Review: Tim Vantol – „Wir kommen zwar aus Holland, aber wir sind nicht bescheuert“ (26.04.2018, Oldenburg)

Als passionierter Konzertbesucher hat man es in einer Stadt wie Oldenburg nicht leicht.  Eingekesselt von Hamburg und Bremen im Osten, sowie Hannover, Bielefeld, Münster und Osnabrück im Süden, können die gewöhnlichen Oldenburger schon mal das Gefühl haben, dass alle guten Musiker von den umliegenden Städten abgefangen werden. Wenn ein Künstler nun aber aus den Niederlanden kommt, dann muss er wohl oder übel an Oldenburg vorbei. Und für solche Gelegenheiten haben wir das Amadeus, welches am Abend des 26.04.2018 liebend gern Tim Vantol, dem netten Nachbarn aus den Niederlanden, eine Bühne bietet.

Apey (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Mit im Gepäck hat dieser den Apey aus Ungarn. Wer genau das ist, weiß keiner der Gäste so richtig, aber die Musik gefällt. Apey betritt nur mit einer Gitarre bewaffnet die Bühne. Er spielt Songs mit Namen wie „Throw my Shoes & Put Aside to Rest“ oder „Personal Demon“. Die persönlichen Dämonen sieht man ihm in der Tat etwas an, aber meine Güte, der Junge kann singen. Und die Stimme – nach kurzer Zeit macht es Klick:

 Der Typ klingt wie Eddie Vedder in den Neunzigern.

Das Publikum ist angetan und lauscht den abwechslungsreichen Songs. Mitten im Set bittet Apey um etwas Weed, für das er Hemd und Hose tauschen würde. Dabei ist der doch nun schon mit `nem Haufen Holländern unterwegs. Ob seine Wünsche im späteren Verlauf des Abends noch erfüllt wurden, ist an dieser Stelle ungewiss.

Apey (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Nach einer kurzen Umbaupause betritt ein strahlender Tim Vantol mit seiner Band die kleine Bühne des Amadeus. Schnell fällt auf, das Sound und Licht für einen so kleinen Laden außerordentlich gut sind, was sich sicherlich auch positiv auf die Gäste auswirkt. In den vorderen Reihen wird sofort getanzt und gesungen, was sich wiederum positiv auf die Band auswirkt. Die Musiker scheinen einen Heidenspaß zu haben.

 Vantol ist begeistert

Tim Vantol (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

– bei seinem letzten Besuch in Oldenburg standen nur 9 Leute vor der Bühne, an diesem Abend ist das Amadeus gut gefüllt. Er bedankt sich unzählige Male in charmantem Deutsch und mensch hat das Gefühl, dass er im Gegensatz zu vielen anderen Musikern auch meint, was er da sagt. Über eben diese undankbaren Musiker hält er eine kleine Ansprache und erklärt, dass es ihm immer darum ging, einfach nur zu spielen – und das merkt mensch sofort. Von den OldenburgerInnen gibt’s Applaus und schon geht es weiter im Set mit Songs wie: „What it takes“, „Burning Desires“ oder „Road Sweet Road“. Zwischendrin immer wieder angeregte Unterhaltungen für und mit dem Publikum, sogar für kurze Niederländisch-Sprachkurse im Rahmen von „Nothing“ ist Zeit.

Niets is wat het lijkt.

– Zeilen, die mensch in Amsterdam singen soll, um zu sehen, wie schnell die Holländer dort…genervt sein können. Herzliches Gelächter geht durch die Leute.

Tim Vantol (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Zwischen drin gibt es Tim Vantol immer mal wieder Solo, nur mit seiner Klampfe. Dabei findet sich dann auch Zeit für altere Stücke wie „Four Wheels and a Sixstring“. Der ganze Abend bleibt fröhlich ausgelassen. Das Mitsingen klappt unter ausführlicher Direktion seitens der Bühne. Als Vantol gegen Ende des Abends entdeckt, dass er tatsächlich mal in einem Laden mit Balkon spielt, zwingt er kurzerhand die drei Leutchen, die es sich dort oben gemütlich gemacht haben, allein mitzusingen, was nach etwa fünf Minuten auch klappt, während sich der Rest des Publikums unten den Arsch ablacht. Gegen Ende begibt sich Vantol allein mit seiner Gitarre ins Publikum, um seine Interpretation von „Wonderful World“ sowie „Bitter Morning Taste“ zu spielen.

Schön. Intim. Authentisch.

Wieder vereint mit seiner tollen Band gibt es dann noch das große Finale mit „If we go down, we go togehter“. Oldenburg tanzt noch einmal, um die letzten Schweißreserven loszuwerden. Und dann war es das, der Abend mit dem übermäßig sympathischen Tim Vantol. Welcher sich sowohl vor, als auch nach dem Konzert zwischen den Besuchern im Amadeus tümmelt.

Dank je wel!

Galerien (by Thea Drexhage bs! 2018):

Links:
www.facebook.com/apeymusic
www.timvantol.com
www.facebook.com/amadeus.oldenburg

Thea Drexhage
Thea Drexhagehttps://www.be-subjective.de
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.

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