Review: Papa Roach, Filter, In This Moment (22.04.2009, Hamburg)

Foto: Torsten Volkmer

Foto: Torsten Volkmer

Hamburg hat das Konzertefieber gepackt!

Die Symptome: ausverkaufte Shows und Schlangenbildung vor dem Einlass. Dies widerfuhr auch dem Docks, als sich Papa Roach mit ihrer Metamorphosis Tour ankündigten. Im Vorprogramm hatten die Amerikaner gleich zwei hochwertige Bands mitgenommen. Das Powerpack bestand aus In This Moment und den alt eingesessenen Rockern von Filter. Bereits 30 Minuten vor Einlass wartete eine große Traube Fans vor den ausverkauften Türen.

 

Foto: Torsten Volkmer

Foto: Torsten Volkmer

Schnell füllte sich der Saal bis unter den Balkon, als um 20 Uhr der Einlass begann. Ein kleiner Banner im Hintergrund kündigte die erste Band des Abends – In This Moment – an. Der Soundcheck ging so unvermittelt in die Show über, dass es einige Augenblicke dauerte um zu realisieren, dass bereits Drummer Jeff an seinem Instrument saß. Als jedoch Blake seine Position auf der rechten Seite bezog und Jesse sowie Chris folgten, wurde die Konzentration gen Bühne gelenkt. Powerfrau Maria erschien wie üblich in einem extravaganten Bühnenoutfit. Das kurze Gelbe mit einem Hauch von Dirndl-Optik war angesagt, das viel Bein zeigte und mit Sicherheit einige Männerherzen höher schlagen ließ. Die Blondine begrüßte die Zuschauer „How are you feeling tonight Hamburg?“. Und noch während dieses lautstark die Antwort zujubelte, flogen Chris’ Dreadlocks als die Band mit „Prayers“ startete. Maria schwenkte keck ihren gelben, bauschigen Mini und stets flog der tätowierte rechte Arm in die Höhe. „Hamburg let me see your hands in the air. Let us have a good time tonight!“ – das Publikum war auf alle Fälle auf eine gute Zeit aus. Hamburg war höchst motiviert und klatschte rhythmisch zu „All For You“ mit. Die Begeisterung des Publikums kam auch bei der Band an und zur nächsten Klatschaufforderung strahlte Marias und auch Jesse ließ kurz von den Saiten ab, um selbst mitzuklatschen.

Foto: Torsten Volkmer

Foto: Torsten Volkmer

Der Dampf, der zu „Violet Skies“ aus der Nebelmaschine quoll nahm im Bühnenlicht eine blaue Farbe an und schaffte eine schöne Kulisse für Fotos. Für diese posierte Maria mal winkend, mal mit erhobenem Daumen und immer die Nähe zum Publikum haltend. Ein Orkan schwoll an, als Maria darum bat für die folgende Band Filter zu applaudieren. Und der Orkan wurde noch getoppt als Maria fortfuhr „Let me hear the reason why you are here – make some noise for Papa Roach“. Unter dem bebenden Applaus erklangen die ersten Töne der neuen Single „Forever“. Zum Höhepunkt des Songs beugte sich Maria zu ihrem Screameinsatz so weit zurück, dass ihr Rock kaum mithalten konnte. Nach „Mechanical Love“ und „The Rabbit Hole“ kam die erste Band zum Ende ihres Sets. „This is our last song. We are In This Moment. It’s about believing in yourself when nobody else does. It’s about individuality.“ Nach Marias Ankündigung legte die Band mit ihrer Hitsingle „Beautiful Tragedy“ los. Als die Musik verstummte schritt die zierliche Person zum Bühnenrand und rief dem Publikum entgegen „One last time! All together: let me  hear you make some noise!“ und die Zuschauer ließen das Docks erneut erbeben. Welch gebührliche Verabschiedung und gleichzeitig Begrüßung für Filter.
 
