Review: The 69 Eyes – The Helsinki Vampires are back! (18.11.2016, Hannover)

Schon im April 2016 beehrten uns The 69 Eyes mit ihrer „Universal Monsters Tour“. Doch das Tourabschlusskonzert in Hamburg blieb vielen Fans leider negativ im Gedächtnis zurück: Die Anreise der Vorband The Fright scheiterte an einer Buspanne, The 69 Eyes entpuppten sich als müde Band und das Publikum spürte das ganze Konzert über, dass etwas im Argen war. Der Hangover vom Vortag war ihnen sofort anzusehen. Zwar bearbeitete Drummer Jussi69 brutal seine Drums und versuchte etwas Stimmung aufkommen zu lassen, der Funken sprang aber einfach nicht über.

Einige Monate danach wurde bekannt: Die Helsinkier Vampire kommen erneut nach Deutschland. Und mit Sicherheit kam bei einigen Konzertgästen aus Hamburg die Frage auf, ob man dieser Band vielleicht doch noch einmal eine Chance geben sollte.

Nim Vind. Noch am Einlass herrscht Ahnungslosigkeit darüber, ob- und welche Vorband The 69Eyes denn jetzt supporten würde. Doch direkt gegenüber vom Merchandise-Stand des Headliners hängen coole, etwas okkultistisch angehauchte T-Shirts mit dem Aufdruck „Nim Vind“. Aha, das scheint dann wohl die Vorband zu sein!

Nim Vind (Foto: Torsten Volkmer bs!)
Nim Vind (Foto: Torsten Volkmer bs!)

Klingt ja schon einmal nach etwas Unbekanntem. Unbekannt muss aber nicht schlecht bedeuteten. Düster genug wird’s für diesen Grufti-Abend sicher schon klingen.

Auf der Bühne sieht es neben dem abgedeckten Equipment des Hauptsacts ziemlich leer aus: Ein kleines Schlagzeug inmitten der Bühne und zwei Mikrofonständer sind jeweils rechts und links davon auf der Bühne drapiert. Auch vor der Bühne sieht es vorerst nicht anders aus.

Nim Vind (Foto: Torsten Volkmer bs!)
Nim Vind (Foto: Torsten Volkmer bs!)

Große Lücken klaffen im Publikum; von Platzmangel kann hier keiner reden. Ungewöhnlich für ein Konzert der bekannten Finnen The 69 Eyes, die schon seit den 90ern musikalisch umherziehen und sonst auch größere Konzerthallen bis auf den letzten Zentimeter mit Fans ausfüllen.

Während dem Gehirn noch plötzlich die Frage aufkommt: „Was soll „Nim Vind“ denn nun eigentlich bedeuten?“, schallt durch die Lautsprecher auch schon ein düster angehauchtes Intro. Das Konzert beginnt eine viertel Stunde eher als geplant, was ohne Frage Verwunderung bei den schon Anwesenden auslöst. Aber wieso sich als zahlende Kundschaft darüber beschweren, dass die Leistung früher erhalten wird?

Die Vorband Nim Vind betritt also die Bühne, und ein eindeutiges Erscheinungsbild ist nicht so recht auszumachen. Der Bassist könnte auch ohne lange Zottelmähne aus einer typischen Metalband stammen, der Drummer erinnert mit seinem Bandana um die Stirn vom Stil her eher an etwas aus der Richtung Sleazerock. Und der Sänger? Dieser tanzt durch das militaristisch aussehende Hemd mit Vogelfigur auf der Schulter, dem ganzen Klimbim um den Hals und den verschmierten Symbolen im Gesicht total aus der Reihe.

Nim Vind (Foto: Torsten Volkmer bs!)
Nim Vind (Foto: Torsten Volkmer bs!)

Als der Schlagzeuger dann auf seinem Hocker Platz nimmt, geht der Horror(-Punk) auch schon los. Ein Song gleicht dem anderen, der übliche „BUMM-TSCHAK“-Rhythmus der Drums lässt nicht viel Spielraum für kreative Musik übrig.

