Review: Nach allen Regeln der Kunst – Rogers, Marathonmann, Engst Live (04.04.2019, Hannover)

Wenn man als deutsche Punk-Band, zumal noch aus Düsseldorf stammend, auf Headliner-Tour geht, will man natürlich nichts falsch machen. Zu groß ist der Schatten der Hosen, die zwar relativ alt sind, aber noch lange nicht tot. Also hat man Druck, abliefern zu müssen. Was kann mensch also als relativ unbekannte (aber trotzdem schon seit 2006 bestehende) Band machen, um Eindruck zu hinterlassen?

Nun ja, erste Maßnahme sollte sein, so eine Tour nicht allein zu machen. Man suche sich also eine oder vielleicht mehrere befreundete Bands, die den Support machen.  Diese Bands können dann mit 6 bis 7 Liedern das Publikum schon mal vorheizen, so dass man dann als Haupt-Act den Saal zum Kochen bringen kann. Auch eine neu rausgebrachte Scheibe sollte nicht fehlen. Neues Material ist immer gut, zeugt es doch von Schaffenskraft, Kreativität und Vitalität. Letzter Punkt auf der Liste ist ein gut funktionierendes Merchandising. So erhöht man seinen Bekanntheitsgrad.    

An diesem Abend im sehr gut gefüllten Musikzentrum sind auch die Sachen von ENGST am Merch-Stand zu haben.

Engst (Foto: Michael Lange bs! 2019)

Es könnte eigentlich keinen besseren Opener als diese Truppe aus Berlin geben. Die Jungs um Namensgeber Matthias Engst sind absolut authentisch. Fast wäre der Sänger in die Tretmühle des Popmusik-Show-Geschäfts geraten, hat er doch bei einer Pro7-Musikshow („Die Band“ mit Samu Haber) gewonnen. Aber Matse Engst hat Rückgrat bewiesen und das Ding einfach mal schwupps! abgelehnt.Viel lieber konzentriert er sich auf sein eigenes Ding. Musikalisch ist ENGST nicht einzuordnen.

„Wir passen in keine Schublade, wir sind der ganze Schrank!“

Das ist Punk-Pop-Rock mit deutschen Texten, die autobiographisch vom Leben in einem Problembezirk Berlins handeln. Hier geht’s nicht um Schicki-Micki sondern um soziale Mißstände in der Gesellschaft, um Faschismus und Fremdenfeindlichkeit, aber auch um alltägliche Dinge wie Freundschaft und Liebe. ENGST treibt die Leute an: „Das ist hier keine Schlagerveranstaltung, sondern immer noch ein Punk-Konzert. Also taaaanzt“. Jawohl Matse. Aufstellung zum Moshpit. Ab geht’s.  Und alle „Eskalieren“.

Marathonmann (Foto: Michael Lange bs! 2019)

ENGST haben die Stimmungslatte schon ganz schön hochgefahren. Da wird es für die zweite Band nicht so einfach das Level, zumindest, zu halten. Marathonmann aus München sind weder schlechter noch besser, sondern einfach nur anders. Die Post-Hardcore-Band aus dem Süden Deutschlands probiert einfach Neues aus, entwickelt sich weiter. Kein Stillstand, neue Erfahrungen, neue andere, vielleicht für den Musikstil untypische Instrumente wie Klavier und Synthie. Ihr viertes Album „Die Angst sitzt neben dir“ handelt wie überraschend von Ängsten. Aber an diesem Abend kämpfen sie eher mit „Holzschwert“, sind „Schachmatt“ oder freuen sich einfach das die Stadt den Besten gehört. Und das Beste ist, sie kommen Ende Oktober wieder ins Musikzentrum. Als Headliner.

Warum ist denn nichts mehr wie früher?

Früher war alles okay

Doch irgendwie haben wir das Beste von damals

Wie einen Schlüssel verlegt

Warum bist du nicht mehr wie früher?

