Review: Reckless Love – Von hübschen Jungs zu wunderschönen Männern (22.11.2016, Hannover)

Im Frühling klapperte das Quintett von Reckless Love schon einige große Städte in Deutschland ab und sorgte dabei mehrmals für ausverkaufte Konzerte. Es dauerte nach dieser Konzertreihe nicht lang, ehe Zusatzshows angekündigt wurden. Hierbei wurde auf Wunsch der Band der Fokus völlig absichtlich auf etwas kleinere Städte gelegt.
Mit den Briten von The Treatment als Supportact im Gepäck, wird uns in Hannover also eine Hardrock-Combo im zentral gelegenen LUX-Club dargeboten. Worauf also warten?

The Treatment (Foto: Dragana Urukalo bs!)

The Treatment. Vor Konzertbeginn finden sich schon vereinzelt einige erkennbare Hard- und Sleazerock-Fans vor der Bühne ein. Die kleine Clubbühne ist zugestellt mit Instrumenten und bietet nicht mehr wirklich viel Platz zum herumtoben. Denkt man.

Während vor der Bühne die Wartezeit noch mit Quatschen überbrückt wird, schlängelt sich die junge Band um den erst im letzten Jahr dazu gestoßenen Sänger Mitchell Emms aus England quer durch das LUX auf die Bühne.

The Treatment (Foto: Dragana Urukalo bs!)

Zu erwarten gibt es eine einstündige Hardrock-Therapie für die Ohren. Schon während der ersten Songs haut die Band musikalisch und körperlich gleichermaßen derbe auf die Kacke und springt bei harten Rockriffs auf ihren Instrumentencases vor der Bühne herum. Auf der Bühne selber ist dafür ja kaum Platz. Bei einem Sprung fällt vor Wucht sogar direkt eine Monitoring Box von der Bühnenkante, doch einige aufmerksame Mädels in der ersten Reihe bewahren mit ihren Jedi-Reflexen die Box vor den Sturz und richten sie wieder auf. Schnell kristallisiert sich The Treatment als sympathische und publikumsnahe Band heraus. Auch wenn die BesucherInnen zuerst etwas schüchtern Abstand vom Bühnenrand halten, lassen sie sich von der Band dann doch davon überzeugen, ein paar Schritte näher an die Bühne zu treten.

The Treatment (Foto: Dragana Urukalo bs!)

Schon sehr viel zufriedener geht die Band mit den ZuschauerInnen auf Tuchfühlung und beginnt, mit ihnen etwas zu spielen. Sogar im wahrsten Sinne des Wortes:
Ein Konzertbesucher klimpert auf der Gitarre von Gitarrist Tagore Grey, als dieser ihm das weiße Instrument vor die Nase hält. Und etwas später nimmt der junge Gitarrist diesen Besucher mit der Gitarre in den Schwitzkasten. Die Konzertbegleitung muss noch schnell ein Foto von dieser unglaublichen Geschichte machen, dann rastet die Band Song für Song immer weiter aus.

Auch, wenn die Bühnenbeleuchtung eher zweckmäßig als Stimmungsvoll ausfällt, ist die Performance der Mittzwanziger purer Wahnsinn. Mitchell Emms mischt sich mehrfach ins Publikum, nur um dort weiter Stimmung zu machen. Wenn er sich grade nicht mitten im Publikum befindet, steht er entweder auf einer der Boxen des LUX oder geht körperlich zu der Musik ab und lässt die Arme aller Anwesenden in die Luft gehen. Zum Abschluss wagt er sich noch einmal vor die Bühne und nimmt sogar den Bassisten mit, um dort das Ende des Auftrittes einzuleiten. Zurück auf der Bühne lobt die Band noch die gute Stimmung an einem Dienstagabend, freut sich darüber, hier spielen gedurft zu haben und verabschiedet sich:

„You Guys were fuckin’ amazing“

The Treatment (Foto: Dragana Urukalo bs!)

Die Band tritt von der Bühne ab und hinterlässt überwältigte Konzertgäste und ihre Instrumente, die in der Bühnenpause fix abgebaut werden, ehe dann das Set für Reckless Love aufgebaut wird, welches (eine Gitarre weniger) etwas mehr freien Platz bietet.

Reckless Love sind für einige Dinge bei ihren Fans bekannt: Sei es für ihre klischeebelasteten Hardrock Songs über Themen wie Frauen, Sex und Partys oder ihren Kleidungsstil, der aus engen Hosen und maximal Muskelshirts besteht.

Die Jungs haben Bock auf partytaugliche Rockmusik und drücken das auch mit jeder Fase auf der Bühne aus.

Reckless Love (Foto: Dragana Urukalo bs!)

Während Thin Lizzys „Boys Are Back In Town” über die Lausprecher durch das Musikwohnzimmer des LUX schallt, werden die vier Finnen vom Securitypersonal zur Bühne geleitet. Mit dickem Lächeln im Gesicht ziehen die Jungs ihre Hoodies aus und stehen nun genauso auf der Bühne, wie grade beschrieben. Dann zählt uns Sänger Olli Herman auch schon mit dem ersten Song „Animal Attraction“ auf, wo er „es“ überall tun würde.

