Review: Santa Cruz – Ha(a)rdrock vom Feinsten (19.12.2017, Hamburg)

Text: Janine Schomburg.

Hinter der „Großen Freiheit 36“ und dem „Grünspan“ in Hamburg liegt der „Indra Club 64“ versteckt, wo 1960 die Beatles aufgetreten sind. Jetzt geben sich Santa Cruz die Ehre dort zu spielen, zusammen mit der UK-Band Skarlett Riot als Support.

Gegen 18 Uhr warten bereits die ersten Fans vor dem Eingang die sich einen Platz in der ersten Reihe ergattern wollen. Wer Anfang des Jahres 2016 bei dem Konzert von der „Reckless Cruz“-Tour dabei war hält das auch sicher für eine gute Idee, wenn man gesehen hatte wie voll das Rock Café an einem Ostersonntag für die beiden Bands wurde. Allerdings war es an diesem „mitten-in-der-Woche-Tag“ gar nicht nötig: Als sich gegen 19 Uhr die Türen öffnen, ist der Club noch relativ leer und jeder kann erst mal entspannt etwas zu trinken holen und sich einen Platz suchen. So herrscht am Anfang noch eine relativ lockere Atmosphäre, in der auch die Musiker beider Bands immer wieder durch den Backstage-Vorhang huschen und durch den Club laufen.

Skarlett Riot (Foto: Dragana Urukalo bs! 2017)

Als dann pünktlich gegen 20 Uhr der Schlagzeuger der Supportband Skarlett Riot auf die Bühne kommt und das Intro beginnt, hat sich der Club ein wenig mehr gefüllt und das Publikum wagt sich weiter nach vorne um besser sehen zu können. Zusammen mit Frontfrau Skarlett betreten die übrigen Musiker die Bühne und beginnen mit dem Song „Break“. Ein leichtes Mitwippen der ZuschauerInnen ist erkennbar und als dann beim zweiten Song „Empty Inside“ einige zum Takt mit klatschen, bedankt sich die Sängerin erfreut.

Die Band ist motiviert dabei und Skarlett sucht immer die Interaktion mit dem Publikum. Sei es das obligatorische „Hey“-Rufen von Sängerin und Crowd im Wechsel oder die Aufforderung, dass sie alle mitrocken sehen möchte. Bei der Frage

„Are you ready for Santa Cruz?“,

reagiert das Publikum zunächst schüchtern und die Frontfrau wiederholt die Frage. Erst als lautes Gejubel die Antwort ist, wirkt sie zufrieden.

Skarlett Riot (Foto: Dragana Urukalo bs! 2017)

Bei dem letzten Song „The Warrior“ animiert Skarlett zum Headbangen und die ZuschauerInnen, die langsam immer mehr werden, beginnen teils mitzuwippen und zu tanzen. Nach einer halben Stunde gehen die Musiker von der Bühne und bedanken sich für eine tolle erste Deutschlandshow. Zurück bleibt ein Publikum mit unterschiedlichen Reaktionen: Der eine Teil wirkt schon während dem Auftritt ziemlich desinteressiert, der andere Teil lässt sich auf die hierzulande unbekannte Band ein und verabschiedet sie mit Applaus.

Santa Cruz (Foto: Dragana Urukalo bs! 2017)

Bevor Santa Cruz die Bühne entern, ist zuerst der Umbau angesagt und in dieser Zeit wird der Club merklich voller. Das bunt gemischte Publikum möchte sich den Finnen-Charme nicht entgehen lassen und fangen an nach der Band zu rufen, bevor der Umbau überhaupt fertig ist. Als der Techniker dann gegen 21:06 Uhr endlich das Lichtsignal gibt und „Are you ready?“ von AC/DC aus den Lautsprechern erklingt, ist der Club rappelvoll.

Aus den Boxen hört man bereits Frontmann Archie’s und Gitarrist Johnny’s Gitarren, die das Intro immer mal wieder ansatzweise mitspielen. Dann endlich kommen die beiden durch den Vorhang, zusammen mit Schlagzeuger Tazzy und Bassist Middy.

