Mit “FIVE” nehmen die White Lies ihr kürzlich aufgenommenes fünftes Studioalbum mit auf Tour und machen dabei auch Halt in Hamburg. Das Konzert ist restlos ausverkauft und die Markthalle füllt sich bereits beim Support bis in die hintersten Ecken.
Den Job der Vorband übernimmt an diesem Abend Boniface aus Kanada. Der junge Musiker Micah Visser serviert den Gästen mit seiner Band an sauberen Gitarrenpop. Die Musik ist nicht wirklich neu oder aufregend, dennoch machen die Jungs auf der Bühne einen anständigen Job und überzeugen letztendlich durch ihre positive Ausstrahlung und den Spielspaß, den sie an den Tag legen. Die Chemie zwischen den Musikern stimmt. Die Stimmung in der Markthalle ist gut, die Luft dafür umso schlechter. Gut, dass weder Boniface noch die White Lies zu exzessiven Tanzeinlagen auffordern.
Die White Lies betreten bereits kurze Zeit später den Saal und ab da wird es merkwürdig. An diesem Abend lassen sich unter den KonzertbesucherInnen zwei verschiedene Typen ausmachen: Die TicketkäuferInnen, vertraut mit allem, was die Band bisher so getrieben hat und die BegleiterInnen, die noch nicht so richtig wissen, was sie erwartet. Wer mit den White Lies vertraut ist, wird an diesem Abend nichts auszusetzen haben. Die Setlist ist gut durchmischt, die Bässe wummern, Patzer seitens der Musiker gibt es keine. Zahlreiche Gäste lassen sich während der Show dabei beobachten, wie sie, wie in Trance zum verträumten 80er Wave-Sound der Briten tanzen und alles um sich herum vergessen. Und das ist super und es sollte nicht anders sein.
Es menschelt nur wenig.
Der nicht ganz so vertraute White Lies Fan kommt jedoch nicht umher, die Band etwas genauer zu beobachten und wird schnell feststellen, dass für den perfekten Konzertabend doch etwas Essentielles fehlt, denn zwischen Musikern und Gästen menschelt es nur wenig. Die Band spielt sich nahezu perfekt durch ihr Set und auch der Sound ist unbestreitbar gut. Der Kontakt zum Publikum fehlt jedoch gänzlich und auch zwischen den Musikern selbst passiert nichts, keine Chemie, keine Interaktion. Jeder bleibt wie angewurzelt auf seinem Platz, ein Lächeln gibt’s nur selten.
Zwischen jedem einzelnen Song wird das Licht auf der Bühne komplett verdunkelt, sodass auch beim Instrumentenwechsel kein bisschen Menschlichkeit zum Vorschein kommen kann. Und genau dadurch fühlt sich der Abend so merkwürdig an. Was denkt man über ein musikalisch eigentlich perfektes Konzert, dass sich letztendlich so unpersönlich anfühlt, wie ‘ne Amazongeschenkkarte an Weihnachten? Lohnt sich ein Konzert, bei dem die Musiker guten Handwerkern gleichen, die kommen um ihren Job zu verrichten und dann nach Bezahlung wieder gehen?
Kraftvolle Darbietungen von „Big TV“ und „There goes my Love again” sind so einnehmend, dass auch die Kritiker kurz ins Schwingen geraten und an ihren bisherigen Gedanken zum Abend zweifeln. Und zwar so sehr, dass sie zur Zugabe von „Change“ vor Hoffnung fast überquellen, als sich Harry McVeigh allein ans Piano setzt.
Jetzt wird’s echt! Jetzt wird’s gefühlvoll!
Alles Echte in der Stimme wird durch Soundeffekte übertüncht, sodass auch die letzte Hoffnung auf die eine große Emotion mit den Füßen getreten wird. Schade.
Konzertberichte sind in erster Linie, zumindest bei uns, eines: subjektiv. Wer eh nicht so auf diesen ganzen Zwischenmenschlichen Kram steht und hauptsächlich zu ‘nem Konzert geht, um wirklich gute Live-Musik zu hören, wird an diesem Abend völlig auf seine Kosten gekommen sein.
Galerien (by Thea Drexhage bs! 2019)
Setlist White Lies
- Time to Give
- Farewell tot he Fairground
- Believe it
- There goes our love again
- Is my love enough
- Hold back your love
- Unfinished business
- Jo?
- Don’t want to feel it all
- Take it out on me
- Swing
- Big TV
- Never Alone
- Kick me
- Death
- Tokyo
- To lose my life
- Chance
- Fire and Wings
- Bigger than us