„In the back of a taxi baby
By the side of the road while waitin‘
On the boat, on the train, on the airplane”

Im Gegensatz zum vorherigen Auftritt wird die Bühne geflutet von buntem Scheinwerferlicht, welches die Atmosphäre spürbar anregt. Leider wirkt der Gesang nach dem Umbau nicht mehr so klar, die Instrumente übertönen schnell die eigentlich sehr kräftige Stimme von Frontmann Olli Herman und lässt sie in den Hintergrund rücken. Doch das Publikum kennt den Text und lässt sich davon nicht beirren.

„The next song is also the name of this Tour. But we’re not pretty anymore and we are no boys. But we are beautiful men”

Reckless Love (Foto: Dragana Urukalo bs!)

Das markante Gitarrenriff aus „Pretty Boy Swägger“ setzt ein und Olli singt mit seinem permanenten Grinsen immer wieder das Publikum an und fordert es zum Tanzen auf und tanzt auch selber auf der Bühne mit. Auch der für den blonden Frontmann bekannten Kick in die Luft kommt an dem Abend mehrmals zum Einsatz und einmal hätte er fast jemanden bei der viel zu kleinen Bühne erwischt. Doch bei seiner bedauernden Geste in die Richtung wird ihm schnell verziehen und darüber gelacht.

Beim Song „Scandinavian Girls“ sollen sich alle vorstellen, er würde von „German Girls“ handeln, denn auch deutsche Frauen seien toll, das Wort passe aber leider so gar nicht in die Rhythmik des Gesanges.

Anschließend wird uns dann eine kleine Anekdote aus Spanien erzählt, wo man diesen Song wohl nicht hätte spielen dürften. Einigen „Señoritas“ hätte der Song absolut nicht gefallen und buhten die Band deswegen aus. Das bleibt ihnen im LUX an diesem Abend dann aber zum Glück erspart. Das Publikum steckt ihre Energie viel lieber in das Feiern mit der Band. Nach dem Lied hagelt es Applaus und die Band muss noch schnell einwerfen, dass sie genau wissen, wie „cheesy“ ihre Songs teilweise sind und leitet damit auch direkt das nächste Klischeelied mit dem Namen „Born To Break Your Heart“ ein.

„Baby I was born to break your heart
Baby I will tear your heart apart“

Während des ganzen Konzertes genießt die Band die Aufmerksamkeit der KonzertbesucherInnen. Immer wieder suchen sie Augenkontakt und überzeugen sich davon, ob denn auch mitgesungen und Spaß gehabt wird. Auffällig oft versuchen einige Konzertgäste, geblitzte Selfies vor der Bühne zu machen oder halten permanent das Handy im Fotomodus gen Musiker, was leider etwas den Konzertspaß dämpft.

Reckless Love (Foto: Dragana Urukalo bs!)

Nach insgesamt 15 Songs ist der musikalische Teil des Abends leider auch schon zu Ende und es stellt sich heraus, dass der Club die ganze Zeit gar nicht so voll war wie gedacht, sondern dass die Publikumsdichte einfach direkt vor der Bühne am höchsten war und dadurch auch die Stimmung in Fahrt kommen konnte.

Sich gegenseitig in den Armen liegend lassen sich die Jungs von Reckless Love noch einmal vom Publikum zujubeln, ehe sie von der Bühne in die Backstage verschwinden und etwas später zu den Fans noch auf einen Plausch vorbeischauen.

Wer die Füße bei Reckless Love schon nicht beim CD-hören stillhalten kann, sollte definitiv beim nächsten Konzert vorbeischneien, denn was gibt es besseres als zusammen mit der Band Spaß zu haben?

Galerien:

Text: Dragana Urukalo

Setlist Reckless Love:

  1. Animal Attraction
  2. So Happy I Could Die
  3. Monster
  4. Pretty Boy Swägger
  5. Beautiful Bomb
  6. Badass
  7. Edge Of Our Dreams
  8. Scandinavian Girls
  9. Born To Break Your Heart
  10. Back To Paradise
  11. Romance
  12. On The Radio
  13. Night On Fire
    Encore
  14. Weekend
  15. Hot

 

Links:
www.recklesslove.com
www.facebook.com/TheTreatmentOfficial

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be subjective! music webzine est. 2001 Live-Berichte und Konzertfotos stehen bei uns im Fokus. Die richtigen Wort für neue Töne, musikalische Experimente, Stimmungen in Bildern gebannt, Mega Shows in neuen Farben. Der Atem in deinem Nacken, die Gänsehaut auf Deiner Haut, der Schweiß durchtanzter Nächte zum Miterleben und Nachbeben. Interviews mit Bands und MusikerInnen.  be subjective! aus der Musikszene für mehr Musikkultur. 

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