Manchmal fügen sich die Dinge nicht so wie man sie anfangs geplant hat. Änderungen werden nötig und man muss sich nach neuen Möglichkeiten umschauen, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Noch dazu,wenn man ein Gipfeltreffen zweier außergewöhnlicher Stimmen ausheckt, die unterschiedlicher kaum sein könnten. So sollte die magische Zusammenkunft von Qntal und Persephone bereits Mitte Februar im Hannoveraner Musikzentrum stattfinden.
Aus organisatorischen Gründen entschied man sich jedoch dazu den Termin vom regulären Qntal-Tourblock abzukoppeln und, atmosphärisch stimmig, auf den Ostersonntag zu vertagen. Nachdem sich zur Feier der Eier auch noch die Hannoveraner Lokalmatadoren Cella' Door mit einer Prise Folkrock ankündigten, standen die Aussichten auf einen feisten Konzertabend denkbar gut.
Mit eben jenen Cella'Door setzte sich der Abend gegen kurz vor 21 Uhr langsam in Bewegung. Mit Betonung auf „Langsam“! So mochten sich bis dato rund 100 Schaulustige ins Musikzentrum verirrt haben. Der Rest verdingte sich entweder vor der Tür oder übte sich in späterem Erscheinen. Und wäre es nach den ersten 20 Minuten gegangen, hätte man durchaus zur der Entscheidung gratulieren mögen. Seit ihrem mehr als soliden Gastspiel im Vorprogramm der Letzten Instanz vor zwei Jahren hatte ich die Jungs und Mädels von Cella'Door ein wenig aus den Augen verloren und war daher ziemlich bestürzt über die Verfassung, in der sich die einst hoffnungsfrohen Folk-Rock Newcomer heute präsentierten.
Das Zusammenspiel zwischen Streicherparts und der Gesangsabteilung harmonierte anfangs überhaupt nicht. Das Schlagzeug trommelte zahnlos vor sich hin und die Gitarre versank irgendwo Nirgendwo. Kurzum, es passte höchstens das Geringste zusammen und die Resonanz im Saal hielt sich trotz des Heimvorteils zunächst betont in Grenzen. Erst ab Konzertmitte hatten sich die Sieben allmählich auf einander eingeschossen und liefen zur gewohnten Form auf. Warum nicht gleich so, mochte man fragen? Zumal das Konzept von Cella' Door durchaus für frische Akzente im angestaubten Folk-Genre setzen kann. Mit Sopran und Bauchtanzelementen haben Cella'Door definitiv eine Marktlücke für sich entdeckt, die es zu nutzen gilt.
Inzwischen haben die Cella' Door mit „Endland“ auch mal wieder eine neue EP auf die Beine gestellt, aus der sich ein nicht unerheblicher Teil des heutigen Repertoires rekrutierte:. „Nach der Schlacht“, „Blick Zurück“, „Verlangen“ und „Letzter Gruß“, um mal Ross und Reiter zu nennen. Dazu gesellten sich mit „Flussvaters Ruf“, „1000 Jahre“ oder „Schneewittchen“ noch einige Werke aus früheren Schaffensperioden.
So gerne ich positiver über den Start in den Abend berichten würde, mehr als ein blasses „naja“ fällt mir zu Cella'Door dieses mal leider nicht ein. Trotz vieler guter Ansätze tritt die Band auf der Stelle und die raren Live-Aktivitäten haben definitiv ihre Spuren hinterlassen. Zum Glück wurde es am Ende hin besser, sodass das Publikum letztlich mit einem versöhnlichen Gefühl zurück blieb. Dennoch ein gut gemeinter Rat: sucht Euch mehr Gigs, dann klappts auch mit den Konzerten! In Euch steckt mehr als ihr heute abgeliefert habt!