Sofort geht es mit dem Opener des neuen Albums „Bad Blood Rising“ los: „Young Blood Rising“. Die Menge ist von Anfang an mit dabei und beginnt ihre Frisuren durch wildes umherwedeln zu zerstören. Auch die Jungs auf der Bühne schmeißen ihre Haare in Headbangermanier im Kreis. Bevor es mit dem Song „My Remedy“ weitergeht, erhebt Frontmann Archie das Wort und ruft:

„How the f*** we are doing tonight?“

Das Publikum jubelt und es geht weiter, danach mit „Let Them Burn“ und „6(66) Feet Under“. Nachdem Archie Cruz die Leute zum Mitsingen animiert und wieder mal dazu mit dem F-Wort um sich schmeißt, wird einem schnell bewusst, dass dies wohl sein momentanes Lieblingswort sein muss.

Santa Cruz (Foto: Dragana Urukalo bs! 2017)
Santa Cruz (Foto: Dragana Urukalo bs! 2017)

Während die Band den Song „Bad Habits Die Hard“ zum Besten gibt, fangen einige junge Männer im Publikum das Moshen an. Zum Song „River Phoenix“ mutiert das Anfangs seichte Gemoshe zu einem ausgewachsenen Circle-Pit, der die komplette Mitte des Publikums einnimmt. Die erste Reihe ist über das rege Treiben hinter sich nicht sehr begeistert. Viel lieber wollen sie die Musik und die Aufmerksamkeit der Musiker genießen, anstatt in Richtung Bühne geschubst zu werden. Von vorne müssen sie dann aber auch achtgeben, denn Archie lehnt sich mit seiner Gitarre extrem weit von der Bühne ins Publikum, sodass die erste Reihe aufpassen muss nicht seine Gitarre abzubekommen.

Santa Cruz (Foto: Dragana Urukalo bs! 2017)

Der Club wird immer wärmer und vor dem Solo zu „Let Me (Lay My Love On You) glitscht der verschwitzte Gitarrist Johnny an der Seite durch das Publikum und spielt das Solo direkt in der Mitte des Circle-Pit. Da beginnt ein Handy zücken wie vorher nie zuvor und jeder versucht ein einigermaßen gutes Bild oder Video davon aufzunehmen. Zu Johnny’s Glück geht es im Circle Pit derweil etwas ruhiger zu, sodass er nach seiner Einlage im Publikum wieder unbeschadet zurück auf die Bühne findet. Archie fordert im Anschluss die Crowd dazu auf „F***“ und „Scheiße“ zu rufen. Er hat es anscheinend mit dem Fluchen wie jeder Rockstar.

Im nächsten Song muss das Mikro von Archie gerichtet werden und der Aufforderung des Sängers, für den Bühnentechniker zu applaudieren kommen die ZuschauerInnen gerne nach. Was wäre eine Band auch ohne ihre Crew?

Als Bassist und Drummer die Bühne verlassen und Johnny ein Barstuhl und eine Akustikgitarre auf die Bühne gebracht werden, wird es Zeit für das einzige ruhige Lied des Abends: „Breathe“. Doch zuvor wird noch kurz ein Song von den Scorpions angespielt und beim Publikum nachgefragt, wie sie denn so zu ihnen stehen. Die Crowd jubelt laut. Bassist Middy hat es scheinbar bei der Hitze im Club nicht mehr in seinem Top ausgehalten, denn er kehrt nach der Akustik-Ballade oberkörperfrei auf die Bühne zurück. Sofort geht es genauso energiegeladen weiter wie vorher. Es folgt „Voice Of The New Generation“ mit einem riesigen Circle-Pit. Danach wieder die Aufforderung „F*** You“ und „Scheiße“ zu rufen von, na klar, Archie.

