Review: (Traum-) Hochzeit – Samsas Traum live (05.02.2020, Hannover)

Uuups. Etwas zu früh am vereinbarten Venue angekommen. Die Mitstreiter sind noch nicht da. Na gut, auch kein Problem. Muss man sich die Zeit halt mit was anderem beschäftigen. Aber immer nur auf das Handy glotzen, ist auch nicht so erfrischend. Besser ist an diesem Abend sich die Leute anzuschauen, die zu diesem Konzert gehen. Leute beobachten ist immer gut.

Heute ist im Musikzentrum Hannover Gothic angesagt. Und dafür gibt es einen Dresscode oder zumindet Farbcode. Schwarz muss es sein, besser noch schwarzes Spitzenkleid, High-Heel-Stiefel, schwarzer langer Mantel, hell geschminktes Gesicht. Dann ist mensch ganz vorn dabei. Aber sowas von. Ein Musterexemplar kommt: Männlich, langer Mantel, schwarze Haare, Seitenscheitel. Sieht aus wie ein Pfarrer. Wird hier eine Messe gehalten? Dann wohl eher eine schwarze. Uuhhh.

Irgendwann ist das Schaulaufen vor dem Eingang auch vorbei, die Kollegen sind da und es geht rein. Rein ins Vergnügen? Plätze einnehmen und Überblick verschaffen. Ohh, was steht denn da direkt mittig vor der Bühne? Junger Mann mit Zylinder, daneben möglicherweise sein Vater. Und neben dem Zylinderträger das optische Highlight des Abends: junge Frau, schwarzes Spitzenkleid, schwarzer Schleier, fantasievoll, komplett gechminktes Gesicht. Diese junge Frau könnte in jedem Tim-Burton-Film mitspielen. Sie sieht aus wie eine Braut. Moment mal. Braut, Bräutigam, Trauzeuge und Pfarrer? Das kann nur eins bedeuten:

(Traum-)Hochzeit bei

SAMSAS Traum

This Eternal Decay (Foto: Torsten Volkmer bs! 2020)

Zu einer Hochzeit gehört natürlich ein standesgemäßer Polterabend. Warum nicht Italienisch? This Eternal Decay aus Rom präsentieren eine Mischung aus Dark Wave, Industrial und Synth Pop. Zur Band gehören Riccardo Sabetti, Pasquale Vico und Andrea Freda An diesem Abend stehen allerdings nur zwei Kerle auf der Bühne, aber die machen eine Dampf für Dreißig.

Stampfende Beats, allerdings vom Laptop, dazu Gesang, Live-Schlagzeug, wahlweise Gitarre oder Synthi. Schon kommt Bewegung in die schwarze Masse. Ein traumhafter Einstieg in den Abend.

This Eternal Decay (Foto: Torsten Volkmer bs! 2020)

Vor ihm haben alle gewarnt. Wirklich alle. Lebende Zeitzeugen aus den Anfangsjahren dieses deutschen Musikprojekts berichten davon, dass der Mastermind sich Personen rauspickt, diese dann erstmal sauber durchbeleidigt, um dann ein Star-Gehabe an den Tag zu legen, das Richtung oberkandidelt geht. Eine launische, tendenziell missgelaunte Diva. 150 Fans an diesem Abend im Musikzentrum werden dann ob dieser Erwartungen enttäuscht oder aber angenehm überrascht. Je nach Sichtweise.

Samsas Traum (Foto: Torsten Volkmer bs! 2020)

Alexander Kaschte ist SamsasTraum und ist an diesem Abend ein Entertainer. So wie es sein soll. Gut gelaunt, witzig, in ständigem Kontakt mit dem Publikum. Ein Traum. Samsas Traum. Los gehts mit dem „Prolog im Himmel“. Und dann wird es dark und darker. Im März 2019 meldeten sich Samsas Traum mit „Das vergessene Album“ zurück und reagierten damit auf die zahlreichen Wünsche ihrer Fans, die Songs des aktuellen Erfolgs-Albums in ihrer ursprünglichen Form zu veröffentlichen. „Das vergessene Album“ enthält alle „Scheiden tut weh“-Songs in neuer Abmischung ohne das nachträglich hinzugefügte Orchester und gewährt somit einen kompromisslosen und unverfälschten Blick auf das Ausgangsmaterial.