Über mangelnde Bühnenpraxis kann sich Sonja Kraushofer alias „Persephone“ sicherlich nicht beklagen. Jeweils zwei komplette Touren mit L'Âme Immortelle und Persephone machten das Jahr 2008 zu einer der umtriebigsten Spielzeiten der wandlungsfähigen Österreicherin. Den künstlerischen Spagat zwischen Rockclubs, Schloßkapellen und Theaterbühne beherrscht sie wie kaum eine andere Sängerin im deutschsprachigen Raum aus dem Eff Eff. Dass ihr „kleines“ Kammerspiel „Persephone“ dabei nicht selten in ganz großes Kino ausartet, scheint sich inzwischen auch in Hannover herumgesprochen zu haben. Wo zuletzt gerade mal 40 Insider in lockerer Bestuhlung das „Labor“ beehrten, warteten nun gut und gerne 150 Stehplatzindianer auf den Beginn der Inszenierung.
Ein bisschen gespannt war ich ja schon, ob es Sonja und ihren Jungs gelingen würde, das fehlende Ambiente einer historischen Schlosskapelle oder einer anderen Persephone-typischen Umgebung zu kompensieren. Noch dazu, wo an diesem Abend der übliche Vollakustik-Sound einer dezent eingesetzten Mikrofonie weichen musste. Diese Sorge erwies sich jedoch schnell als unbegründet und geriet rasch zu einer Demonstration, dass eine stimmige Kulisse auch gerne mal überbewertet ist, wenn der Künstler / die Künstlerin gnadenlos abliefert.
Dabei begann der Auftritt, zumindest für Kenner von Persephone Konzerten, unfreiwillig komisch. Von wegen „lautlos zieht Burnhams Wald gen Dunsinane“! Wo die Cellisten Martin Höfert, Holger Wilhelmi und (Kontra)-Bassist Johannes nebst Percussionist für gewöhnlich lautlos und in Zeitlupen die Bühne beschleichen, stürmten sie heute im Eiltempo zu den Waffen. Kurz darauf huschte auch Sonja heran und blies mit „Reflection“ zum Frontalangriff auf das erstarrte Publikum.
Der Schlachtplan deckte sich dabei zum größten Teil mit dem Programm der vergangenen Herbsttour, wenngleich auf knappe 60 Minuten komprimiert! Die Auswahl der gängigsten Songs machte es dem Publikum etwas leichter als gewohnt, sich dem nicht immer ganz einfachen Klangkosmos Persephones zu öffnen. Gesetzt den Fall man ließ sich darauf ein, war das Ergebnis eine der kurzweiligsten Stunden, die das Musikzentrum jemals erlebte. Geködert von dem betont dezenten Klangteppich im Hintergrund, hing das Publikum gebannt an Sonjas Lippen, die ihrerseits keine Gefangenen nahm.
Egal ob die Leute sich erstaunt, berückt, erschrocken oder belustigt über die exaltierten Interpretationen zeigten. Highlights wie der Kostümwechsel mitten im Song, das herrlich überdrehte „Wishful“ – bei dem auch Cellist Martin es sich nicht verkneifen konnte mit einer spontanen Gesichtslähmung in den Gaga-Reigen einzustimmen – oder die heftige „Black Widow“-Sterbeszene, hier wurde was geboten fürs Geld. Von den stimmlichen Qualitäten ganz zu schweigen.
Verständlicherweise ließ Hannover das Quintett hernach nicht einfach ziehen. Zwar hatten Stücke wie „Last Song“, „Home“, „The Man Who Swallowed My Soul“ oder das abschließende „Merciless“ über die Distanz bereits gut vorgelegt, doch EINER ging dann eben doch noch.
Nach Madonna durfte dieses Mal der gute Ronnie James Dio mit „Don´t Talk To Strangers“ ran und fügte sich bestens in das angenehm schnörkellose Set. Ganz zu schweigen von dem neuerlichen Beweis, dass auch klassische Streicher echt coole Säue sein können, wenn sie die richtigen Stücke kennen! 😉
Nachdem Sonja und ihre Mannen unter herzlichem Applaus die Bühne verlassen hatten, lag es nun an QNTAL als Headliner die auferlegte Messlatte zu überspringen. Zumindest was die die Zahl ihrer Anhänger betraf, gelang ihnen das auch, denn als das Licht im Saal abermals erlosch und dichter Nebel die Bühne verhüllte, hatte sich die Zahl der Anwesenden locker in Richtung 200er Marke (und darüber hinaus) verabschiedet.
