Ein Wort ist etwas, das das, was bereits gedacht werden kann, also bewusstseinsfähig ist, in ein symbolisches Gewand presst. Der nackte Rest, er fällt durch die Maschen. Musik ist komplexer, sie erfasst jede Pore, dringt ein über das Pochen der Bässe, in deren Rhythmus dein Herz im Leib pulsiert. Musik knistert in deinem Nacken, wenn die Zeit gegen sie verliert und sie Bilder mit verschmiertem Lippenstift auf die Innenseiten deiner Lieder spielt. Sie wird du. Ein Zucken, ein Leib, 14.000 leuchtende Herzen singen mit einer Stimme Shake Shake Shake, Shake Dog Shake.
»Don’t worry, I smile
I’ll miss you, but it’s not like you’re gone
Don’t worry, I smile«
Welch Wort könnte also die Extase, den Schmerz, das süße Leiden und Lieben erfassen, das dich durchzuckt, wenn die Fascionation Street ihre Klauen in deinen Sein schlägt. Die Härchen im Nacken, sie hängen wie Marionetten an den Saiten und der größte Fan weiß nicht, ob er lachen oder weinen soll. Vor Glück.
»And I’m begging
To drag you down with me
To kick the last nail in
Yeah I like you in that
Like I like you to scream«
Das Licht, es ist wie die Band. Eine magische Verlängerung einer Stimmung, die so viel ist, so dezent und so mächtig zugleich, so überflüssig und so schön. Menschen – und hiervon muss ich, als der kleinste große unter ihnen, the Cure Fans eindeutig ausnehmen – brauchen Show. Dynamik, Blut, Explosionen, Effekte. The Cure Fans brauchen nichts davon. The Cure Fans brauchen nur…
the Cure.
The Cure Fans, was wären sie ohne Robert Smiths Tu-Tu-Tus, Simon Gallups Bass und Jason Coopers Drums. The Cure again and again and again and again. Und weil ihr Puls diesem Rhythmus folgt, schließt sie die Augen und sieht nicht die Steilküsten und Wolken, die flirrenden Herzen, die in der Mercedes Benz Arena über die Leinwände fliegen. Just follow your eyes… Die Arena tanzt. Auf den Rängen, im Innenraum, es knistert die Luft.
Das seltsame Mädchen denkt, dass dieser Mann, der nie der Vorsteher eine ganzen Szene sein wollte, ein missratenes Kind gerettet hat, das gerade geboren wurde, als Pornography auf der bunten Seite der Welt veröffentlicht wurde. »It doesn’t matter if we all die« Es wäre jetzt wirklich nicht schlimm, denn
alles ist perfekt. Für den Moment.
Disintegration. Der Vorhang fällt, das Pioniertuch auch. Das blasse Mädchen sitzt vorm Radio und macht Hetfpflastertapes1, die es im Walkman im Laufe der 90er abnudelt. Wenn Robert Smith wüsste wie viele Herzen er mit Pictures of You, Lovesong Lullaby geheilt und in den Schlaf gesungen hat.
The Cure Fans lieben innig.
Nach jedem Song ist der Applaus so mächtig, das man das Drittel Leichtigkeit mit den poppig lustig bunten Knallern von Friday I’m in Love, Just Like Heaven Boys Don’t Cry sofort verzeiht. Das Paar in Reihe zwölf knutscht seit Pictures of You. Die Setlist goutiert das mit Pornography. One Hundred Years. Vernichtung, Tod und Krieg kriechen über die Leinwände. Viel zu schnell ist alles vorbei.
Die Arena bebt. Oder ist es ihr Puls. Alles löst sich auf. Das Publikum trampelt, grölt und klatscht gefühlte fünft Minuten, bis The Cure zur ersten Zugabe ansetzen. It Can Never Be The Same, ein bisher unveröffentlichter Song, so Robert Smith. Kein Pop, keine Gefallsucht, nur Gitarren und Gesang. It Can Never Be The Same passt unendlich gut ins LiebhaberInnenSet. Schwere Melodie, schwere Kost, ein Gedicht aus Sehnsucht und Glück. Das tanzende Etwas, es lächelt. Auch wenn Bühne und Bildschirme von den Rängen viel zu weit entfernt sind, um irgendeine Mimik zu erkennen, weiß das verückte Ding, es lächelt nicht allein in sich hinein.
»The games we played, the songs we sang
The way we danced all night
Don’t worry, I smile
We’ll do all those things again next time«
Und endlich sind wir bei Null angekommen. Mit geschlossen Augen spürt sie die Schwingen der Krähe, die atmenden lachenden Schatten. Das andächtig zitternde, völlig verrückte Mädchen brennt für A forest. Again and again and again and again. Das Publikum, es schlägt den Herzschlag dieses Songs in die Nacht. Again and again and again and again and again ans again and again and again and again and again. Das Universum blüht im diesem Moment.
»Come closer and see
See into the trees
Find the girl
If you can
…
Just follow your eyes«
Robert Smith, er muss nichts tun, er muss nichts sagen, nur da sein, nur singen, nur für die Eine. Jetzt und hier ist alles perfekt. Das freakige Mädchen hat die Tage gezählt. Hier und Jetzt scheinen dreieinhalb Stunden wie ein Wimpernschlag. It’s never, it’s never enough.
The Cure Fans sind unersättlich.
Und immer wieder zittert die Halle unter tosenden Ovationen. Applaus. Zwei weitere Zugabenblöcke spinnen Lullabys Netzt inmitten von Songs wie Close to me, The perfect girl und Why can’t I be you auf. Licht und Schatten. Wenn es immer so wäre wie jetzt, wäre alles gut. Der Nebel in den Straßen Berlins verschluckt ihr Lachen. »See you again,« hat er gesagt. »Again and again and again and again and again and again«, singt sie und lacht.
»I can sing, I can dance, I can laugh
But without you, without you
It can never be the same
…
Never be the same«
THE CURE sind Unheilbar.
Gallerien:
Setlist:
- Shake Dog Shake [Video]
- Fascination Street
- A Night Like This
- The Walk
- The Baby Screems
- Sleep When I’m Dead
- Push
- In Between Days
- Friday I’m in Love
- Boys Don’t Cry
- Pictures of You
- High
- Lovesong
- Just Like Heaven
- From the Edge of the Deep Green Sea
- Want
- alt.end
- One Hundred Years
- Give Me ItEncore
- It Can Never Be The Same [unreleased]
- Sinking
- Burn
- A Forest [Video]
Encore II
- Dressing Up
- Lullaby
- Never Enogh
- Wrong Number
Encore III - The Perfect Girl
- Hot Hot Hot
- The Caterpillar
- Let’s Go to Bed
- Close to Me
- Why Can’t I Be You?
Links:
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