Review: Hanoi Rocks (12.04.2009, Helsinki)

Hanoi Rocks' letztes Abschiedskonzert: We Finished On A High Note!

Foto: Iris Kessin

Foto: Iris Kessin

Die Geschichte von Hanoi Rocks ist lang, und von vielen Höhen und Tiefen durchzogen. Gegründet wurde die Band 1979 von Michael Monroe (Matti Fagerholm), Gitarrist Nasty Suicide (Jan Stenfors) und Stefan Piesnack, Bassist Nedo und Schlagzeuger Peki Sirola.

Ein Jahr später wurde die zuletzt genannten drei Gründungsmitglieder durch Gitarrist Andy McCoy (Antti Hulkko), Bassist Sam Yaffa (Sami Takamäki) und Schlagzeuger Gyp Casino (Jesper Sporre) ersetzt. Ein weiteres Jahr später zog die Band nach Stockholm und 1982 nach London, wo Schlagzeuger Gyp gegen Razzle (Nicholas Dingley) ausgetauscht wurde.

 
Hanoi Rocks haben nie weltweiten Kultstatus erreicht, können jedoch auf eine große internationale Fanbase stolz sein, die ihnen über Jahrzehnte hinweg treugeblieben ist. Dabei hat es die Band aber auch immer geschafft, neue jüngere Fans für sich zu begeistern. Berühmte, "große" Bands wie Mötley Cure, Guns 'n' Roses oder Manic Street Preachers nennen Hanoi Rocks als einen ihrer wichtigsten Einflüsse. Rockgrößen wie Slash, Steven Tyler und Little Steven zählen zu Michael Monroe's engen Freunden und schätzen nicht nur dessen Talent, sondern auch die unglaubliche Energie, die der Frontman bei jeder Liveshow auf der Bühne versprüht.

Foto: Iris Kessin

Foto: Iris Kessin

Das Potential der Band beeindruckte 1981 in Stockholm auch Seppo Vesterinen (HIM, The Rasmus), der die Band kurzerhand unter seine Fittiche nahm und vor allem in England als auch in Fernost populär machte. Vor allem in Japan löste die Band eine Fanhysterie nach der anderen aus. Bei Konzert- und Promotouren folgten Hunderte von Fans der Band vom Tag der Ankunft bis zur Abreise auf Schritt und Tritt. In keinem anderen Land schafften Hanoi Rocks jemals einen so bedeutenden Durchbruch, und so stand Japan für die Band bei jeder Tour und allen Releases immer an allererster Stelle.

1984 landeten Hanoi Rocks einen Major Plattenvertrag bei CBS und eroberten nach Japan auch die USA. Während ihrer ersten nordamerikanischen Headlining Tour verunglückten jedoch Mötley Crue Sänger Vince Neil und Razzle in Neil's neuem Sportauto. Während Neil unverletzt davonkam, erlag Razzle noch am selben Abend seinen Verletzungen. Der Rest der US-Shows und auch die für 1985 angekündigte Europatour wurden – bis auf zwei Konzerte in Helsinki zum Gedenken an Razzle – komplett abgesagt. Razzle's Verlust stürzte die verbleibenden Mitglieder von Hanoi Rocks emotional in ein tiefes Loch, und wenig später verkündete Sam Yaffa seinen Austritt aus der Band.

Nach einigen wenig erfolgreichen Versuchen, Hanoi Rocks mit neuen Ersatzmusikern für Razzle und Sam während einer zehntägigen Tour durch Polen wieder aufleben zu lassen, beschloss Sänger Michael Monroe im Juni 1985, die Band zu verlassen und besiegelte damit das offizielle Ende von Hanoi Rocks.

Zwanzig Jahre sollten vergehen, in denen die Bandmitglieder zwar eigene Wege gingen, ihre Musik jedoch weiterlebte. Im Sommer 2001 fanden Andy McCoy und Michael Monroe wieder zueinander und beschlossen, gemeinsam unter dem Namen "Michael Monroe & Andy McCoy – Hanoi Revisited" in Finnland zu touren. Die Musik und Energie von "Hanoi Revisited" erinnerte so stark an die ehemalige Band, dass McCoy und Monroe im Frühling 2002 schließlich das offizielle Revival von Hanoi Rocks mit neuen Bandmitgliedern (Gitarrist Costello Hautamäki, Bassist Timpa und Drummer Lacu) bekanntgaben.

