Stets zu Diensten
„Wir sind zum gefühlten hundertsten Mal im schönen Hannover“, begrüßte Alexander Veljanov am 12. Februar seine Fans im Capitol der niedersächsischen Landeshauptstadt.
Mit im Gepäck hatten Deine Lakaien ihre neue Scheibe „Chrystal Palace“, die im August vergangenen Jahres erschienen ist. Es ist das zehnte Studioalbum des Elektro-Avantgarde-Duos Alexander Veljanov und Ernst Horn, das sich vor nunmehr 30 Jahren zum gemeinsamen Spiel zusammentat. „Wir haben aus allen Alben etwas zusammengestellt – und hoffen, es gefällt“, kündigte Veljanov den Plan für rund zwei Stunden Konzert an.
Zum Intro reisten die Herren denn auch recht weit in ihre musikalische Geschichte zurück und kramten „Colourize“ und „Reincarnation“ hervor. Die Bühne in blaues Licht getaucht und von weißen, fächerförmigen Spots geflutet, hält sich Mastermind Horn vom ersten bis zum letzten Takt des Konzertes dezent im Hintergrund, bearbeitet Regler von Synthesizern, Rechner oder Drehleier. Sein Haar ist schulterlang und weißblond, ein Bart verbirgt die deutlichen Zeichen seiner Reife. Er hat etwas von einem Propheten, der, versunken zwischen bekannten Melodien und neuen Arrangements, die Planeten zum gemeinsamen Spiel im Kosmos der Lakaien-Klänge anregt. Veljanov stakst derweil, die Schritte eines Storches imitierend, die Bühne auf und ab, balanciert sein Mikro auf der ausgestreckten Fläche seiner rechten Hand und lauscht versunken der Predigt des Altmeisters im Hintergrund.
Wenig später dirigiert er mit einem Zeigefinger ein imaginäres Orchester. Vielleicht gilt es auch dem Publikum. Bei Deine Lakaien ist selten klar, ob sie sich möglicherweise nicht selbst genügen auf der Bühne. Egal. Die Jünger vor der Bühne lauschen gebannt, vor allem, als sich das Duo mit „Into my arms“ in Kasmodiah-Zeiten vorarbeitet. Auch „Winter, Fish, Testosterone“ streift es mit „Fighting the green“.
Mit „Over and done“ vom Album „April Skies“ kommt dann tatsächlich und endlich etwas Leben und Bewegung in die bis dahin zwar sehr verzückte, aber auch sehr ruhige Fanschar vor der Bühne, um von einem zauberhaften „Where you are“ abgelöst zu werden.
Doch Deine Lakaien wären nicht sie selbst, wenn sie sich ihre Spielfreude nicht mit Improvisationen und spannenden Neuarrangements erhalten und ihr Publikum mit immer neuen Klangteppichen vermeintlich bekannte Melodien verfremden und zu akustischen Hörerlebnissen verarbeiten würden.
Mit dem Song „Where the winds don’t blow“ wagten sich die Lakaien dann erstmals zum neuen Album „Chrystal Palace“ vor, von dem es später noch „The Ride“ und „Farewell“, aber auch als erste Zugabe den Titelsong auf die Ohren gab. Zum Album „Indicator“ kehrte das Duo zwischendurch mit „Europe“ zurück und wanderte mit „Return“ zum Intro von Kasmodiah.
„Deine Lakaien – stets zu Diensten“, witzelte Frontmann Veljanov in einer der spartanischen Pausen zwischen zwei Songs, um nach eineinhalb Stunden Spielzeit schon mal das nahe Ende anzukündigen.
Wie?
Das sollte schon alles gewesen sein?
Und gefühlt wäre es strategisch schlauer gewesen, die Fanschar mit einem bewegenden „Love me to the end“ vom Erstling „Silver Tape“ aus dem Jahr 1985 in die kalte Februarnacht – eingehüllt in die wohl schönste Lakaien-Melodie – zu entlassen. Doch es folgten noch „Manastir Baroue“ und „Pilgrim“. Diese beiden Songs fühlten sich als Abschluss leider etwas überflüssig und deplatziert an. Kommt da nun noch was? Nein? Schade! Es blieb so vieles ungehört an diesem Abend.
Doch trotzdem oder gerade deshalb, bleibt am Ende fast der Wunsch, künftige Konzerte des Duos von vorn bis hinten zu bestuhlen, um sich dem künstlerischen Meisterwerk gebührend hinzugeben. Und auch wenn Deine Lakaien schon seit 30 Jahren die Elektro-Avantgarde-Szene in Atem halten: Sie mögen die Welt mindestens 30 weitere Jahre an ihrem genialen Schaffen teilhaben lassen.