BUMM-TSCHAK

Als „Music for outsiders“ definiert die Band ihren eigenen Sound und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Das Publikum wird einfach nicht richtig warm mit ihnen, auch wenn der Bassist wie wild auf der Bühne herumhüpft und damit versucht, dem Punksound noch ausdrücklich einen wilderen und chaotischeren Touch zu verleihen. Stattdessen wird zum Zeitvertreib im Publikum lieber das Smartphone gezückt und gehofft, dass doch bitte irgendjemand bei WhatsApp etwas Unterhaltsames gepostet hat. Insgesamt ist die Band vom Tempo her einfach viel zu schnell und zu eintönig, um die Ohren der Anwesenden auf feinsten Goth’n’Roll vorzubereiten, der noch zu erwarten ist.

Goth’n’Roll

The 69Eyes. Während der Umbaupause steigt die Geräuschkulisse durch wildes Geplapper kontinuierlich an und das MusikZentrum wird hinsichtlich seiner Platzkapazität doch noch gut ausgenutzt. Wie auch schon im April wird zur Erregung der Aufmerksamkeit das mittlerweile 55 Jahre alte Stück „Exodus“ der französischen Sängerin Edith Piaf als Intro eingesetzt. Die kräftige Stimme der längst verstorbenen Französin lässt die lautgewordenen Konzertgäste stumm werden und gebannt auf die düstere Bühne schauen.

The 69 Eyes (Foto: Torsten Volkmer bs!)
The 69 Eyes (Foto: Torsten Volkmer bs!)

Schon während der Umbaupause munkelte es, Drummer Jussi69 hätte mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und habe sich bei den vorangegangenen Deutschlandterminen nicht blicken lassen. Hierzu gibt es leider den ganzen Abend über keine Kommunikation seitens der Band und auch über Social Media sucht man vergeblich nach irgendeiner Info dazu. Und tatsächlich: Nicht der 69Eyes-eigene Drummer betritt mit der Band die Bühne, sondern ein unbekannter Ersatz. Die Bühne bleibt einen Moment stockduster, ehe sie dann schwach mit weißem Scheinwerferlicht bestrahlt wird und das Gitarrenriff aus dem „Framed In Blood“ Intro erklingt.

“Things you can resist things cannot
they’re just framed in blood”

The 69 Eyes (Foto: Torsten Volkmer bs!)
The 69 Eyes (Foto: Torsten Volkmer bs!)

Direkt die ersten Sekunden des Auftritts rücken sämtliche Erinnerungen vom Abschlusskonzert in Hamburg in den Hintergrund. Die Band wirkt viel fitter und allgemein angespornter, lebendiger. Soweit man das von Vampiren behaupten darf.
Trotz der Dunkelheit trägt Sänger Jyrki69 eine Sonnenbrille und wirkt mit seiner Lederklamotte ziemlich cool auf der Bühne und scheut sich nicht zu tanzen und sogar keck mit dem Publikum zu spielen. Auch, wenn sich das Mädel in der ersten Reihe erschreckt, als er ihr das Mikrofon zu Tonight vor das Gesicht hält: Jyrki69 hat sichtlich Spaß mit dem Publikum zu interagieren und zu flirten. So singt er mehrfach in das dauerfilmende Smartphone eines Herren in der ersten Reihe oder legt in der Zugabe seinen Mikrofonständer einem anderen Front-Row-Mädel auf die Schulter, kommt ihr immer näher und singt ihr dabei den Songtext von „Dance D’Amour“ ins Ohr.