Santa Cruz (Foto: Dragana Urukalo bs! 2017)

Die Zugabe wurde einfach gleich hinten drangehängt und es kommen die ersten Töne von „We Are The Ones To Fall“. Sänger Archie hat sich letztes Jahr bei dem finnischen Grammy „Emma-Gaala“ ironischerweise während des Songs langgemacht. Diesmal jedoch bleibt er auf den Beinen, auch wenn der Song das Gegenteil behauptet. Mittendrin sieht man ein Mädel im Moshpit auf die Schultern von jemand anderen steigen. Mutig sind die Leute ja. Als nächste Zugabe folgt „Wasted & Wounded“, zuvor spielt Johnny aber „Highway To Hell“ von AC/DC an und die restliche Band steigt nach und nach ein. Das Publikum feiert diese Impro mit Applaus. Als letztes kommt wie immer der Song „Aiming High“, wo sowohl Musiker als auch ZuschauerInnen noch mal richtig die Haare durcheinander werfen. Inzwischen ist es so warm, dass beide Seiten schwitzen und sich ein leichter Nebel auf der Bühne legt, was bestimmt nicht nur an der Nebelmaschine liegt.

Take it back now
I’ll get it going

I will show how
We’ll be rolling
Everything here
Will be ours
Baby you’ll see
We are aiming high

Um 22:25 Uhr verlassen Santa Cruz tropfend die Bühne, doch die Menge löst sich nicht sofort auf. Dadurch, dass die Zugabe nicht wirklich als Zugabe erkennbar war, fordert sie ein paar Minuten lang noch mehr Songs. Archie kommt mit seinem Smartphone aus dem Backstage und nimmt das jubelnde Publikum von der Bühne und dann noch mal mitten im Publikum auf. Er wird sofort angesprochen, ob sie nicht noch einen Song spielen würden. Ebenso Middy, doch gerade als sie sich dazu entschließen den Rest der Band zu fragen, ist das Set schon teilweise abgebaut und sie geben es bedauerlich an die Crowd weiter. Auf Archies Rückweg in den Backstagebereich nimmt er einfach nacheinander drei Mädels in den Arm und verpasst ihnen einen Kuss auf die Wange, ob sie wollen oder nicht. Durch diese plötzliche Knutsch-Aktion des Fronters, waren diese Mädels zu perplex um darauf auf irgendeine Weise zu reagieren. Und da heißt es, dass Finnen generell sehr schüchtern seien. Das Vorurteil hat sich damit ja wohl erledigt.

Santa Cruz (Foto: Dragana Urukalo bs! 2017)

Nacheinander kommen die anderen Jungs von Santa Cruz ebenfalls raus und werden sofort von Fans umringt, die Fotos und Autogramme haben wollen. Und sie nehmen sich viel Zeit dafür. Die Band ist sogar nicht abgeneigt, noch einen kleinen Plausch zu halten nachdem die Fotos schon gemacht wurden. Johnny zeigt auf Nachfrage einer Gruppe sein Equipment und einer der Jungs darf sogar noch seine Gitarre ausprobieren. So klingt der Abend gemütlich aus und jeder kann zufrieden mit völlig wirrem Haar nach Hause gehen.

Galerien (by Dragana Urukalo bs! 2017):

Setlist Skarlett Riot:

  1. Break
  2. Empty Inside
  3. Voices
  4. Outcast
  5. Calling
  6. The Wounded
  7. Warrior

Seltlist Santa Cruz:

  1. Young Blood Rising
  2. My Remedy
  3. Let Them Burn
  4. 6(66) Feet Under
  5. Bad Habits Die Hard
  6. Drag Me Out Of The Darkness
  7. River Phoenix
  8. Relentless Renegades
  9. Let Me (Lay My Love On You)
  10. Breathe
  11. Voice Of The New Generation
  12. Back From The Dead
    Encore
  13. We Are The Ones To Fall
  14. Wasted & Wounded
  15. Aiming High

Links:
www.santacruzbandofficial.com
www.skarlettriot.bigcartel.com
www.indraclub64.de

Veranstalter:
Karsten Jahnke Konzertdirektion

be subjective!
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be subjective! music webzine est. 2001 Live-Berichte und Konzertfotos stehen bei uns im Fokus. Die richtigen Wort für neue Töne, musikalische Experimente, Stimmungen in Bildern gebannt, Mega Shows in neuen Farben. Der Atem in deinem Nacken, die Gänsehaut auf Deiner Haut, der Schweiß durchtanzter Nächte zum Miterleben und Nachbeben. Interviews mit Bands und MusikerInnen.  be subjective! aus der Musikszene für mehr Musikkultur. 

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