Review: Combichrist + Lord Of The Lost + Filter + Rabia Sorda: Make Europe Great Again!-Tour (24.06.2016, Dresden)

Wenn der Titel der Tour dieser Bands „Make Europe Great Again!“ heißt und es sich beim Konzerttag um den Freitag handelt, nach dem eine knappe Mehrheit der Briten für den sogenannten Brexit abgestimmt haben, hat der Titel schon etwas Ironisches und auf jeden Fall eine zweite Ebene an sich. Zumal auch die Hälfte der Bands zumindest ihren Ursprung auf der anderen Seite des Kontinents haben.

Rabia Sorda (Foto: Kristin Hofmann)
Rabia Sorda (Foto: Kristin Hofmann)

Aber hier sollte es ja um die Musik gehen, diese ist bekanntlich universell und funktioniert zum Glück auch über geografische bzw. politische Grenzen hinweg – so auch an diesem zugegebenermaßen ziemlich heißen Abend. Das Thermometer zeigte um halb acht noch gute 30° und in der Reithalle waren es vor Konzertbeginn noch ein paar Celsiuswerte mehr.

„Make Europe Great Again!“

Rabia Sorda (Foto: Kristin Hofmann)
Rabia Sorda (Foto: Kristin Hofmann)

Diese Tatsache, plus die erste von vier Bands zu sein, waren bestimmt nicht gerade die besten Vorraussetzungen um zuerst auf die Bühne zu steigen. Da hilft es auf alle Fälle, dass es sich bei Rabia Sorda um das Nebenprojekt von Hocico Frontteufel Erk Aicrag handelt und somit die Halle auch schon gut gefüllt war, Aufwärmen war bei den Temperaturen eh nicht mehr von Nöten. Die drei Protagonisten begannen mit „King of the Wasteland“, dem Titeltrack der neuen EP, und gaben in dem halbstündigen Set einen gelangen Überblick aus den bisherigen Veröffentlichungen.

„Out of Control“ bzw. „Deaf“ waren weitere bekannte Songs aus der Electro-Punk und Industrial-Rock-Mischung von Radia Sorda – ein sehr guter Opener und gelungen Start in den Abend.

Laut Programmplan sollten jetzt Filter folgen und dies hätte meiner Meinung nach auch Sinn gemacht (zumindest bei den Terminen in Deutschland), denn Filter haben ihre besten Tage sicherlich schon hinter sich und Lord of the Lost sind mit eine der besten Livebands, die in den letzten Jahren hierzulande eine Bühne betreten haben. Aber die fünf Hamburger waren jetzt schon dran…egal, die Fans empfingen Chris „The Lord“ Harms & Co. mit begeisterten Applaus und von den vier Band waren die Termine in Deutschland für sie quasi Heimspiele.

Lord Of The Lost (Foto: Kristin Hofmann)
Lord Of The Lost (Foto: Kristin Hofmann)

Die gute Stunde nutzten Lord of the Lost mit Ihrem Set, um dem Publikum einen ausgewogenen Stilmix aus Dark Rock, Industrial Metal und Glam-Goth zu präsentieren. Mit „Black Lolita“ bzw. „Die Tomorrow“ gab es Tracks von dem ebenso betitelt bekanntesten Album von Lord of the Lost und mit „The Love of God“ war auch ein Songs vom bald erscheinenden „Empyrean“ Album zu hören. Weitere Highlights meinerseits während der begeisterten Performance „Full Metal Whore“, „Fist up in the Air“ und natürlich zum Schluss „La Bomba“ (übrigens ist auch die La(tin) Bomba-Version sehr hörenswert).

Lord Of The Lost (Foto: Kristin Hofmann)
Lord Of The Lost (Foto: Kristin Hofmann)

Das sich die Dark Rocker selbst nicht ganz so ernst nehmen bewiesen sie nicht nur mit einer LED-gespickten Glam-Rock-Gitarre, sondern auch mit der Coverversion von „Everybody (Backstreet’s Back)“, wo auch einige Mitglieder von Filter/Combichrist auf die Bühne kamen und eine kleine Polonaise starteten. Bewaffnet mit Sekt, Wasserpistolen und anderen nassmachenden Zeugs sorgten sie in den vorderen Reihen für Abkühlung und auf alle Fälle für tolle Unterhaltung – richtig großes Kino.

