Der Schwan ist im Schlachthof gelandet, dort wird er aber nicht zerstückelt, sondern ganz im Gegenteil in seiner vollen Pracht präsentiert. Turbostaat feiern derzeit 25 Jahre Bandgeschichte, wobei ausgewählte Städte in den Genuss kommen, eines der nunmehr neun Studioalben in voller Länge gespielt zu bekommen. Nach dem Tourauftakt im Lübecker Treibsand mit Flamingo geht die ornithologische Reise weiter nach Bremen und es zieht zahlreiche Fans wie Zugvögel von überall in die Hansestadt.
Begrüßt werden sie von fluppe. Die haben erst kürzlich im Tower für Whispering Sons den Abend eröffnet. Heute dann eine Nummer größer vor den bereits vollen Rängen des Schlachthofs. Zeitgeistiger Indierock mit dahingenuscheltem Gesang, den man an diesem Abend nur schwer verstehen kann – passt eigentlich ganz gut zum Sound von Turbostaat, aber viel Bewegung verursacht es im Publikum noch nicht. Das ist aber auch nix persönliches, das ist einfach typisch bremisch. Energiereserven wollen wohl eingeteilt sein.
Das mit der Energie ändert sich mit den ersten Akkorden von M – Eine Stadt sucht ihren Mörder und jetzt versteht man auch, wo die Kesselhalle des Schlachthofs ihren Namen herhat. Es brodelt, es blubbert, es schäumt, es kocht über. Turbostaat beherrschen ihr Handwerk und locken selbst aus dem trockensten Hanseaten die größte Euphorie. Erstaunlicherweise zum ersten Mal steht die Band auf der Schlachthofbühne und – man erlebt es immer wieder – ist völlig baff vom Anblick dieser Kulisse. Durch die hohen Ränge kann das ganze Publikum die Band sehen und die ganze Band das Publikum.
Wie langbeinige Giraffen,…
… nicht wie langhalsige Schwäne stehen die Bremer *innen da, zumindest jene, die sich nicht auf der kleinen Tanzfläche schubsen. Es herrscht wundervolle Energie auf beiden Seiten. Jan Windmeier verliert zwischen den Songs nicht allzu viele Worte – als das Schwan-Set zu Ende geht, scherzt er: “Früher haben die Konzerte auch nicht länger gedauert.“ Das kann die noch immer blubbernde, wogende Menge natürlich nicht akzeptieren. Zum Glück gibt’s Bestechung: Aus der ersten Reihe findet ein Lebkuchenherz vom Bremer Freimarkt, der direkt neben dem Schlachthof stattfindet, seinen Weg auf die Bühne. Dieses ist noch mindestens 8 Songs wert. Diese bestehen nicht aus einem Best Of, sondern aus fünf Nummern von Flamingo. Was für ein Fan-Service für jene, die den Tourauftakt verpasst haben. Bremen ist textsicher. Es blubbert weiter und wenn man sich in der Menge so umschaut, kann es durchaus sein, dass viele der Gäste auch vor 25 Jahren schon am Start waren.
Bremen, verdammt!
Zum Schluss gibt’s dann mit Harm Rochel, Am Ende einer Reise und Insel noch drei Nummern von Vormann Leiss. Nix neues. Keine Spur von Uthlande. Einerseits toll, dass sich auf die Klassiker bezogen wird, andererseits schulden die Turbostaatis dem Nordwesten auch noch ein paar Termine mit dem neueren Material – kommt doch gern zurück in den Schlachthof. Die Giraffen warten und jubeln innerlich noch immer. Der Applaus nach 20 Songs ist ohrenbetäubend. Die Band sichtlich gerührt. Beim Verlassen dieser wohlig-nostalgischen Atmosphäre wirken die bunten Lichter des Freimarkts draußen fremd und fehl am Platz, also schnell nach Hause, noch ein wenig in Erinnerungen schwelgen an diesen wahrlich perfekten Konzertabend.
Galerien (By Thea Drexhage bs! 2024)
Turbostaat (25.10.2024, Bremen)
fluppe (25.10.2024, Bremen)
Setlist Turbostaat:
- M – eine Stadt sucht ihren Mörder
- Die Stulle nach dem Schiss
- Es fehlte was im 2ten Karton
- Prima Wetter
- Pop national
- Monstermutter
- Holland in Not
- Warten auf Flitzi
- Peterantjesiensöhn
- Trauertränen
- Charles Robotnik seine Frau
- Schwan
Encore 1: - Flamingo
- Drei Ecken – ein Elvers
- Am 1. Mai ist Weltrevolution, weitersagen
- Blau an der Küste
- Cpt. Käse
- 18:09 Uhr. Mist, verlaufen
Encore 2: - Harm Rochel
- Am Ende einer Reise
- Insel
Links:
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