Als um 21:15 Uhr das Intro begann und nach einigen Augenblicken Steve Gillis Platz nahm, jubelte das in Rage geratene Publikum. Frank Cavanaugh bezog im Dampf der Nebelmaschine rechterseits der Bühne Stellung und Geno Lenardo folgte von links mit seiner Gitarre. Dann schoß auch schon Richard Patrick auf die Bühne. Wie immer fehlte auch dieses mal nicht die Pilotenbrille auf seiner Nase. Unter lautem Jubel starteten Filter gleich in „Welcome To The Fold“ hinein während Richards Cowboyboots meist ganz lässig auf der Monitorbox thronten. Richtig Rockstar-like spielte Richard sogleich den Springbrunnen und spuckte eine Fontäne Wasser in die Luft. Während des Zwischenparts wandte er sich an seine Fans „What’s up Hamburg? Make some noise! We are the rockband Filter – enjoy the show!“ bevor er noch einmal richtig für das Finale loslegte und am Ende mit dem Publikum gemeinsam applaudierte. Was für ein Feuerwerk zum Start! Die Band schien unser Land vermisst zu haben, denn laut eigener Aussage seien ganze 8 Jahre seit der letzten Show in Deutschland vergangen… und lässt man die letztjährige Festivalsaison außer Acht, kommt das tatsächlich hin.

Foto: Torsten Volkmer

Foto: Torsten Volkmer

Elektronische Klänge kündigten den aus dem Spawn Film bekannten Song „Trip Like I Do“ an, bei dem sich Richards Sonnenbrille verflüchtigte während Steves Kopf fast den Boden berührte beim Bodybanging. Die lange Deutschlandabstinenz schlugen sich im actionreichen Programm von Filter nieder. Gute 45 Minuten vom Feinsten, wobei Richard zu „Take My Picture“ selbst zur Gitarre griff, das Publikum motivierte und seine unverkennbare Stimme erklingen ließ. Natürlich fehlte auch „Hey Man Nice Shot“ nicht, während Richard die Fäuste des Publikums forderte, die sogleich in die Höhe schossen. Doch nicht nur die Fans, auch Steve spornte er bei dem Gitarrensolo mit dem neckischen Ausruf „Take it bitch!“ weiter an. Somit kamen Filter zum Ende ihrer Show und Richard warf wortwörtlich das Handtuch… doch glücklicherweise nicht im Musikbusiness, sondern in weißer Tuchform ins Publikum.
 
Bis dahin schien es als habe die Stimmung den Höhepunkt erreicht, doch die Rechnung war ohne Papa Roach gemacht. Die leergeräumte Bühne erlaubte lediglich ein rotes Bandbanner im Hintergrund. Nach 15 Minuten wurde das Licht im Saal gedimmt und „Papa Roach“ Rufe wurden laut. Zur Enttäuschung der Fans handelte es sich um eine Finte – der Soundcheck ging weiter, die Vorfreude blieb ungetrübt.

Um 22:35 Uhr war es dann endgültig soweit – zum Intro von „Days Of War“ klatschte das Publikum laut mit und bewies dass sie noch lange nicht am Ende ihrer Kräfte waren. Endlich schritt Toni Palermo klatschend am Bühnenrand vorbei zu seinem Hocker. Tobin Esperance schnappte sich als nächster seinen Bass, dicht gefolgt von Jerry Horton, der links Position bezog. Die Mitte blieb für Jacoby Shaddix reserviert, der sein Publikum mit „Are you fucking ready?“ begrüßte, als das Intro in „Change Or Die“ überging. Der vom Publikum gesungene Refrain übertönte fast Jacobys Vocals. Dieser sprintete vom Bühnenrand zum Drumpodest und zurück Richtung Publikum (ein Glück war genügend Platz auf der Bühne geschaffen worden), wo ihn etliche in Luft gereckte Teufelshörner empfingen. Nahtlos folgte „Broken Home“ und Papa Roach zeigten sich in Bestform, womit sie die Masse zum Ausflippen brachten. Der Saal und Jacoby sangen um die Wette und das gen Publikum gereckte Mikro trieb die Fans weiter an.

