bei keinem. Ist ja auch normal. Ist menschlich.
Aber diese Geschichte hat ein Happy End.
Irgendwann steht nämlich Tastenmann Pascal Kravetz (u.a. bei Maffay und Lindenberg) vor seiner Tür und sagt: „Komm mal runter vom Baum. Ich kenn da wen, wir müssen mal was machen“. Sie fahren nach Amsterdam und treffen JB Meijers, den holländischen „Jimi Hendrix“ der schon mit den Größen Beastie Boys und The Prodigy zusammengearbeitet hat. JB kennt natürlich die holländische Musikszene und holt Joost Kroon, den meistgebuchten Drummer Hollands, ins Boot. In Holland zu bleiben ist keine optimale Idee, also geht’s zusammen auf die Insel Bonaire, die zu den niederländischen Überseegebieten zählt. Dort ist es sehr chillig, ein super Ort, eine Scheibe einzuspielen. Herausgekommen ist DNA, scherzhaft von Wirtz „Daniels Neues Album“ genannt. Tolle Geschichte.
DNA – Ich sags Dir auf die nette Art
DNA – ja dieses Spiel hier spielt man hart
DNA – Der hellste Fleck auf dem Radar
Sorgt für extremste Suchtgefahr
Ach so, da war ja noch was. Konzert im Capitol Hannover, das fast ausverkauft ist. Und es beginnt wie erwartet. Volle Pulle, keine Kompromisse. Das ist Frustabbau in Reinkultur. „Harte Zeiten machen harte Riffe“, so nennt Wirtz das. „L.M.A.A.“, „Dünnes Eis“ und Titelsong „DNA“ sorgen für einen Kickstart von Null auf Hundert. Die Corona-Geister sind vertrieben. Wirtz ist gestärkt daraus hervorgegangen, obwohl es für ihn nach eigener Aussage drei verlorene Jahre waren. Für wen eigentlch nicht? Da ist er nicht der Einzige, aber die Musikbranche hats halt noch mal einen Zahn schärfer getroffen.
Das neue Album wird musikalisch hochgelobt aber textlich förmlich zerrissen. „Ööööh die Texte sind unkonkret. Was will er uns sagen?“ Bla und Blubb. Da wird jede Zeile, jeder Furz seziert und kommentiert. Einfach selber reinhören und sich ein eigenes Bild machen. Songs wie „Ein klares Nein“, „Hallo Erde“ oder „Atlantis“ sprechen eine klare Sprache. Die über 1000 Fans im Capitol kennen alle Texte und feiern Wirtz ab. Sie sind überzeugte Fans, die sich von Rezensionen nicht beeinflussen lassen.
Vor den Zugaben gibt es nicht die üblichen Rufe, sondern mindestens fünf Minuten einen taudsendköpfigen Chor: „Oh, wie ist das schön, sowas haben wir lange nicht gesehen, so schön, so schön“. In Dauerschleife und von mal zu mal lauter. Das ist Balsam für die Seele. Das braucht man nicht kommentieren, das spricht für sich. Zu „Mantra“ geht er ins Publikum und herzt seine Fans. Tolles Konzert.
Bleibt eigentlich nur noch eine Frage zu klären. Woher kommt das Bo in Ambo? Na klar, Bo wie Bonaire, die Insel. Muss so sein. Ist aber Interpretationssache.
Galerien (by Torsten Volkmer bs! 2024):
Setlist:
- LMAA
- Dünnes Eis
- DNA
- Wo ich steh
- Kugel, Kopf und eins im Sinn
- Der Feind in meinem Kopf
- Ein klares Nein
- Gib mich nicht auf
- Wer wir waren
- Ne Weile her
- Willkommen im Krieg
- Atlantis
- Schweigen mit dir
- Siehst du mich
- 10 Jahre
- Meinen Namen
- Hallo Erde
- Frei
- Keine Angst
- Mantra
- Richtig weh
- Mon Amour
- Die fünfte Dimension