Review: Deep Purple meets Rival Sons in der Swiss Life Hall (18.11.2015, Hannover)

Kiss the Devil. „Something ’s gonna happen…tonight.“

Foto: © Isabelle Hannemann bs!
Foto: © Isabelle Hannemann bs!

Durchblättert man die digitalen und beein(ge-)druckten Seiten zu DEM Konzert in Hannover, so repetieren sie Schatten und Stimmungen, welche die 3000 Fans am Eingang der Swiss Life Hall abgegeben zu haben scheinen. Tiefrot freut sich das Rock `n Roll Publikum. Generationenübergreifend. Für viele Väter – die ihren Sprösslingen heute mal den Gitarren- und Orgelsound ihrer Jugend nahebringen wollen – fallen mit Deep Purple in concert Weihnachten und die Championsleague zusammen, auch wenn „the loudest band“ etwas stiller geworden ist. Wenn Daddy wüsste, dass das missratene Kind dieser Zeit, heute dieselbe Luft wie die britischen Rock `n Roller atmet, wäre es mal so was von über auf die Seite des Guten gesprungen.

Sweet child in time

You’ll see the line

The line that’s drawn between

Good and bad“

Was Daddy nicht weiß: Das sweete child in time ist nicht mehr ganz so grün hinter den faustdick verrockten Ohren und in erster Linie für den nicht mehr ganz so geheimen Geheimtipp, die Rival Sons, hier.

Foto: © Isabelle Hannemann bs!
Foto: © Isabelle Hannemann bs!

Eigentlich gibt es die Rival Sons schon seit sieben Jahren und eigentlich hat die Band mit ihren vier bisherigen Alben (vor allem mit dem 2014 erschienenen Great Western Valkyrie) schon durchaus respektable internationale Chartplatzierungen erreicht und eigentlich, ja eigentlich sollte jeder Fan von gutem Hardrock sie kennen. Das ist an diesem Abend in der Swiss Life Hall aber nicht so. Als Jay Buchanan und Co. zu den Klängen von Enio Morricone die Bühne betreten, ist das Publikum noch verhalten, schlurft grüppchenweise zwischen Bierstand und Bühne umher, die vielen Sitzplatzinhaber diskutieren gedämpft, welche Besetzung des Mainacts des Abends über all die Jahre wohl die beste gewesen sei. Rival Sons sind keine Konkurrenz für Deep Purple. In vollem Respekt erspielen sie sich nach 15 Minuten die Gunst der – sich sichtlich anspruchsvoll wähnenden – Rock `n Roll Daddys – bringen Schwung in die schlimmste Arthrose und erleben hier wohl einen der wenigen Gigs, der nicht durch tausende rauschende Smartphonelinsen gebrochen, sondern durch ein vollends offenes Publikum – voll old school, voll cool – mit allen Sinnen genossen wird.

Electric Man, der Opener erntet noch leichtes Kopfnicken und eher mäßig wohlwollenden Applaus, Secret, bei dem vor allem die im klassisch getragenen Hammondstyle gespielten Keys von Todd Ögren-Brooks sofort ins Ohr gehen, führt zumindest bei einigen zu erstem kurzen rhythmischen Mitwippen. Spätestens aber bei Tell Me Something haben auch die letzten Zuschauer verstanden, dass das was sich dort auf der Bühne abspielt weit mehr ist, als einfach nur der Support zum Mainact. Scott Holiday serviert mit der Gitarre alles von Bluesrock bis Heavy und treibt Soli mit geradezu ekstatischer Sicherheit durch die Lautsprecher. Jay Buchanan, der barfüßige Poet, lebt jede Zeile, die er ins Mikrofon atmet, stöhnt, sanft intoniert während Mike Miley mit seinen Drums straight und tight den Takt gibt.

Fear never wins. Keep this in your mind.

Something ’s gonna happen…tonight.“ (Jay Buchanan)

Foto: © Isabelle Hannemann bs!
Foto: © Isabelle Hannemann bs!

Deep Purple. Die Legenden, die Altmeister, die Rock-Heroen, nehmen die sanft aufgepeitschte Stimmung auf. Ihre Show ist für ein Tribünenpublikum gemacht: Liveübertragung auf eine riesige Leinwand, visuelle Effekte, sparsame Lichtshow. Gevatter Gänsehaut ist sofort wieder da, wenn man sich die Lyrics von „smoke on the water“ vergegenwärtigt oder in Don Aireys Orgel-Mash-Up-Medley die Marseillaise an die Freude klingend wähnt.

Were at the best place around

But some stupid with a flare gun

Burned the place to the ground“

(deep puple)

Die Tribüne genießt sitz-tanzend die Gitarrensoli von Steve Morse, versteht sicher kaum die „take it easy“ Ansagen von Frontmann Ian Gillan, nimmt es dennoch leicht und wird sich ewig daran erinnern smoke on the water live erlebt zu haben. „Smoke on the water. A fire in the sky.“ Das Feuer in Augen, das Glühen auf den Wangen, ist, was von diesem Abend bleibt. Ein Feuer, das heller und beständiger glüht, als die Asche der Angst-Dämonen.

Fear never wins. Keep this in your mind.“

Foto: © Isabelle Hannemann bs!
Foto: © Isabelle Hannemann bs!

Ein Abend wie eine Verneigung: vor kritischen Geistern, vor offenen Herzen und sehenden Augen. In voller Zuneigung für die Kunst, die Neugier auf Menschen, voller Vergebung. Voller Liebe. „Party on.“

Für Fabian.

***

Setlist Rival Sons

  1. Electric Man
  2. Secret
  3. Tell Me Something
  4. Torture
  5. Where I’ve Been
  6. Open My Eyes
  7. Drum Solo
  8. Keep On Swinging

Setlist Deep Purple

  1. Mars, the Bringer of War
  2. Highway Star
  3. Bloodsucker
  4. Hard Lovin’ Man
  5. Strange Kind of Woman
  6. Vincent Price
  7. Instrumental Solo
  8. Uncommon Man
  9. The Well-Dresses Guitar
  10. The Mule
  11. Lazy
  12. Demon’s Eye
  13. Hell to Play
  14. Keyboard Solo
  15. Perfect StrangerEncore
  16. Hush
  17. Bass Solo
  18. Black Night

Links:

www.deeppurple.com
www.rivalsons.com

Isabelle Hannemann
Isabelle Hannemannhttp://www.isabellehannemann.net
Die missratene Hypotaktikerin wird als Redakteurin Schrägstrich Fotografin bei be subjective! geduldet, hat versucht sich als freie Autorin und Herausgeberin verschiedener Artikel und Bände im Bereich der kritischen Sozialwissenschaft für Suchmaschinen selbst zu optimieren und will – wenn sie groß ist – mal sehen. Künstlerisch als Autorin und Fotografin mit diversen Bands und AutorInnen zusammenarbeitend, Texte zu Papier, Gehör und auf die Bühne bringend. Na dann Prost Mahlzeit!

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