Wie scheiße muss es eigentlich für eine Band sein, nach 40 Jahren über die gleichen politischen Themen zu singen, ohne, dass sich so richtig was verändert hat – im Gegenteil: der Berg an Müll den wir über uns ergehen lassen wächst und wächst und wächst. Umweltprobleme, Gentrifikation, Kriege und Flucht und vor allem diese ewige, ewige eeeeeewige Nazischeiße. Man sollte es Slime gönnen, sich auch mal mit schönen Themen zu befassen, aber dafür fehlt einfach die Zeit und ihre Texte bleiben aktuell und relevant wie eh und je.
Das wissen auch die Bremer*innen und finden zum miteinander wütend sei im Kulturzentrum Schlachthof zusammen. Man muss aber keine 40 Jahre aktiv sein, um politisch motivierte Songs zu schreiben, auch zahlreiche aktuelle Künstler*innen nehmen sich das ak.tuelle Weltgeschehen zum Anlass, um ein paar schallende Antifa-Songs zu schmettern. Das Warm-Up in Bremen übernehmen die lokalen Nervous Assistant, zwar versteht man auf Grund des Sounds nicht wirklich, wovon die Herren da singen, aber sie sind wütend. Verständlich, die Stimmung in Bremen ist aufgeladen. Der rechte Terror aus Hanau liegt erst einige Tage zurück und auch Bremen musste in dieser Woche Einiges einstecken. So wurde das Kulturzentrum „Der Friese“ während und nach eines Konzerts Opfer zweier Brandanschläge und auch dort ist ein rechter Hintergrund der Täter nicht auszuschließen.
Musikalisch bieten Nervous Assistant nichts überragend Neues – schierer Hardcore Punk ohne Wenn und Aber. Das Publikum nimmt’s zum Anlass für die ersten trunkenen Schubsereien. Die Band zeigt sich dankbar.
Sie wollen wieder schießen dürfen
Sie wollen wieder Zäune ziehen
Seine Heimat muss man schützen
Sie laden schon ihr Magazin
Kurze Zeit später
übernehmen Slime. Der Schlachthof füllt sich noch einmal
merklich. Das Publikum ein wilder Mix aus Menschen, die schon vor 40 Jahren
alles Scheiße fanden und einer Menge junger Leute, die sich über das gleiche
System wie damals aufregen. Die einen beobachten aus der Sicherheit der Ränge,
die anderen reagieren sich im Moshpit ab. Die Band ist in bester Form, allem
Ernst zum Trotz findet sich in den Ansagen auch noch Platz für etwas, das
Bremen und Hamburg im Herzen verbindet: Fußball. Wenn Dirk dann mal zu seinen
Ansagen kommt. Bei jedem kritischen Wort des Sängers beginnt die Menge mit ihren
„Nazis raus“ schreien, prinzipiell super, aber im Schlachthof sind sich darüber
doch eh alle einig. Lasst den Guten doch mal zu Wort kommen!
Slime spielen an dem Abend überwiegend aktuelles Material, nicht mehr ganz so
wild, deutlich melodischer und klanglich nicht mehr ganz so weit entfernt von Die
Toten Hosen und Co. Die Leute
im Moshpit kratzt das nicht und die Leute auf den Rängen haben es leichter, die
Faust zu heben und mitzubrüllen. Bisschen mehr Folk bringt Gast Bill Collins, der gemeinsam mit Elf von Slime die Rabble Rousers bildet, mit – da wird
selbst auf den Rängen das Tanzbein geschwungen.
Deutschland muß sterben, damit wir leben können!
Kurz vor Ende gibt’s dann mit „Deutschland“ aus den frühen 80ern doch noch einen auf den Deckel. Musikalische Entwicklung hin oder her: Am Ende haben es Slime noch immer ziemlich drauf!
Galerien: Thea Drexhage bs! 2020
Setlist Slime:
- A.C.A.B.
- Hey Punk
- Legal, illegal, scheißegal
- We Don’t Need the Army
- Alptraum
- Alle gegen alle
- Die Toten wollen wieder alleine sein
- Artificial
- Untergang
- Sie wollen wieder schießen (dürfen)
- Kein Mensch Ist Illegal
- Gewalt
- Hier und jetzt
- Ebbe und Flut
- Ich kann die Elbe nicht mehr sehen
- Wem Gehört Die Angst
- Goldene Türme
- Schweineherbst
Encore: - Mensch
- D.I.S.C.O.
- Störtebecker
- Deutschland
- Religion
- Let’s Get United
Links:
Slime
Nervous Assistant