Rogers (Foto: Michael Lange bs! 2019)

Headliner des heutigen Abends sind die Rogers aus Düsseldorf. Jetzt kommt endlich Punk der rotzigen Art, gepaart mit Pogo, Moshpit, Tralala, Bierdusche und Stage Diving, vor und zurück und queer und überhaupt. Von Null auf Hundert in Drei-Minuten-Nummern. Ein Blick nach rechts oben verrät, warum die Jungs aus D-Dorf alles richtig gemacht haben. Dort am Balkon hängen die Merch-Sachen der Band wie an einer Anzeigentafel. Mützen, Bags und natürlich T-Shirts. Was steht auf denen drauf? „Mittelfinger für immer“. Geil. Oder „Geh mir nicht mehr auf die Eier“. Braucht der Fan. Oder „Einen Scheiss muss ich“.  Noch besser, das ist schön rotzig trotzig wie ihr Punk.

Rogers (Foto: Michael Lange bs! 2019)

Der ständige Blick auf die Auslage ist so unterschwellig, so geschickt gemacht, dass der geneigte Fan schon während des Konzerts weiß: Muss ich haben. Nach dem Konzert ist vor dem Kauf. Doch bevor es soweit ist, hauen Sänger Chri Hoffmeier und seine Jungs einen sozialkritischen Hammer nach dem anderen raus und es wird abgegangen. Textlich dreht es sich bei Ihnen um aktuelle Themen (Hambacher Forst, Flüchtlingskrise, Rechtsruck). Kein Stillstand.  Auch nicht beim Cover der „Kreuzberger Nächte“. Die Polonäse hierzu, (heisst die dann Punkonäse?) fühlt sich aber eher inszeniert an. Aber von wem? FanClub?  Oder gehört es einfach seit eh und je schon zur Show? Letztendlich egal. Die Menge tobt und kriegt alles. Wie „Früher“.  Wie die Fans es brauchen. Das im Zugabenteil dann auf einmal Rogers-Fahnen geschwenkt werden? Auch egal. Die Fans sind bierselig, schweissnass und glücklich. Was will Punk-Fan mehr? Ach ja, schnell zum Merch-Stand.

Galerien (by Michael Lange bs! 2019):

Setlist Engst:

  1. Fremdes Land
  2. Morgen Geht Die Welt Unter
  3. Optimisten
  4. Moment
  5. König
  6. Eskalieren
  7. Ich Steh Wieder Auf

Setlist Marathonmann:

  1. Intro
  2. Neumondnacht
  3. Blick in die Zukunft
  4. Rücklauf
  5. Wir sind immer noch hier
  6. Holzschwert
  7. Schachmatt
  8. Die Stadt gehört den Besten
  9. Wo ein Versprechen noch was wert ist

Setlist Rogers:

  1. Mittelfinger für immer
  2. Einen Scheiß muss ich
  3. Zu spät
  4. Mensch
  5. Alles für nichts
  6. Schon okay
  7. Wo gehör ich hin
  8. Ganz nach Oben
  9. Geh mir nicht mehr auf die Eier
  10. Kreuzberger Nächte
  11. Wo immer du gerade bist
  12. Die Nachbarn von oben
  13. Vergiss nie
  14. Für dich
  15. Wohin
  16. Stiller Wunsch
  17. Früher Encore:
  18. Nie euer Land
  19. Allein
  20. Einen letzten Abend

Links:
www.rogers.de
www.facebook.com/Engstmusik
www.marathonmannmuc.tumblr.com                      

Michael Lange
Michael Langehttps://www.be-subjective.de
Michael Lange. MichaL ist der Methusalix in unserem Team. Ein Original, ein Sympath, ein Genießer von A wie Abba bis Z wie Zabba und im realen Leben ein Stepptänzer. »Jawohl, das mit dem KlackerdiKlack.« MichaL hat schon Rock’n’Roll gehört, da waren die Little Boy Blue and the Blue Boys noch grün hinter den Ohren. Man munkelt er konnte schon einparken, da gab es noch nicht mal Rückspiegel, geschweige denn Einparkhilfen. Dennoch ist die MichaL noch lange kein Oldy oder darauf fokussiert. The big L war plötzlich da. Zeitlos. Unerwartet und doch völlig freiwillig tauchte er in unserem Universum auf und bereichert es. KlackerdiKlack.

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