Review: Ohne Worte – Maybeshewill (11.03.2022, Köln)

Manchmal ist eine Show mehr als nur eine Show. Nach den Strapazen der letzten beiden Jahre und dem anhaltenden Krieg in der Ukraine, der seinen Schatten über die ganze Welt wirft, ist so eine Show eine Zuflucht. Ein Ort zum Durchatmen. Ein Ort der kollektiven Ekstase, fernab von Alltag, Pandemie und Nachrichten über Putins Angriffskrieg. Und was für eine Band Maybeshewill ist, um genau so eine Show zu erleben. Die Band aus Leicester (UK) spielt das erste Mal seit ihrer Trennung 2016 wieder in Deutschland und das erste Mal überhaupt, seit die Pandemie begonnen hat. Das Konzert in Köln stellt den Start ihrer aktuellen Europatournee dar. Nicht nur das Publikum ist an diesem Abend heiß darauf, endlich wieder Livemusik zu erfahren, auch die Band zeigt sich überaus glücklich und dankbar auf der Bühne.

Maybeshewill (Foto: Thea Drexhage bs! 2022)

Der Abend findet unter einer 2G+ Regelung statt, auch geboosterte müssen an diesem Abend einen negativen Testnachweis vorzeigen. Sicherer kann man eine Veranstaltung aktuell kaum gestalten. Während im kölschen Gebäude 9 an diesem Abend keine Maskenpflicht herrscht, entscheidet sich das Publikum trotzdem kollektiv, die Masken aufzulassen. Angesichts der erneut steigenden Coronazahlen absolut richtig.
Pünktlich um 21:00 Uhr betreten Maybeshewill ohne Vorband und ohne große Gesten die Bühne, stöpseln ihre Gitarren ein und legen, ohne zu fackeln los mit „We’ve Arrived at the Burning Building“, dem Opener des neuen Albums

„No Feeling Is Final“.

Maybeshewill (Foto: Thea Drexhage bs! 2022)

Feinster, vertrackter Postrock, der ohne Gesang und Worte so viel Gefühl transportieren kann, wie es nur wenige Bands vermögen. Der harte und gleichzeitig emotionale Sound der Band fügt sich perfekt in den industriellen Charme des Gebäude 9 ein. Das Publikum ist sofort in den Bann der fünf Briten gezogen, die sich nach ihrer Trennung 2016 im Jahr 2018 wiedervereint und zu neuer Stärke gefunden haben. Die Stücke des neuen Albums werden wohlwollend aufgenommen, doch gerade bei Klassikern wie „Red Paper Lanterns“ oder „…In Another Life When We Both Were Cats“ von der Debüt EP „Japanes Spy Transcript“ ist der Jubel besonders laut. Auch außerhalb ihrer Songs sind Maybeshewill nicht unbedingt Menschen großer Worte. Nur gelegentlich wendet sich Gitarrist John Helps an die Gäste, um Freude und Dankbarkeit für den herzlichen Empfang auszudrücken, denn die letzte Show in Köln liegt mittlerweile über sechs Jahre zurück. Viele der Menschen im Saal waren dabei. Bei wunderbarem Sound gibt die Band trotz kleiner Fehlerchen alles und beendet mit „Not For Want Of Trying“ ihr geplantes Set. Der ohrenbetäubende Jubel holt Maybeshewill für zwei weitere Stücke zurück in den Saal. Natürlich kann der Abend nicht ohne „He Films The Clouds Pt.2“ stattfinden. Es ist DER SONG mit ein wenig Text, den das Publikum voller Inbrunst mitsingt, um die Musiker für diesen Abend zu verabschieden.

Now We’re Apart
Though Not Through Choice
Do We Stay Mute
Or Raise Our Voice?

Emotional. Laut. Ablenkend. Balsam. Was will man mehr?

Die aktuelle Situation lässt auch die Musiker nicht kalt. Für die kommenden Termine haben sie daher Gästelistenplätze für Geflüchtete bereitgestellt, um auch ihnen einen kleinen Trost bieten zu können. Mehr dazu auf den erfahrt ihr auf den sozialen Kanälen der Band. Außerdem bietet die Band ihr aktuelles Album zur Vorbestellung auf Kassette an. Sämtliche Erlöse kommen Hilfsorganisationen in der Ukraine zugute.

Galerien (by Thea Drexhage bs! 2022)

Maybeshewill (Foto: Thea Drexhage bs! 2022)

Tracklist:
1. We’ve Arrived At The Burning Building
2. Zarah
3. Co-Conspirators
4. Red Paper Lanterns
5. In Another Live When We Both Were Cats
6. Complicity
7. Accolades
8. Invincible Summer
9. In Amber
10. Critical Distance
11. In The Blind
12. Refuturing
13. To The Skies
14. Not For Want Of Trying
Encore:
15. Seraphim & Cherubim
16. He Films The Clouds Pt.2

Links:
Maybeshewill
Gebäude 9

Thea Drexhage
Thea Drexhagehttps://www.be-subjective.de
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.

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