Was haben Beispielsweise Alice In Chains, Bush, Helmet, Jane‘s Addiction, Life Of Agony, Live, Rage Against The Machine, The Smashing Pumpkins, Soundgarden, Stone Temple Pilots und eben Skunk Anansie gemeinsam? Es sind alles Bands, welche den sogenannten Alternative Rock groß und erfolgreich gemacht haben. Es sind alles Bands, die sich Ende der 90er bzw. Anfang der 00ler Jahre aufgelöst haben. Alle Bands haben sich kurze Zeit später oder erst nach einigen Jahren wiedervereint – aus unterschiedlichen Gründen und manche mit etwas veränderter Besetzung. Diese Bands haben auch einen Frontmann mit charismatischer Persönlichkeit und herausstechender bzw. unverwechselbarer Stimme. Aber nur Skunk Anansie haben Skin.
Wenn man das U und das zweite K „Brexit“et und dafür das I wie International oder SängerIn einsetzt, kommt bei diesem Wortspiel eben Skin raus. Und „Yes It‘s Fucking Political“, denn beim Konzert in Berlin vor ein wenigen Tagen hat sich Deborah Anna Dyer, wie sie mit bürgerlichen Namen heißt, ziemlich kritisch über den Ausstieg von Großbritannien aus der EU im Zusammenhang mit neu gewählten neuen Premierminister geäußert. Skin geht auch ohne Skunk Anansie, dies belegen ihre beiden Solo-LPs von 2003 bzw. 2006. Doch Skunk Anansie funktionieren nur mit ihr!
SKIN MACHT DEN UNTERSCHIED AUS
Dies beweist ebenso das Cover des neuen Doppel-Live-Albums, welches Anfang des Jahres veröffentlicht wurde und auf dem unter den Band-Lettern nur die Sängerin in energiegeladener Performance-Pose abgebildet ist. Wenn es Netto nicht ganz 25 Jahre sind, soll der Titel „25Live@25“ natürlich auf das entsprechende Band-Jubiläum hinweisen, mit den Ursprung der Gründung im Jahr 1994. Und eine LP voll mit Live-Versionen auf dem Markt zu bringen, ohne selbst Konzerte zu spielen ist irgendwie nicht wirklich das Gelbe vom Ei. Deshalb sind Skunk Anansie auf gleichnamiger Tour unterwegs, mit einigen Stopps in Deutschland. So auch am heutigen Dienstag in Dresden. Eigentlich ist dieser Gig als Open-Air-Show geplant gewesen. An einem der wärmsten Tage bis jetzt im Jahr, hätte die Junge Garde durchaus sehr viel Sinn gemacht. Doch aus produktionstechnischen Gründen, wie nachzulesen war, wurde die Veranstaltung unter das Dach des Alten Schlachthofes verlegt – tolles Wetter ist eben nicht planbar. Ob diese Entscheidung vom Band-Management ausging oder eine des Veranstalters selbst war ist mir nicht bekannt.
Allusinlove
Es ist jedenfalls jetzt schon ziemlich warm und das nur vom Rummstehen. Angeheizt braucht hier drin wirklich niemand mehr. Von mir aus könnten wir gleich zum Mainevent übergehen, aber was sein muss, muss sein und so kommen gegen acht Uhr Allusinlove als Support auf die Bühne. Das Quartett aus Leeds ist mir völlig unbekannt, legt gleich ziemlich ernergisch einem Aufguß aus Hard-Rock und bluesigen Elementen in der Sauna auf. Visuell unverkennbar haben sie ihre Vorbilder bei den ganz großen Kapellen der 70er Jahre gefunden. Musikalisch alles ganz solide erhalten sie aus den ersten Reihen im Publikum entsprechend Applaus. Die Bedingungen machen es nicht gerade einfach für eine Vorband, die Halle ist bis jetzt auch nur zur Hälfte gefüllt und so richtig meins wird die Band heute Abend nicht. Keine Ahnung ob es am Mikro des Sängers liegt oder es die Stimme an sich ist, aber nach vier Songs brauchen nicht nur meine Ohren eine Pause an der frischen Luft.
ANANSIE BIG POTATO
Nach dem halbstündigen Gig von Allusinlove läuft während der Umbaupause eine feine 90s-Playlist vom Band und nach einer weiteren guten Halben blubbern die block-rockenden Big Beats von The Chemical Brothers aus den Boxen. Dies wäre der perfekte Übergang zum Konzertbeginn gewesen – leider dauert es noch zwei Lieder – bis die unverwechselbar, einleitenden Drum‘n Bass-Elemente von „Charlie Big Potato“ dem Publikum im mittlerweile sehr gut gefüllten Alten Schlachthof in Dresden definitiv signalisieren, daß das Konzert von Skunk Anansie jetzt los geht. Wenige Sekunden später stehen dann auch Ace (Gitarre), Mark Richardson (Schlagzeug), Cass (Bass), Live-Keyboard-Spielerin (Erika Footman ist auch für die Gesangsunterstützung zuständig) und natürlich Skin auf der Bühne und performen gleich richtig energiegeladen diese, ihre Hymne. Auch nach 20 Jahren ist das Teil immer noch ein geiler Monster-Track. Aber zum Träumen bleibt jetzt keine Zeit, denn in diesem Tempo geht es gleich weiter. Skin lässt auch gar nicht erst von den Absperrungen aufhalten und animiert die ZuschauerInnen in den vorderen Reihen dazu aktiv ins Geschehen einzugreifen. Sie möchte gern auf Händen durchs Publikum getragen werden und so geht es für Skin fast bis zu den Licht- Soundtechnikern und wieder zurück auf die Bühne – dabei die ganze Zeit singend…„Because Of You“. Anschließend begrüßt sie die Leute in der Halle für den Support am heutigen Abend, für den der letzten 25 Jahre, ohne die es Skunk Anansie sonst nicht mehr geben würde und deshalb gibt es eben die neue Platte „25Live@25“, mit der daraus resultierenden aktuellen Tour.
