32° im Schatten, gefühlte 50° im Capitol. Geahnte 70° im Scheinwerferlicht. Die Securety-Crew macht heute eine fette Ausbeute an Deodorants und hält Palettenweise Wasserflaschen vor der Bühne bereit. Kein Lüftchen. Kein Ahnung, ob diese Temperaturen nicht das ein oder andere Muskelpaket in die Knie zwingen werden.
Trivium haben sich angekündigt und 900 Fans sind angereist, um die – wie es im Pressetext heißt – massiven Thrash Metal-Walzen – zum ersten Mal live in Hannover zu erleben. Durchaus keine Kleinigkeit, denn das Capitol ist für die Genre-Legenden – neben Münster und Bochum – der einzige Spielort in Deutschland, bevor es für die Metal Heads weiter Richtung Skandinavien geht.
Any Given Day
Als Special Guest haben die Heroen aus Orlando Any Given Day (Gelsenkirchen) geladen, auf die auch Caliban oder Annisokay bereits gespecialt haben. Aber so was von. Da ist ordentlich Druck drauf. Da geht heut was. Die Redaktion ist auf jeden Fall ein bisschen aus dem Saunahäuschen. Aber so was von!
Und Mensch soll recht behalten. Any Given Day geben es sich so richtig. Bei den Jungs haben Fans immer das Gefühl, very very special zu sein. Any Given Day spielen jede Show – sei sie noch so kurz – so, als sei es ihre erste, einzige und letzte.
Kein Vorspiel. Schnell. Hart. Kurz. Knaller. Von der Nebelfontäne bis hin zum aufgepumten Dennis Diehl, der die Songs mit seiner Gesichtsmuskulatur in die Menge zu stanzen scheint, ist hier wirklich Leben in dem, was bei vielen MöchtegernMetalBands wie Pos(s)e wirkt.
Any Given Day, ein Name, der buchstabieren wir mal die heleln Vokale durch – ausschließlich zarte und helle Klangfarben anruft, und damit mehr verrät, als die band vielelicht gedacht hat, sind authentisch und ambivalent. Der Harte Kerl ist gnadenlos nett, publikumsnah und die Texte der Band – wie ihr Name – nachdenklich, sehnsüchtig, hoffnungsschwanger.
„There´s no need to change tomorrow
if we can change today
This is who we are
and this is where we stay
We’ve got to take our life back
one chance to make it right“
Sag niemals nie. Die Fans werden des Pogens nicht müde, erklimmen die Wall of Death und reißen die Fäuste bei jedem „Hey“ in die Höhe. Gefühlte Kerntemperatur inzwischen 40° Grad. Leben. Jetzt. Absolut steht hier im Kleingedruckten.
Fans und alle, die es an diesem Abend geworden sind, dürfen sich also aus vielerlei Gründen auf das – so kündigt die Band an bevor sie Endurance die erste Single ihres neuen Albums – auf „Everlasting“ (VÖ: 26.08.2016) freuen.
21:00 Uhr. Kerntemperatur 66,6° C.
Trivium haben sich mit Any Given Day sicherlich keinen Gefallen getan. Im Plattenschrank von SzenekennerInnen ist „Silence In The Snow“ sicherlich ein Must Have und die Erwartungen an die legendären Thrash Metal-Ikonen entsprechend hoch. Manche/r hier, hat sie gewiss schon vier bis fünf mal live gesehen, für andere ist es eine Premiere. Die Stimmung – soviel können wir festhalten – ist vom ersten Ton an eine Verneigung, ein Zelebrieren, ist einzigartig.
Intro. Divinity. Trivium? Fehlanzeige. Ein Opener, der die Band – in Gänze durch die Fans gesungen – auf die Bühne klatscht. Allein die Trivium-Teufel glotzen mit leuchtenden Augenaus der Bühnenszenerie und es drängt sich die Frage auf, ob die Konzerte der Band durch die Fans selbst zu den inensivsten Metal-Erlebnissen zählen, die der gebangte Head je gesehen hat, oder ob Trivium genau der Katalysator sind, der so eine Stimmung aus dem Publikum herausholt.
Viel Hilft viel.
Viel laut. Viel Strobo. Viel Fuck.
Doch der Dreiweg, den die Band beschreitet, geht, was die Variationsbreite in den Songs anbelangt, etwas in Einseitigkeit unter. Laut, lauter, übersteuert? Hier gehen die Meinungen auf jeden Fall auseinander. Der Sound, so das Fachpublikum im Zentrum des Capitols, sei gut gewesen, aus der Peripherie mag man das nicht beurteilen. Es fehlt – so die bescheidene Meinung, des Neulings auf diesem Pfad der Häre – an Variationen, da hilf auch die exaltierte Zunge Matthew Heafys nichts. Vielleicht ist die Autorin aber auch nur zu verwöhnt und kann die Nuance nicht ermessen. Die Fans sind selig und – auch wenn die Temperaturen und die olfaktorischen Begleiterscheinungen inzwischen zum Erbrechen intensiv sind – dekliniert das Publikum alles, was das Bewegungsspektrum des Metal so bereithält, durch (Moshpit, Crowdsurfing, Wall of Sweat). Viel hilft viel.
„We don’t need no quietness
No politenes..“
Zum ersten Mal sind Trivium in Hannover und – so Matthew „die Zunge“ Heafy – da sie sich in Deutschland mehr Zuhause fühlen als in den US, wird es gewiss nicht das letzte Mal gewesen sein. Der Teufel mit den glühenden Augen drückt – im Angesicht der strahlenden Fans – eines zu und ist gespannt, welche die alten Trash-Metal-Hasenin den kommenden Jahren musikalisch begehen werden.
Jetzt ist halt heute und wer bei Trivium noch irgendeine trockene Faser am Leib hatte, war nicht wirklich da.
Alle Fotos in unserer Konzertfoto-Datenbank:
Setlist Trivium:
- Divinity (Intro)
- Strife
- World Burns
- Flies
- Hell Mouth
- Built
- Dead and Gone
- Deviced
- Shattering
- Down
- World Cold
- Pull Harder
In Waves (interlude) - In Waves
Ace of Spades (Motörhead song)
Setlist Any Given Day:
- The Beginning of The End
- Never say Die
- Endurance
- Home is where the Heart is
- Arise
- Diamonds (Rihanna cover)
Links:
www.trivium.org
www.anygivenday.eu
Veranstalter:
- Live Nation
- Hannover Concerts (lokal)