Review: Mach ein Foto mit dem Herzen?! – Uelzen Open R (16.08.2024, Uelzen)

Die Zeiten sind hart, aber digital. Das kann man durchaus so sagen. Seitdem gefühlt Menschen ab 10 Jahren Lebensalter (manchmal sogar noch früher) ein Handy haben, werden ständig, gefühlt 24/7, Fotos und Filme gepostet. Was ist der Zweck dieses Aktionismus? Nun ja, zum einen kann es nützlich sein, wenn mensch daraus im weitesten Sinne etwas lernen kann. Das ist durchaus positiv zu sehen. Eher negativ besetzt ist es, wenn Sensationsgier mit im Spiel ist und Filmer zum Beispiel Rettungsmaßnahmen behindern. Klicks, Klicks, Klicks. Absolut gruselig. Und dann gibt’s ja noch die Selfie-Geschichten. „Guck mal Kalle, ich hab ein Selfie mit Promi XYZ, ist das nicht toll“? „Ja ganz toll“. Im Allgemeinen hat das dann nur eine kurze Halbwertzeit. Aber na gut, wer´s braucht. Besser wäre doch…

Mach ein Foto mit dem Herzen

Nachdem die Songs „Bauchgefühl“ und „Attacke“ von „Deine Cousine“ verklungen sind, kommt Sängerin Ina Bredehorn tatsächlich noch mal in den Innenbereich und wird, wie überraschend, von den Fans erkannt. Und natürlich bildet sich sofort eine Fan-Schlange mit dem Wunsch auf ein Selfie. Da kann man dann zu Hause sagen: „Guck mal, ich habe ein Foto mit „Deine Cousine“. Darauf: „Heißt es nicht mit deiner Cousine?“ Nun ja lassen wir das. Nächstes Jahr ist die Band auf Deutschland-Tournee, darauf können sich die Fans jetzt schon freuen.

H-Blockx (Foto: Michael Lange bs! 2024)

Auch auf Tour, aber schon im Oktober 2024, sind die H-Blockx aus Münster. Die H-Blockx? Die gibt´s noch? Ja, aufgelöst waren die nie, nur halt nicht oder nur selten präsent. Aber jetzt zum 30.Geburtstag ihres Debütalbums „Time To Move“ starten sie durch mit einer Headline-Tour durch Deutschland, Österreich, Schweiz und Belgien. Und sowas wie der Startschuss ist der Auftritt in Uelzen. „Ich bin so glücklich nach so langer Zeit wieder Menschen mit H-Blockx-Shirt zu sehen“, gibt Sänger Henning Wehland zu. Und davon gibt es einige im Publikum. Die Fans kriegen das geliefert, was so lange vermisst wurde. Crossover mit mächtig Wumms und alle, durchaus zeitlosen Mega-Klassiker wie „Move“, „Risin‘ High“, „Little Girl“ und zum Schluss das Cover von „Ring of Fire“. Uelzen brennt und freut sich schon auf die Tour der Blockx.

Guano Apes (Foto: Michael Lange bs! 2024)

Die Guano Apes aus Göttingen hatten sich 2006 schon mal aufgelöst, haben dann 2009 aber wohl erkannt, das macht keinen Sinn, lass uns weitermachen. Gut so. Es gibt noch viel zu bereden, besser gesagt zu besingen. Die Apes wollen eher das Analoge anstatt dem überall und dauernd Digitalem. Sie formulieren das so: „Wir sind näher am Affen als an KI. Und es gibt eine Urgewalt, die dem Menschen, dem Altweltaffen, innewohnt: Der Drang nach Freiheit. Das unterstützen wir tonal, seit rund drei Dekaden zusammen mit unserem Publikum. Inmitten der KI-Zeitenwende und der digitalen Loslösung ist das Erden und das Begreifen des Menschen in der Natur wichtiger denn je“. Handgemachte Mucke mit einer bestens aufgelegten Sängerin (nicht nur von der Stimmung, sondern auch von der Stimme) Sandra Nasic. Voller Körpereinsatz mit viel Posen und Songs wie „Open Your Eyes“, „You Can’t Stop Me“, aber auch Cover von Eminem („Lose Yourself“) und „Big in Japan“ ( Alphaville). Den Abschluss bildet dann wie immer „Lords of the Boards“. Gnadenlos gut. Zurück zum Werbeblock: auch die Guano Apes sind ab Anfang Oktober 2024 auf großer Deutschland-Tournee.

Carve your name into my arm
Instead of stressed I lie here charmed
‚Cause there′s nothing else to do
Every me and every you

Mando Diao (Foto: Michael Lange bs! 2024)

Mando Diao sind mit ihrer Deutschland-Tour 2024 erstmal durch, das Uelzen Open R bildet fast schon den Jahresabschluss. Schade, sind die Schweden doch immer ein gern gesehener Gast auf Festivals oder als Headliner. Warum ist das so? Sie haben den „schwedischen Elvis“ in Ihren Reihen. Sänger Björn Dixgård ist ein Pfau. Frau mag Pfau. Der Typ ist heiß (und er weiß das). Mit seinem Sex-Appeal und ein Stück weit Arroganz becirct er vor allen Dingen das weibliche Publikum. Show und viel Po-Wackler machen aber auch beim ganzen Publikum gute Laune. Das geht nicht ohne Songs und da gibt es reichlich. Mit „Frustration“ geht´s los, aber das ändert sich. Irgendwann ist „Fire in the Hall“, dann wird „Gloria“ besungen und „Black Saturday“ ist der Anheizer für ihren Smash-Hit “Dance With Somebody”. Routiniert rockiger Auftritt, aber kann man immer hören. Jederzeit gerne wieder.

