Review: Emotional, Emotionaler, Silbermond (04.02.2020, Erfurt)

Was tut man als Arbeitnehmer normalerweise an einem Dienstagabend? Entspannen auf der Couch? Auspowern im Fitnessstudio? Vielleicht. Aber halt, der 04.02.2020 ist kein „normaler“ Dienstagabend – zumindest nicht in Erfurt.

Nach fast vier Jahren und einem Kloß`chen Baby wollen Silbermond ihre thüringischen Fans in der Erfurter Messehalle beglücken. Mit im Gepäck, ihr aktuelles Album „Schritte“. Das Glück für die pünktlich anwesenden Fotografen hält sich jedoch vorerst in Grenzen, da unser Betreten der Halle vor Konzertbeginn nicht erwünscht ist. Erst nach dem Intro werden wir gemeinsam im Entenmarsch zum Bühnengraben geführt. Die Messehalle ist alles andere als überfüllt, aber der Stimmung tut das keinen Abbruch. Und auch den Musikern samt Frontfrau Stefanie Kloß trübt dies nicht die Stimmung. Immer wieder schön zu sehen, wenn Jemand Spaß an seinem Job hat.

Silbermond (Foto: Janina Lindner bs! 2020)

Nach getaner fotografischer Arbeit hieß es für die Fotografen‚ das Arbeitsgerät muss aus der Halle raus‘. Also Sprint zum Auto, Kamerarucksack in den Kofferraum, Sprint zurück. Sport damit erledigt – Fitnessstudio nicht nötig, hurra.

Die Stimmung unter den Anwesenden hat sich in der Zwischenzeit – sofern möglich – sogar noch gesteigert. Was dazu führt, dass Sängerin Stefanie ihre Tränen vor Rührung kaum zurückhalten kann. Und dies wird nicht das letzte Mal an diesem Abend sein. Zumal Silbermond nicht nur die Hauptbühne rocken, sondern auch einige sentimental-emotionale Songs im Gepäck haben. Für die leisen Töne, z. B. „B96“ begeben sich die Musiker vor an das Ende des Stegs oder auf eine zweitere kleinere Bühne. Hauptsache näher ran an die Fans.

Zwischen „Mein Osten“ und „Träum ja nur (Hippies)“ folgt thematisch passend ein kleiner politischer Monolog von Stefanie. Kurz zusammengefasst: der derzeit vorherrschende Hass zwischen den Menschen sollte dringend aufhören. Wir müssen alle wieder mehr miteinander reden und einander zuhören. Amen. Das Publikum sieht das lautstark genauso und Stefanie kämpft erneut mit den Tränen.


Und jeder Tag ’n Friday for Future
Jeder Mensch mit Verstand und Liebe geflutet
Und 2060 fragt mein Enkel mich
„Du Opa, sag mal, was ist eigentlich ein Rassist?
Und was ist eigentlich ein Homophober?
Und was ’ne Klimakatastrophe?“
Und ich so: „Kleiner, ich bin froh, dass du’s nicht weißt
Ist nämlich alles Scheiß der Vergangenheit

Zitat aus „Träum ja nur (Hippies)“
Silbermond (Foto: Janina Lindner bs! 2020)

Während der Ansprachen der Sängerin ist nicht zu überhören, dass sie noch leicht angeschlagen ist. Seit zwei Wochen kämpft sie schon gegen den hartnäckigen Husten, aber den Auftritt zieht sie trotzdem tapfer durch. Und das Publikum feiert sie dafür. Doch leider gibt es auch auf einem Silbermond-Konzert viele ZuschauerInnen, die sich das Konzert überwiegend auf dem Display ihres Mobiltelefons anschauen. Schade, aber an diesen Anblick wird man sich wohl gewöhnen müssen.

Zeit für einen Ausflug der Band auf die kleine Bühne. Vor dem folgenden Song „Für Amy“ klärt uns Stefanie über dessen Entstehungsgeschichte auf. Silbermond wissen wie sie den Nerv ihrer, zum Teil auch noch recht jungen, Fans treffen können.