„Ce soir
Tu es à moi
Ma chérie“

Die Band harmoniert zwar miteinander, aber Drummer Jussi69, seine wilde Art die Drums zu spielen und alles mit Bier zu besudeln, fehlen. Der Ersatzdrummer macht zwar einen guten Job, ihm fehlt es aber doch etwas an Tempo und allgemein fällt er kaum auf. Übelnehmen kann man es ihm aber auch nicht, denn einen so markanten und fest in die Band integrierten Drummer, wie Jussi69 eben einer ist, kann eben nicht einfach so ersetzen.

Der Coolnesspegel bleibt stätig auf demselben Level

…und Jyrki69 erinnert mit seinen Hüftschwüngen, lässigen Drehungen um die eigene Achse und seinem Fingergeschnipse an eine Art „Elvis, des Goth’n’Roll“. Auch der Rest der mittlerweile älter gewordenen Band wirkt immer noch agil und Badass genug, um einem Goth-Rock Konzert dieser Größenordnung gerecht zu werden. Die Fans lassen sich gern mitreißen, einige sogar so sehr, dass sie sich rücksichtslos bis nach vorne in die erste Reihe kämpfen, nur um die Aufmerksamkeit der Bandmitglieder zu erhaschen. Jyrki69 interagiert immer wieder mit den überwiegened weiblichen Fans, beugt sich runter und schaut ihnen tief in die Augen. Spontane Duette mit unbekannten Künstler entstehen. Auch Achim wird immer wieder mit einbezogen und genießt die Show sichtlich.

The 69 Eyes (Foto: Torsten Volkmer bs!)
The 69 Eyes (Foto: Torsten Volkmer bs!)

Erst bei Jerusalem, einer der auserwählten fünf Songs vom neuen Album „Universal Monsters“, wagt sich der Frontvampir die Sonnenbrille abzunehmen und seine mit schwarzem Kajal verschmierten Augen dem brennenden Scheinwerferlicht auszusetzen. Nicht nur die Augen leiden unter den Scheinwerfern, sondern auch die Schweißdrüsen. Bei so viel Bewegung in dickem Bühnenoutfit darf auf der Bühne Schweiß en masse nicht fehlen. Und was wäre außerdem ein Konzertabend in Hannover, wenn nicht der altbekannte „Hangover-Witz“ zu Wort kommt?

„Hannover, I’m here for Hangover“

Zum Glück scheint der Hangover aber erst nach dem Konzert angesetzt zu sein, denn bis zum Rausschmeißer „Lost Boys“, der hier live schneller getaktet ist als auf der CD, hält die Band ihr Motivationslevel weit oben und die Fans freut es. Es hagelt Jubel und die Band verabschiedet sich von der feierwütigen Meute.

Nach diesem Konzert haben sie sich The 69 Eyes ihren Hangover in Hannover redlich verdient!

Text: Dragana Urukalo

Galerien:

The 69 Eyes (Foto: Torsten Volkmer bs!)
The 69 Eyes (Foto: Torsten Volkmer bs!)

Setlist:

  1. Framed In Blood
  2. Miss Pastis
  3. Betty Blue
  4. Jet Fighter Plane
  5. Gothic Girl
  6. Don’t Turn Your Back
  7. Sisters Of Charity
  8. Tonight
  9. Dolce Vita
  10. The Chair
  11. Shallow Graves
  12. Never Say Die
  13. Jerusalem
  14. Feel Berlin
  15. Brandon LeeEncore
  16. Wasting The Dawn
  17. Dance D’Amour
  18. Lost Boys,

 

Links:
www.69eyes.com
www.nimvind.com

be subjective!
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be subjective! music webzine est. 2001 Live-Berichte und Konzertfotos stehen bei uns im Fokus. Die richtigen Wort für neue Töne, musikalische Experimente, Stimmungen in Bildern gebannt, Mega Shows in neuen Farben. Der Atem in deinem Nacken, die Gänsehaut auf Deiner Haut, der Schweiß durchtanzter Nächte zum Miterleben und Nachbeben. Interviews mit Bands und MusikerInnen.  be subjective! aus der Musikszene für mehr Musikkultur. 

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