Was danach kommt, ist eine ganz spannende Sache. Durchsage vom Veranstalter und auch auf den Leinwänden. Die Jungs von Placebo möchten nicht, dass vom Publikum Fotos oder Filme gemacht werden. „Der Auftritt soll ein „intensives, gemeinschaftliches Ereignis werden, das nicht gestört werden sollte durch dauerndes Filmen mit dem Handy oder Hantieren, sondern dass man sich auf den Auftritt konzentriert und ihn genießt“, so der Tenor der Band. Wumms, das ist doch mal eine Ansage. Will die Band nicht durch Bilder und Videos die Musik der Band weitertragen und neue Fans dazu gewinnen? Eindeutige Antwort. NÖ. Fans, die ihr Handy zücken, werden von der Placebo-Security mit Taschenlampen geblendet. Gnadenlos und ohne Ausnahme. Es rumort im Publikum. Mag mensch Gängelung? Gnadenlos ist auch der übersteuerte Bass am Anfang des Konzerts. Es rumort nicht nur im Magen, aber wird nach und nach korrigiert und im Verlauf ein knackiger Sound. Placebo stehen seit 1994 für Alternative Rock mit sehr viel Niveau. Eigentlich gehören nur Frontmann Brian Molko und zu Stefan Olsdal zur Band. Ein Duo schafft allerdings nicht so einen komplexen Sound und so sind einige Nur-Auf-Tour-Mitglieder im Einsatz an Schlagzeug, Gitarre und zweimal Keyboard. Ansagen gibt es nur wenige.“ Every You Every Me“ setzt ein erstes Ausrufezeichen. Mehr, mehr, da geht noch viel mehr. Kommt alles, ganz ruhig bleiben. Im letzten Drittel des Sets kommen dann die Songperlen wie „Song To Say Goodbye“ oder „The Bitter End“.

Aber noch ist nicht End und bitter schon mal gar nicht. Der Zugabenblock mit „Infra-Red“, „Fix Yourself“ und dem Kate Bush-Cover „Running Up That Hill“ bilden den Abschluss und sind für immer im Herzen. Auch ohne Handy. Das geht, einfach mal machen.

Galerien (by Michael Lange bs! 2024):

Setlist Deine Cousine:

  1. St. Pauli
  2. Scheiß auf Ironie
  3. Bang Bang (Mein Herz schlägt krass für dich)
  4. Bielefeld, Paris oder Madrid
  5. Der Himmel ist ’ne Kneipe
  6. Go Go Fuck Yourself (?) (unveröffentlichter Song)
  7. Bauchgefühl
  8. Attacke

Setlist H-Blockx

  1. Countdown to Insanity
  2. Revolution
  3. The Power (Snap! cover)
  4. Leave Me Alone!
  5. In Your Head
  6. Can’t Get Enough
  7. Move
  8. How Do You Feel?
  9. Little Girl
  10. Risin‘ High
  11. Ring of Fire (Merle Kilgore cover)

Setlist Guano Apes:

  1. Oh What a Night
  2. Open Your Eyes
  3. Close to the Sun
  4. Sunday Lover
  5. Lose Yourself (Eminem cover)
  6. You Can’t Stop Me
  7. Crossing the Deadline
  8. Big in Japan (Alphaville cover)
  9. Lords of the Boards

Setlist Mando Diao:

  1. Frustration
  2. Primal Call
  3. Stop the Train
  4. Fire in the Hall
  5. Long Long Way
  6. All the Things
  7. More More More
  8. Money Doesn’t Make You a Man
  9. All My Senses (Surprise Song)
  10. Down in the Past
  11. Gloria
  12. Scream for You
  13. Black Saturday
  14. Encore:
  15. Wake Up
  16. Get It On
  17. Dance With Somebody
  18. Outro It’s a Heartache (Bonnie Tyler song)

Setlist Placebo:

  1. Taste In Men
  2. Beautiful James
  3. Scene of the Crime
  4. Happy Birthday in the Sky
  5. Bionic
  6. Surrounded by Spies
  7. Soulmates
  8. Every You Every Me
  9. Sad White Reggae
  10. Try Better Next Time
  11. Too Many Friends
  12. Went Missing
  13. For What It’s Worth
  14. Slave to the Wage
  15. Song to Say Goodbye
  16. The Bitter End
  17. Infra-red
  18. Fix Yourself
  19. Running Up That Hill (A Deal With God) (Kate Bush cover)

Links:
www.openrfestival.de

Michael Lange
Michael Langehttps://www.be-subjective.de
Michael Lange. MichaL ist der Methusalix in unserem Team. Ein Original, ein Sympath, ein Genießer von A wie Abba bis Z wie Zabba und im realen Leben ein Stepptänzer. »Jawohl, das mit dem KlackerdiKlack.« MichaL hat schon Rock’n’Roll gehört, da waren die Little Boy Blue and the Blue Boys noch grün hinter den Ohren. Man munkelt er konnte schon einparken, da gab es noch nicht mal Rückspiegel, geschweige denn Einparkhilfen. Dennoch ist die MichaL noch lange kein Oldy oder darauf fokussiert. The big L war plötzlich da. Zeitlos. Unerwartet und doch völlig freiwillig tauchte er in unserem Universum auf und bereichert es. KlackerdiKlack.

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