Und dies hätte für sich genommen schon ein gelungener Konzertabend sein können, aber es kamen noch zwei Bands…

Nach einer weiteren kurzen Umbaupause war dann alles hergerichtet – für Filter. Auf die Industrial Rocker aus den USA war ich besonders gespannt, weil ich diese zuvor noch nicht live gesehen habe. Schließlich hatten die Band um Mastermind Richard Patrick damals Mitte der 90er gleich mit dem ersten Album „Short Bus“ einen echten Genre-Klassiker geschaffen, aber auch nach „Title of the Record“ nie wieder an diesen Erfolg anknüpfen können. Dies macht sich auch beim anwesenden Publikum bemerkbar, ob es an den Temperaturen lag oder daran, dass Filter nicht (mehr) so bekannt sind oder an Beiden, die Halle war jedenfalls nicht mehr so voll wie noch zuvor bei Lord of the Lost und einige nutzten die Gelegenheit um Kräfte für Combichrist zu sammeln. Leider war die Performance von Filter auch nicht so mitreisend und die verbalen Pausen zwischen den Songs von Richard Patrick zogen sich ziemlich bzw. kamen beim Publikum nicht so gut an. Vor „Take a Picture“ redet er auch irgendwas von zu viel Drogenkonsum und mir kam es so vor, als wären da einige Substanzen immer noch im Spiel.

Filter

Filter wurde ja von den beiden ehemaligen Nine Inch Nails-Mitgliedern Brain Liesegang und eben Richard Patrick gegründet, allerdings verlies Liesegang die Band schon nach dem ersten Album und dies hört man allen anderen Filter-Produktionen an. Wenn auch der aktuelle Longplayer „Crazy Eyes“ wieder ein wenig harter daher kommt und an die ersten Alben aus den 90ern erinnert. Egal, die anwesenden Hardcore-Filter-Fan kamen auf ihre Kosten, mit „(Can’t you) Trip like I do“ vom großartigen „Spawn“-Soundtrack (wirklich sehr hörenswert) und „Hey Man Nice Shot“ spielten sie zwei meiner Lieblingsstücke. Hab Filter mal auf der Bühne gesehen, muss bei solch einer Einstellung aber auch nicht noch mal sein.

Rabia Sorda (Foto: Kristin Hofmann)
Rabia Sorda (Foto: Kristin Hofmann)

Während der letzten Umbaupause – und das muss mal gesagt sein, die gute Instrumentenaufteilung der vorherigen Bands auf der Bühne sorgten wirklich für erträgliche Pausen während der einzelnen Konzerte, Kompliment an den verantwortlichen Stagemanager – ertönten dann bekannte aber genreuntypische Hits aus den Boxen wie der Klassiker von Opus „Life is Live“, ABBAs „Dancin Queen“ oder (eben passender Weise) „Final Countdown“ von Europe… Jetzt geht’s los, die Reithalle ist wieder voll, endlich der Headliner

Combiiiiiiichriiist.

