Wer erinnert sich nicht gern an den Sommer während der Expo 2000. Wenn die Pavillons und Hallen sich langsam leerten und die Leute in den Feierabend-Party-Modus übergegangen sind. Viele haben da an ihrem Caipi-Konto gearbeitet, Pärchen haben sich kennengelernt und sind heute verheiratet oder aber es wurden Nächte durchgetanzt, um dann danach zum Frühdienst zu gehen. Ja, so war das vor 20 Jahren. Und unverzichtbar an diesen Abenden war natürlich auch Live-Musik. Unter anderem war eine Band aus Australien am Start: „Thunder from Down Under“. Unvergessen. Was hat das alles mit den Bands an diesem Abend im Capitol zu tun? Nun ja, die einen kommen aus Australien und die anderen haben „Thunder“ im Band-Namen stehen. Noch Fragen? Keine?
Zeit für Rock´n´Roll
Die Ladies von Thundermother eröffnen diesen Abend mit richtig Frauen-Power. Die schwedische Hard-Rock-Band aus Växjo hatte 2017 einen mächtigen Einschnitt zu verkraften. Besetzungswechsel – vier Ladies verließen die Band. Ein „Rock ’n’ Roll Disaster“. Aber gut aufgestellt sind die Schwedinnen immer noch. Gitarristin Filippa Nässil ist und bleibt die Macherin der Band. Sie gibt des Öfteren mal die Schweden-Schnute mit Stones-Zunge. Sie ist Antreiberin, Frontfrau und als einzige Blondine annäherungsweise typisch schwedisch. Aber was zählt ist das Ergebnis.
Der Hard-Rock der Donnermütter geht nach vorn. Kurzhaarig ist hier keine (sonst wäre das Headbangen auch nicht so eindrucksvoll). In Wacken sind sie auch nach der Neuformierung Stammgäste. Nicht nur dort, auch im Capitol führen sie ihre Fans in den „Rock´n´Roll Heaven“. Sie kämpfen um ihre Musik („We Fight for Rock ‚N‘ Roll“) und das Beste: im Sommer sind sie schon wieder in Hannover. Dann sogar auf Headliner-Tour.
Across the river lived Fast Eddy
He was known to be treacherous, very mean
Even Eddy’s sweet young sister out on the streets
Just a girl, barely fifteen
Die Headliner-Band des Abends haben alle, irgendwo auf der Kleidung oder dem Gitarrengurt, das Kürzel „TFFT“ stehen. Was mag das wohl heißen? Es könnte „Tactical Fire Fighting Truck“ bedeuten. Aber bei dieser Band, obwohl die Jungs Feuer und Flamme sind, dann doch eher nicht. Vielleicht „The Flying Fish Theatre“? Einer bei der Band macht ordentlich Theater. Aber hier geht’s doch eher um harten Rock. Also bleibt nur eines. „Tatts Forever, Forever Tatts“. Rose Tattoo aus Australien sind in Hannover. Thunder from Down Under. Warum Gary Stephen Anderson den Spitznamen „Angry“ hat, erschließt sich an diesem Abend nicht. Der Frontmann kommt in seinem weißen Overall bodenständig und sympathisch rüber. Das „Angry“ stammt noch aus seiner Jugendzeit, die nicht schön war. Da kann man schon mal aggressiv werden. Zum Glück hat er in seiner Band ein Ventil gefunden, um mal Dampf abzulassen. Doch auch hier gab es Rückschläge, weil Bandmitglieder nach und nach verstorben sind. Aber Gary hat sich nicht unterkriegen lassen. Mit gestandenen Kerlen wie Dai Prichard an der Gitarre und Ex-ACDC-Mitglied Mark Evans am Bass hat er Top-Leute in der Band. Keine Schönlinge, denn «Nice Boys Don‘t Play Rock’n’Roll», eher «Rock’n’Roll Outlaw»(s).
Im ersten Lied des Abends ( «Scarred For Life») wird gleich geklärt wann er sein erstes Tattoo bekam: «I got my first tattoo when I was 16» («Mein erstes Tattoo hatte ich mit 16»). Na und was war das wohl für ein Tattoo? Überraschung: Auf seiner rechten Schulter eine rote Rose mit dem Namen seiner damaligen Freundin und auf der linken Schulter eine schwarze Rose mit einem Grabstein-Kreuz in Erinnerung an einen guten Freund, der früh gestorben ist.
Auf den Alben von Rose Tattto wird „Angry“ Anderson nie unter Vocals geführt, sondern unter Throat. Die Kehle. Anderson hat einen ganz persönlichen Gesangsstil. Er presst die Töne raus. Rauh, ehrlich, Rock´n´Roll. Aber wieso Rock´n´Roll ? Bei Anderson ist das eher Rotz´n´Roll, so oft spuckt der 72-jährige auf die Bühne. Vielleicht spuckt er ja auch den Kork aus seiner Weinflasche aus? Nein hier korkt nix, hier wird extremgerockt und der Wein dient zum Ölen der Stimme. Bei sehr expressiven Stücken wie „The Butcher and Fast Eddy“ kommt noch ein kleiner Schluck aus der Wodka-Pulle dazu, und ab geht’s. Das Publikum ist begeistert von den „kleinen“ ACDC. Anderson ist mit sich im Reinen, den erschüttert nichts. Schnelle Nummern wie „Sidewalk Sally“ wechseln mit eher groovig-bluesigen Stücken wie „Bad Boy For Love“. Früher hat sich Anderson seinen Glatzkopf immer noch mit dem Mikro blutig geschlagen, oder Selbiges in den Mund gesteckt. Jetzt ist er ruhiger geworden. Nein nicht wirklich. Anderson lebt, liebt, leidet Rock´n´Roll. Ein ständiger Unruheherd im positiven Sinne.
Mit „Nice Boys“ biegen die Tatts auf die Zielgrade des Abends ein um dann in „Astra Vally“ den würdigen Abschluss zu zelebrieren. Geiler Abend. Und jetzt noch schnell die Stimme ölen.
Galerien (by Michael Lange bs! 2020):
Setlist Thundermother:
- Give Me Some Lights
- Thunderous
- Revival
- Whatever
- Deal with the Devil
- Hellevator
- Driving in Style
- Rock N‘ Roll Heaven
- Shoot to Kill
- We Fight for Rock ‚N‘ Roll
Setlist Rose Tattoo:
- Scarred for Life
- Juice on the Loose
- One of the Boys
- It’s Gonna Work Itself Out
- Creeper
- Sidewalk Sally
- Rock ’n‘ Roll Outlaw
- The Butcher and Fast Eddy
- Once in a Lifetime
- Rock ’n‘ Roll Is King
- Sweet Meat
- Sweet Love
- Snow Queen
- We Can’t Be Beaten
- Bad Boy for Love
- Nice Boys (Don’t Play Rock ‚N‘ Roll)
Encore: - Astra Wally