Der Stil der "wiedergeborenen" Band unterschied sich jedoch von dem der Achtziger.

Die Fans waren zunächst geteilter Meinung – doch in den folgenden sieben Jahren schwammen Hanoi Rocks mit drei neuen Alben ("Twelve Shots On The Rocks" – 2002, "Another Hostile Takeover" – 2005, und "Street Poetry" – 2007) und zahlreichen Liveauftritten in Europa und Japan wieder auf der Erfolgswelle. Trotzdem verkündeten Monroe und McCoy im Herbst 2008, dass Hanoi Rocks als Band und auch den Musikstil betreffend einen Karrierepunkt erreicht hätten, der nicht mehr weiter ausgebaut oder übertroffen werden könne.

Nach einer letzten Tour durch Japan im März 2009 und einem sechstägigen Konzertmarathon von insgesamt acht Abschiedsshows in Helsinki, Finnland hängt die Band nun endgültig Glitzerjacken und Federboas an den Nagel. Zuvor aber machten Hanoi Rocks ihren Fans mit ihrer allerletzten Show am 12. April 2009 im heimischen Helsinki ein Abschiedsgeschenk der besonderen Art: Ein zweieinhalbstündiges Set mit über dreißig Songs aus ihrer gesamten Karriere.

Draußen vor dem Eingang warteten die Fans schon seit den frühen Nachmittagsstunden. Einige waren sogar extra England und Japan angereist, um der Band noch einmal danke zu sagen. Andere waren fast noch glamouröser gestylt als ihr Idol Michael Monroe selbst.

Um 21 Uhr öffneten sich die Türen und bis zum Einlass in die Halle nutzten viele die jetzt letzte Gelegenheit sich mit Hanoi Rocks Abschiedstour-Merchandise einzudecken, oder auch die Bandmemoiren zu erwerben. Dass das am 1. April pünktlich zum finnischen Abschiedscountdown erschienene Buch "All Those Wasted Years" trotz des englischen Titels bisher nur auf Finnisch zu haben ist, störte die ausländischen Fans dabei nicht im geringsten.

Foto: Iris Kessin

Foto: Iris Kessin

Um 22 Uhr war es dann soweit. Nach einigen Frühstarts durch besonders begeisterte Anhänger, die die Türen bereits vor dem offiziellen Einlass stürmten und energisch zurückgepfiffen wurden, öffneten sich die Eingangspforten zu einem Event, den sicherlich keiner der anwesenden Fans so schnell vergessen wird. Um die Wartezeit bis zum Konzertbeginn zu verkürzen, war die Bühne mit einem weißen Tuch verhängt worden, auf dem eine Diashow aus alten Hanoi Rocks Zeiten zu sehen war. Die aufgebauten Kameras und Mikrofone ließen darauf schließen, dass die bevorstehende Show nicht nur besonders, sondern auch noch für die Nachwelt in Bild und Ton festgehalten werden sollte.

Als um 23 Uhr die Lichter bis auf einige auf den Vorhang gerichteten Spotlights endlich verloschen, breitete sich gespannte Stille in der bis unters Dach gefüllten Halle aus. Anstelle der Diashow sah man nun durch das weiße Tuch die Silhouetten der Band zu den Klängen des Intros die Bühne betreten. Als der Vorhang fiel, ging's dann gleich zur Sache.

Michael Monroe's ernergiegeladenen Auftritte sind legendär; an diesem Abend übertraf er sich jedoch selbst. Bei den unzähligen Kostümwechseln hatte man fast den Eindruck, er wolle noch einmal alles auf der Bühne präsentieren, was seine Künstlergarderobe hergab. Natürlich durften die gewohnten Akrobatikeinlagen und Saxophonsoli nicht fehlen, und mehr als nur einmal durften sich die Fans in den ersten Reihen über hautnahe Interaktion freuen.