Samsas Traum (Foto: Torsten Volkmer bs! 2020)
Samsas Traum (Foto: Torsten Volkmer bs! 2020)

Zu „Opus Suspiriorum“ tritt eine attraktive, leicht bekleidete Dame auf, die sich nach und nach entblättert. Als sie fast nichts mehr anhat, trinkt sie einen Kelch mit (Kunst-)Blut, der ihr über den Körper fliesst. Sehr effektvoll. Die Musik ist Dark Metal. Geradeaus rockig mit einer überragenden Light-Show. Das Komplettpaket-Paket nennt sich dann Dark Cabaret. Kaschte weiss mit den Fans umzugehen: „Mir gefällt dein T-Shirt. Von wem ist das?“ Antwort: „five finger death punch. War gestern beim Konzert dort“. „Und wie wars?“ „Mega“. Und so weiter und so weiter. Später singt dieser Fan noch ein Lied zu Ende. Bei „Ich wünsch‘ mir, dass das Zebra schweigt“ darf nicht nur einer singen, das ganze Lied wird vom Publikum intoniert. Was macht eigentlich das Brautpaar.? Alle beide hängen an Kaschtes Lippen. Braut und Bräutigam sind verzückt.

Der Seele nah, dem Körper fern
Auf einem abgeleg’nen Stern
Betrachten wir den Feuerball
Und schleudern Tränen in das All

Samsas Traum (Foto: Torsten Volkmer bs! 2020)

Die Texte gehen im weitesten um Liebe, Tod und Teufel. Alex Kaschte kann nicht nur Musik, er kann auch Buch und Comic. Im Vorraum ist ein grosser Stand mit allerhand Merch-Kram. Aber das ist nur zweitrangig. Zumindest für den Moment. Erstmal gibts was auf die Ohren von Kaschte und seinen vier Mitstreitern. Die Songs sind bunt gemischt. Ein Best of the dark. „Phantasai, lieb Phantasai“ halt. Der Name der Band leitet sich von Franz Kafkas Protagonisten Gregor Samsa aus seiner Erzählung „Die Verwandlung“ ab, die wie folgt beginnt: „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.“ Dieses Zitat findet Verwendung im Lied „Elite“, welches das Debütalbum „Die Liebe Gottes“ eröffnet. Soviel dazu.

Der Abend ist kafkaesk geprägt. „Alles oder alles“, „Stromausfall im Herzspital“ sind witzig, „Oh Clara, meine Clara“ dramatisch und „Ein Foetus wie Du – Komm‘ auf mein Begräbnis, Baby!“ ist, na ja sagen wir mal, was Besonderes. Zum Höhepunkt noch „Es war einmal“ und dann kommt die „Kugel im Gesicht“. Peng. Das hier heute keine Hochzeitszeronomie stattgefunden hat, lag nicht an der Braut, die sich nicht traut. Es lag am Geistlichen. Wo war der Kerl nur den ganzen Abend? Letztendlich egal. Vereint waren sie alle. Vereint in Samsas Traum.

Galerien (by Torsten Volkmer bs! 2020):

Samsas Traum (Foto: Torsten Volkmer bs! 2020)

Setlist:

  1. Der Prolog im Himmel – Widmung von mir höchstpersönlich an meine Zuhörer
  2. Tragische Trauertränen – Der Kampf der Himmelswesen
  3. Satanshimmel voller Geigen – Die Erscheinung des Luzifer
  4. Opus Suspiriorum
  5. Thanathan und Athanasia
  6. Phantasai, lieb‘ Phantasai!
  7. Alles oder alles
  8. Stromausfall im Herzspital
  9. Kalk
  10. Oh Clara, meine Clara
  11. Ein Name im Kristall
  12. K.haos-Prinz und Wind-Prinzessin
  13. Mohn auf weißen Laken
  14. Ich wünsch‘ mir, dass das Zebra schweigt
  15. Monster
  16. Die Zärtlichkeit der Verdammten – Willkommen bei den Peingebrecks
  17. Ein Foetus wie Du – Komm‘ auf mein Begräbnis, Baby!
    Encore:
  18. Es war einmal
  19. Kugel im Gesicht (9mm)

Links:
https://de-de.facebook.com/thiseternaldecay
www.samsas-traum.info

Michael Lange
Michael Langehttps://www.be-subjective.de
Michael Lange. MichaL ist der Methusalix in unserem Team. Ein Original, ein Sympath, ein Genießer von A wie Abba bis Z wie Zabba und im realen Leben ein Stepptänzer. »Jawohl, das mit dem KlackerdiKlack.« MichaL hat schon Rock’n’Roll gehört, da waren die Little Boy Blue and the Blue Boys noch grün hinter den Ohren. Man munkelt er konnte schon einparken, da gab es noch nicht mal Rückspiegel, geschweige denn Einparkhilfen. Dennoch ist die MichaL noch lange kein Oldy oder darauf fokussiert. The big L war plötzlich da. Zeitlos. Unerwartet und doch völlig freiwillig tauchte er in unserem Universum auf und bereichert es. KlackerdiKlack.

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