„[…] Because of you
The boys will always say
The bitch is back again
So none of you are save […]“
(Auszug aus „Because Of You“)
Paranoid & Anachytecture
Das Konzert ist eine Perlenkette von Highlights quer durch alle sechs Longplayer der Skunk Anansie-Diskographie. Die Spielfreude von Skin und der Band überträgt sich den ganzen Abend über auf das Publikum und von dort gleich zurück auf die Bühne und wieder ins Auditorium und so weiter…Dabei wird eine S.A.-Hymne nach der Anderen abgefeuert und abgefeiert, selbst die auf Platte etwas ruhiger daher kommenden Songs, sind in ein sehr rockiges Gewand gehüllt und natürlich darf der(!) Über-Hit „Hedonism“ in der Setlist nicht fehlen. Mit „This Means War“ gibt es zusätzlich einen Song zu hören – was heißt hier zu hören, begeistert zu erleben, der neue ist ein absoluter Bombtrack (um es mit den Worten von RATM zu beschreiben). „Yes It‘s Fucking Political“ ist der Vorletzte und Skunk Anansie beschließen den Hautteil ihres Sets, ballern noch „Tear The Place Up“ durch die Boxen in die Halle.
„You‘ll Follow Me Down“
So, daß dem absolut begeisterten Publikum, mit einem Durchschnittsalter von Ü30, dafür aber sehr ausgeglichen Anteil von Frau bzw. Mann, gar nichts anderes übrig bleibt, als sofort die Zugabe zu fordern, um noch mehr S.A.-Hits hören zu können. Dies wird von der Band umgehend bedient und mit „What Do You For Love“ kommt ein weiterer Neuer im Bonus-Tracks-Program vor. Außerdem gibt es ein Cover von AC/DC‘s „Highway To Hell“, bei der Skin nochmal einzeln die Bandmitglieder Ace, Mark, Cass und Erika zusammen mit ihren jeweiligen Instrumenten-Soli vorstellt. Einer geht noch, oder…„Have we time for one more?“…klar doch und was für einer – „Little Baby Swastikkka“, vom aller ersten Album „Paranoid & Sunburnt“. Schon ganze 25 Jahre alt, hat er aber nichts von seiner Klasse verloren und wird von Skunk Anansie in einer richtig geiler Version performt, in der Skin nochmal ein Bad in der Menge nimmt, bis ganz nach hinten in der Halle läuft und zusammen mit den Leuten den Song ins Mikro schmettert. Ganz zum Schluß gibt es noch die Einladung der Band ans Publikum, denn wer möchte kann sich in ein paar Minuten noch Autogrammwünsche & Co. am Merch-Stand geben lassen oder auch ein paar Worte persönlich mit Musikern wechseln.
Was für ein geiles Konzert, was für ein großartiges Erlebnis und was für eine krasse Performance von Skunk Anansie?! Sicherlich hat die Band schon immer von und mit der Energie von Skin gelebt, die quasi bei Konzerten unter Dauerstrom zu stehen scheint. Aber so gut wie heute habe ich die Londoner noch nie, weder beim letzten Konzert hier vor Ort, noch bei allen anderen Shows außerhalb von Dresden. Es ist jetzt schon eines meiner absoluten Konzerthighlights 2019 und auf dem Level können Skunk Anansie locker noch ein paar Jahre Bandgeschichte drauf packen.
Galerien (by Kristin Hofmann bs! 2019):
„[…] Yes it’s fucking political
Everything’s political
Yes it’s fucking satirical
Everything’s satirical
Yes it’s fucking political
Everything’s political […]“
(Auszug aus „Yes It‘s Fucking Political“)
Setlist:
- Charlie Big Potato
- Because Of You
- I Can Dream
- All In The Name Of Pity
- Brazen (Weep)
- My Ugly Boy
- Twisted (Everyday Hurts)
- Cheap Honesty
- Weak As I Am
- Love Someone Else
- I Believed In You
- God Loves Only You
- Can’t Get By
- Hedonism (Just Because You Feel Good)
- This Means War
- Intellectualise My Blackness
- Yes It’s Fucking Political
- Tear The Place Up
Encore: - Follow Me Down
- What You Do For Love
- Highway To Hell (AC/DC Cover)
- Skank Heads
- Little Baby Swastikkka
Weiterhören:
Skunk Anansie „Paranoid & Sunburnt“; „Stoosh“; „Post Orgasmic Chill“; „Wonderlustre“; „Black Traffic“ & „Anarchytecture“
Links:
https://www.skunkanansie.com/
https://www.allusinlove.com/
Veranstalter:
https://www.aust-konzerte.com