Foto: Iris Kessin

Foto: Iris Kessin

Aber auch der Rest der Band war in Hochform und brachte die Menge schon ab dem ersten Song zum Kochen. Abkühlung gab's zwischendurch in Form von Wasserflaschen, die Frontman Michael zwischendurch eigenhändig verteilte. Doch nicht nur Wasser gab's für die Anwesenden, sondern auch Poster, Flyer und zu guter Letzt sogar Monroe's Federboas als Abschiedsgeschenk.

Als ganz besonderes Bonbon gab sich außerdem ehemaliges Gründungsmitglied Nasty Suicide (Jan Stenfors) als Gastgitarrist die Ehre, der auch schon an den zwei vorangegangenen Tagen mit von der Partie gewesen war. Nach sage und schreibe zweieinhalb Stunden, zwei Zugaben und insgesamt dreiunddreißig Songs verabschiedeten sich Hanoi Rocks mit Glanz und viel Glitter von ihren Fans.

"We Finished On A High Note", so die Worte von Mike Monroe, der sich zum Schluss für "30 Wasted Years" bedankte, und sich anschließend von der Bühne ins Publikum fallen ließ, um noch einmal gebührend in der Menge zu baden.

Danke auch an euch, Hanoi Rocks! Die Erinnerung an euch wird weiterleben! Auf neue Soloprojekte der Bandmitglieder, insbesondere von Michael Monroe darf man gespannt sein!

Komplette Set List:

  1. Tragedy
  2. Motorvatin'
  3. Boulevard of Broken Dreams
  4. Street Poetry
  5. Café Avenue
  6. Obscured
  7. Hypermobile
  8. Fashion
  9. Love's An Injection
  10. Whatcha Want
  11. Problem Child
  12. Mental Beat
  13. Underwater World
  14. Power of Persuasion
  15. A Day Late, a Dollar Short
  16. I Can't Get It
  17. Back to Mystery City
  18. Until I Get You
  19. Beer and a Cigarette
  20. Worldshaker
  21. Cheyenne
  22. Don't You Ever Leave Me
  23. 11th Street Kidzz
  24. Malibu Beach
  25. High School
  26. Travellin' Band
  27. Taxi Driver
  28. Lost In The City
  29. People Like Me
  30. Delirious
  31. Oriental beat
  32. Million Miles Away
  33. Up Around the Bend

Konzertfotos:

Links:
http://www.hanoi-rocks.net/ ("alte" Hanoi Rocks Website)
http://www.hanoirocks.com (aktuelle Hanoi Rocks page)
http://myspace.com/hanoirocksofficial (Hanoi Rocks MySpace)
http://www.michaelmonroe.com (brandneue (!) offizielle Michael Monroe Homepage)

 

Torsten Volkmer
Torsten Volkmerhttp://www.torsten-volkmer.de
Volkmr, der Gründer des ehemaligen Goth-Zine.de, verdingt sich „selbst und ständig“ als Linsenputzer bei volkmr fotografie ihm seine Knipsklitsche, hat sich als Chefredakteur 2.0 selbst recycelt, die Metalfriese abgeschüttelt und kämpft mit be subjective! erfolgreich gegen hausgemachte Langeweile, Schubladendenken und seine Profilneurose an. Manchmal darf er auch die RedakteurInnen rumfahren oder Wassereis abstauben.

Weitere Artikel

Ähnliche Beiträge

Video der Woche: Santa Cruz – Wasted & Wounded [kw42/2018]

https://www.youtube.com/watch?v=xujYZsuf-S0 Lyrics: (Woo-o-oo-oo-oo-oo-oo) Can you hear the call for the wasted and wounded (Woo-o-oo-oo-oo-oo-oo) Wasted...

Flat Earth: Amorphis vs. HIM im Nahkampf (2018)

Flat Earth wurde ins Leben gerufen, nachdem Bassist Niclas...

Review: The Rasmus und Frederic’s Fault (19.10.2012, Helsinki)

Foto: Iris KessinThe Rasmus können gut und gerne als...

Review: Katatonia, Alcest & Junius (05.12.2012, Hamburg / Helsinki)

Foto: Torsten VolkmerKatatonia haben auch in Finnland die Herzen...