Das angedeutete „Hey Ho Let’s Go“ der Ramones verwandelte sich danach in „To Be Loved“ – Papa Roach verausgabten sich bei alten Hits wie „Getting Away With Murder“ sowie neuen bei einer überragenden Klangqualität. Plötzlich war Jacoby verschwunden. Schnell hatte er sich von der Bühne begeben, um sich einen Weg mitten durch seine Fans zur rechten Bar zu bahnen und auf dem Tresen stehend „Lifeline“ zu singen. Die Zuschauer zeigten sich vollkommen ausgelassen, die Becher flogen und verpassten Duschen. Zu fast jedem Song hatten Papa Roach eine neue kleine Überraschung bereit, sei es der Tresen-Balancier-Act, eine riesige Taschenlampe, die ins Publikum leuchtete oder einfach nur der schweißtreibende Körpereinsatz der Bandmitglieder. Sehr unterhaltsam war auch die Ankündigung zu „Hollywood Whore“, in dem Jacoby über „Shitney Spears“ und Konsorten ablästerte. Die Textzeile „The party is over“ traf auf das Docks jedoch noch eine ganze Weile nicht zu. Auch als Papa Roach nach gut 70 Minuten Programm und „Between Angels & Insects“ die Bühne verließen war klar, dass die aufgewühlte Meute sie nicht so schnell davon kommen lassen würden.
 
Die Rufe nach Zugabe und „Last Resort“ wechselten sich mit „Papa Roach“ Rufen ab. Nach kurzen 2 Minuten kamen Papa Roach um 23:42 Uhr zurück zu ihren Fans. Jacoby grinste ins Mikro „You haven’t had enough of us have you? And we don’t have enough of you!“. Doch er ließ das Publikum noch zappeln. Statt „Last Resort“ gab es erst „Scars“ und es folgte ein neuer Hit mit „I Almost Told You That I Loved You“. Und dann war die Zeit gekommen für den Song, nach dem es alle zehrte. Jacoby führte die Faust zum Herzen als das lang erwartete „Last Resort“ startete und die Menge zum letzten Mal für diesen Abend aufdrehte. Es grenzte schier an ein Wunder, dass sich die Band nach dieser energiegeladenen Show noch auf den Beinen halten konnte. „Last Resort“ verlangte allen Anwesenden die letzten Reserven ab.

Nachdem der letzte Song gegen 23:53 Uhr verklungen war bedankte sich Jacoby neben seinen Bandkollegen, die nun alle am Bühnenrand standen, mittels erhobenen Teufelshörnern bei seinen Fans. Diese riefen rhythmisch „Papa Roach“ entgegen als sich sich die Band Arm in Arm verbeugte, umdrehte und mit den Fans im Rücken ein Foto von ihrem Fotografen aufnehmen ließen. Somit blieb ein sehr eindrücklicher Abend nicht nur im Fotoalbum der Fans festgehalten.

Konzertfotos:

Links:

 

Torsten Volkmer
Torsten Volkmerhttp://www.torsten-volkmer.de
Volkmr, der Gründer des ehemaligen Goth-Zine.de, verdingt sich „selbst und ständig“ als Linsenputzer bei volkmr fotografie ihm seine Knipsklitsche, hat sich als Chefredakteur 2.0 selbst recycelt, die Metalfriese abgeschüttelt und kämpft mit be subjective! erfolgreich gegen hausgemachte Langeweile, Schubladendenken und seine Profilneurose an. Manchmal darf er auch die RedakteurInnen rumfahren oder Wassereis abstauben.

Weitere Artikel

Ähnliche Beiträge

Preview: Romance is a Band – Fontaines D.C. [2024]

Es ist kaum zu glauben, was Fontaines D.C. in...

Review: Reeperbahn Festival 2024 (18.09.-21.09.2024, Hamburg)

Tag 1 – Mittwoch Der Startschuss für das Reeperbahn Festival...

Preview: Alle guten Dinge sind Doom – Draconian mit Nailed To Obscurity und Fragment Soul [2024]

Schwedens Gothic-Doom-Meister Draconian werden in einem Atemzug mit anderen...

Preview: Das Reeperbahn Festival geht in die 19. Runde (18.-21.09.2024, Hamburg)

Vom 18. bis 21. September 2024 ist es wieder...