Auf dem Prog-Metal-Olymp. Die dystopische Lichtoper im Kuppelsaal (HCC, Hannover)
Bereits das Eintreten in die ehrwürdige Halle des Kuppelsaals im HCC Hannover verströmt den Hauch der Seriosität mit der Dream Theater ihren Auftritt wahrgenommen wissen wollen. Im durchgehend bestuhlten Saal und auf den Rängen hört mensch hier sonst eher klassische Musik. Die Lampen schweben als gewaltige Kristallzapfen im Raum. An den Bars wird eher Rotwein als Bier gereicht.
Overture
Die Bühne ist spartanisch ganz auf die Instrumente von John Petrucci und Co. ausgerichtet, dahinter und daneben zieren Videoscreens mit der Projektion einer Landkarte die Szenerie.
Lässt mensch den Blick durch den Raum schweifen, wird schnell klar, dass der überwiegende Teil der in den mäßig besetzten Reihen Sitzenden zur Gruppe der männlichen 30PlusXer gehört. Allenthalben zu sehende T-Shirts aus allen Phasen des Schaffens der seit 1985 bestehenden New Yorker Prog-Metal-Band, runden den Eindruck ab, dass es sich trotz oder vielleicht gerade wegen des großen internationalen Erfolges der Band fast um so etwas wie ein etwas überdimensioniertes Insiderkonzert handelt.
Sollten sich dennoch Besucher auf das Konzert verirrt haben, die vorher nur vage gehört hatten, dass Dream Theater „halt einfach irgend so eine Metalband“ seien, dürfte sich diese Idee spätestens nach den ersten Minuten des instrumentalen Intros verflüchtigt haben.
Act 1
Nein, Dream Theater sind sicher vieles aber nicht „irgend eine“ und nicht „einfach“. Hier sind Meister ihres Fachs am Werk. Die Herren Petrucci, Rudess, Mangini, Myung und LaBrie spielen auch kein Metal-Konzert im (sofern es so etwas geben sollte) klassischen Sinne. Sie zelebrieren eine Metal-Oper. Wie der Film, der im Hintergrund der Mischung aus Darbietung auf der Bühne sowie vom Band eingespielten Sounds läuft und die dystopische Handlung bebildert, so ist auch der Vordergrund perfekt abgestimmt und durchgetaktet.
Alles sitzt in der Show, die die ZuschauerInnen wie bei einem Kinofilm eintauchen und tief in die Sitze sinken lässt. Allenfalls die Stimme von James LaBrie rutscht gelegentlich in den hohen Lagen ein wenig aus, was aber auf Grund der sonstigen Perfektion eher zur Frage verleitet, ob nicht auch das genau so eingeplant war. Bei all dem wechseln die verwendeten Musikstile so schnell über alle Genregrenzen, variieren mit den Stimmungen der Handlung, dass manches Mal der Eindruck entstehen könnte, mensch hätte es eher mit einer Leistungsshow von Instrumental-Virtuosen zu tun, wäre da nicht die Story der Oper, die sich mal langsam fließend, mal in der Wucht des aufgebotenen Riffdonners entfaltet.
Act 2
Düstere Fragmente einer Zukunftsvision totaler Überwachung und Unterdrückung verdicken sich in der Geschichte mit einem mittelalterlichen Lebensstil der Bevölkerung zu einer Melange, die durchaus als Kritik an gegenwärtigen gesellschaftlichen Zuständen verstanden werden kann. Einen Ausweg aus der Leere des Alltags zwischen Gewalt und Abgestumpftheit gibt es in Petruccis Metal-Märchen nur durch echte Musik, die aus den letzten Enklaven der Freiheit dringend schließlich in die Welt und auch in den Kuppelsaal flutet. Hier sind es vor allem die unvergleichlich vielfältigen Soli des Meisters selbst und der geniale Einsatz des Keyboards von Jordan Rudess, die den Atem stocken lassen. Wundervoll harmonisch fügen sich im gesamten Konzert die live gespielten Elemente mit den untermalenden synthetischen Klängen zu einem bruchlosen Ganzen.
Am Ende des Abends hat die Band eine perfekte Show abgeliefert, die kaum Fragen offen lässt, außer vielleicht: Ist es das, was wir von einem Konzert erwarten? Ist es diese glatte lückenlose Perfektion, derer angesichtig wir staunend zurückkehren wollen in unseren Alltag? Wäre ein Konzert besser, das Platz und Unkalkulierbarkeit lässt, für einen Weg zwischen Publikum und KünstlerInnen?
Diese Fragen möge JedeR für sich selbst entscheiden.
Setlist
- Descent of the NOMACS
- Dystopia
- Overture
- The Gift of Music
- The Answer
- A Better Life Lord Nafaryus
- A Savior in the Square
- When Your Time Has Come
- Act of Faythe
- Three Days
- The Hovering Sojourn
- Brother, Can You Hear Me?
- A Life Left Behind
- Ravenskill
- Chosen A Tempting Offer
- Digital DiscordThe X Aspect
- A New Beginning
- The Road to RevolutionAct 2
- 2285 Entr’acte
- Moment of Betrayal
- Heaven’s Cove
- Begin Again
- The Path That Divides
- Machine Chatter
- The Walking Shadow
- My Last Farewell
- Losing Faythe
- Whispers on the Wind
- Hymn of a Thousand Voices
- Our N
Encore - Power Down Astonishing
Mehr Fotos vom Dream Theater Konzert findet ihr hier:
Links:
www.dreamtheater.net