Die Herren enterten die Bühne, treten gleichzeitig noch mal so richtig auf das Pedal und bleiben die gesamte Spielzeit über im Vollgasmodus (’Bada Boom, Realest Guys In The Room! How You Doing’). LaPlegua zeigte auch von Anfang, dass er ein absolutes Frontschein ist, tanzte, sprang bzw. rannte im großen Radius hin und her, gleichzeitig schrie er sich dabei regelrecht die Seele aus dem Leib. Der Klang, welches über den gesamten Abend wirklich sehr gut war, bekommt mit dem zusätzlichen Trommelset noch eine weitere industriallastige Note. Die beiden Schlagwerker liefern sich eine richtige Schlacht, sowohl soundtechnisch als auch mit den Sticks, welche sie gefühlt aller drei, vier Takte verloren und wahrscheinlich mit einem gesamten Korb ausgerüstet waren. Die Stagehands hatten jedenfalls gut was zu tun, mit „umgefallen“ Trommeln wieder richtig aufstellen und Sticks aufsammeln, während dabei der Ein oder Andere im Publikum landete. „Skullcrusher“, „Exit Eterity“, „Time Again“ bzw. „We Are The Plague“ sind Tracks vom neuen Album „This Is Where Death Beginns“ und in der Setliste ebenso enthalten, wie die Klassiker „Get Your Body Beat“, „Blut Royal“oder „Fuck That Shit“, phantastisch. Mitte des Konzertes kam der Gitarrist von Filter mit auf die Bühne und sorgte ab dem Zeitpunkt für weitere Unterstützung auf der Saitenfront.

Combichrist (Foto: Kristin Hofmann)
Combichrist (Foto: Kristin Hofmann)

Bei der Zugabe wurde es langsam wieder eng auf der Bühne, zuerst kam der Frontmann von Filter mit auf die Bühne und letztendlich fast alle Mitglieder von Rabia Sorda, Lord of the Lost und Filter. Zusammen feierten sie mit dem Combichrist und dem wirklich begeisterten Publikum das Finale passender Weise mit „Maggots At The Party“ bzw. „What The Fuck Is Wrong Whit You?“ eine wilde Industrial-Rock-Polonaise – habe ich so auch noch nicht gesehen, wirklich ganz großes Industrial-Rock-Kino. Wer wollte konnte seine Feierlaune noch auf der anschließend stattfindenden After Show Party weiter ausleben.

Combichrist (Foto: Kristin Hofmann)
Combichrist (Foto: Kristin Hofmann)

Fazit des Abends: von der gezeigten musikalischen Leistung her hätten Filter zuerst spielen müssen, haben sie aber nicht sondern Rabia Sorda. Diese haben einen wirklich klasse Opener hingelegt und danach folgte der perfekte Support von Lord of the Lost. Aber Combichrist haben wieder einmal bewiesen, dass sie in einer anderen Liga spielen. Das war Metalcore, Industrial bzw. Aggrotech at his best (’…and you can’t teach that’)! Ob sie mit ihrer Tour Europa wieder bedeutender gemacht haben, muss jeder selbst beurteilen – in Dresden haben sie jedenfalls einen großartigen Konzertabend hinterlassen.

Unsere Konzertfotos vom Abend:

Links:

Combichrist (Foto: Kristin Hofmann)
Combichrist (Foto: Kristin Hofmann)

Weiterhören:

Combichrist „This Is Where Death Begins“, „We Love You“, „No Redemption“, „Making Monsters“, „Today We Are All Demons“, „What The F**k Is Wrong With You People?“, „Everybody Hates You“ & „The Joy Of Gunz“

Filter „Crazy Eyes“, „Title Of The Record“, „Spawn“ (V.A. OST) & „Short Bus“

Lord of the Lost „Empyrean“, „From The Flame Into The Fire“, „Die Tomorrow“, „Antagony“ & „Fears“

Rabia Sorda „Hotel Suicide“, „The Art Of Killing Silence“, „Noise Diary“ & „Metodos del Caos“

Tobias Richter
Tobias Richterhttps://www.facebook.com/mischband/
Jeder sollte einen Tobi haben. Keiner von uns hat ihn je gesehen, der Typ ist einfach zu groß und artig, der schmeißt aufgeblasene orange Dinger in Einkaufsnetze und - wie man so hört - muss sich der Ü190 Hüne dafür bücken. Eat Sleep Ball Repeat. Ansonsten ist ein Tobi einer, der Kassetten professionell aufwickeln kann, "der immer Ärger macht, der Streiche spielende Anstifter, der, der süchtig nach Furcht ist, ein Sinnbild für Gefahr." Jeder sollte einen Tobi haben. Und eine B-Seite.

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