Ganz ehrlich, ich will nicht nochmal vierzehn sein
Instagram-Wahn, Schönheits-Hype
Ich glaub‘ mit dem Druck wär‘ ich kaputt gegangen

Zitat aus „Für Amy“


Gehört man nicht mehr zu den ganz Jungen, kann bei diesem Lied kurz der Moment aufkommen, an dem man froh ist, sich in seiner Jugend nicht auf Instagram und Co. mit Millionen Fremden vergleichen zu müssen und um Likes zu kämpfen. Und während die ganze Halle den Refrain mitsingt, werden mehrere stimmungsvoll leuchtende Laternen von der Decke herabgelassen. Wie schön. Zur Abwechslung wird im Anschluss noch ein bisschen gerockt. Doch dann – endlich. Das heißersehnte „Symphonie“ wird von Blickfang Stefanie mit großen roten Flügeln auf einer völlig in rotes Licht getauchten Bühne präsentiert. Definitiv eins der Highlights des Abends. Im folgenden „Luftschloss“ wagt die Frontfrau noch ein kurzes Stagediving bevor sich Silbermond das erste Mal von der Bühne verabschieden.

Die Zugaben startet die Band mit „Bestes Leben“ auf der Zuschauertribüne. Der Song muss nun so lange gespielt werden, bis die Musiker es durchs Publikum zur Hauptbühne schaffen. Es wird definitiv der längste Song des Abends. Denn an ihrem Ziel angekommen, wird noch Fan Jessica aus Bautzen auserwählt, mit ihrem Idol den Refrain auf der Bühne gemeinsam zu singen. In diesem Moment geht wohl ein kleiner Traum in Erfüllung.

Silbermond (Foto: Janina Lindner bs! 2020)

Nun sind wir fast am musikalischen Ende des Abends angekommen. Aber nur fast. Mit dem vorletzten Song „In meiner Erinnerung“ wird es noch einmal maximal-emotional, denn auch hier erfahren wir die Geschichte dahinter. Stefanie gibt uns private Einblicke in ihre Gefühlswelt nach dem frühen Tod ihres Vaters, der den Erfolg der Band leider nicht mehr miterleben konnte. Während des Songs gibt es nicht nur auf der Bühne feuchte Augen. Doch traurig wollen wir jetzt nicht alle auseinander gehen. Daher verabschieden sich Silbermond lieber mit „Ein schöner Schluss“ von dem „tollen Publikum“ (Zitat Stefanie) in Erfurt.

Galerien (by Janina Lindner bs! 2020):

Selist:

  1. Was Freiheit ist
  2. Silbermond
  3. Die Mutigen
  4. Lass mal
  5. Zeit zu tanzen
  6. Indigo
  7. Schritte
  8. B 96
  9. Mein Osten
  10. Träum ja nur (Hippies)
  11. Meer sein
  12. Krieger des Lichts
  13. Für Amy
  14. Himmel auf
  15. Irgendwas bleibt
  16. Das Beste
  17. Leichtes Gepäck
  18. Durch die Nacht
  19. Symphonie
  20. Luftschloss
    Encore:
  21. Bestes Leben
  22. In meiner Erinnerung
  23. Ein schöner Schluss

Links:
www.silbermond.de

Janina Lindner
Janina Lindnerhttp://www.kleine-fotowelt.de/
Janina haben wir in der Mitte Deutschlands ausgesetzt, dort wohnt sie nun, wenn sie nicht gerade auf Festivals rumstreunt, bei einem Kater, der ihr gelegentlich Obdach gewährt. Sie hat als erste unser Bootcamp für Musiksüchtige mit “unbelehrbar” abgeschlossen und gilt als gemeingefährliches 80s Radar. Wir konnten die Frau nicht mal vom Singen im Auto abbringen, damit steht sie sich und ihrer Karriere als Taxifahrerin mit mindestens drei Halbtonschritten im Weg. Immerhin spricht sie fließend Ironisch und amüsiert sich auf Konzerten köstlich über die neidvollen Blicke Umstehender, wenn sie ihr "großes Rohr" auspackt. Janina liiiiebt ihr 70-200 mm und kann auch damit umgehen... Es kommt eben doch auf die Größe an.

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