Leider konnte sich die atmosphärische Dichte des Konzertes nicht ganz mit der des Publikum im Saal messen. Oder zumindest entwickelte sich die Stimmung in eine äußerst merkwürdige Richtung, der ich nicht folgen konnte. Bislang hatte ich QNTAL ausschließlich auf dem M´era Luna erleben dürfen, wo sie sich, auch in Anbetracht der Massen immer sehr achtbar aus der Affäre gezogen hatten. Dagegen wirkte der heutige Auftritt – passend zu Ostern – (gewollt?!) wie eine Trauerveranstaltung. Michael Popp, dessen Einsatz am Theremin den Reigen eröffnete, zog durchweg ein Gesicht, als hätte man ihm Pils statt Münchner Weiße verabreicht, Phillip Groth verschwand mit stoischer Mine hinter seiner Tastenburg, Markus Köstner versteckte sich hinter dem Schlagzeug-Gestänge und Syrah, die sich als letzte aus dem Nebel schälte, entwickelte zeitweilig das Temperament einer Wanderdüne.
Nun mag dies zu einem gewissen Grad der mystisch untermalten Bedacht Qntals dienlich sein. Für meinen Geschmack überreizte das Quartett dieses Blatt jedoch und hinterließ nach dem lebendigen Auftritt Persephones einen vergleichsweise drögen Eindruck. Wenig Dynamik vereint mit unterkühlter Distanz zum Publikum erinnerten eher an eine Klostermesse, denn ein Live-Konzert.
Damit kein falscher Eindruck entsteht. Ohne Frage ist Syrah eine großartige Sängerin, selbstverständlich beziehen Qntals Stücke ihre Faszination aus der magischen Fusion von Mittelalter und Moderne. Natürlich macht das exotische Instrumentarium mächtig etwas her. Selbst die betont abgestimmte Lightshow hatte ihre Qualitäten. Und doch gehört mehr zu einem gelungenen Konzert, als einsam vor sich hin zu brödeln. Das habe ich – auch von Qntal – schon besser erlebt, weshalb mich ihr Auftritt heute mit fortschreitender Dauer zunehmend kalt ließ. Die übrige Jury im Saal nahm sich an den Protagonisten ein Beispiel und erwiderte die Darbietung mit aufmerksamen Herumstehen und leichtem Wiegen zum Takt. Nach einer dreiviertel Stunde zog ich letztlich die Reißleine, da das wohlig warme Gefühl, mit dem Qntal auf ihren Alben zu begeistern wissen, mangels innerem Feuer bei mir schlichtweg nicht ankam.
Stattdessen wurde ich etwa 20 Minuten später vor dem Eingang Zeuge eines seltenen und gleichwohl geisterhaften Schauspiels: Mit einem mal öffnete sich die Tür des Musikzentrums und 90% des Publikums strömten wie in Trance aus der Halle. Ohne vor dem Eingang noch einmal inne zu halten oder sich im kleinen Grüppchen zusammen zu finden trottete der Tross in Richtung Straße. Kommentarlos – ex und hopp! Sehr sehr merkwürdig…
Erste Gedanken in der Runde mit Cella' Door führten in Richtung eines Konzertabbruchs , wurden jedoch schnell wieder verworfen. Wahrscheinlicher war, dass QNTAL ihren Vortrag tatsächlich vollendet hatten und sich die Leute auf direktem Weg zur Aftershowparty im Dark Star befanden. Mit dem urigen Gefühl etwas Schräges erlebt zu haben machte ich mich den Heimweg.
Fazit des Abends: Cella'Door haben Nachholbedarf an der Live-Front. Persephone funktionieren auch mit Strom und Qntal hätten vorher lieber nochmal in die Steckdose gefasst. Kurz gesagt. Eine Veranstaltung mit Höhen und Tiefen, die längst nicht hielt was sie versprach, aber trotzdem ihre Momente hatte.
Konzertfotos: