Zwei Jahre hat es gedauert bis Radio Doria ihre neue, zweite Scheibe rausgebracht hat. Warum hat das so lange gedauert? Laut Bandleader Liefers: „weil alle Bandmitglieder so stinkfaul sind“. Das stimmt natürlich nicht. Vielmehr lag der Fokus darauf, was Gutes abzuliefern.
was mit Niveau
„Das zweite Album ist immer das schwerste“, zitiert Liefers eine altbekannte Wahrheit. „Gerade deshalb sollte es besonders leicht klingen. Es sollte sich anfühlen, wie eine Hand voller Glückskekse, die man in die Luft wirft. Bloß kein zermürbender Grabenkampf um jeden nächsten Ton und jede nächste Zeile. Alle Songs sollten aus einem großen und guten Gefühl heraus entstehen und später jeden damit anstecken.“
Ob die neue Scheibe „2 Seiten“ an den Erstlingserfolg „Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“ anknüpfen kann und die Glückskekse fliegen lässt, wer könnte das besser beurteilen als das Publikum in der Keksstadt Hannover. Knapp 1200 Fans haben das Theater am Aegi ausverkauft, sind gespannt auf den schauspielernden Sänger und seine Band. Und die tritt einheitlich in einer Art „Uniform“ auf. Ganz in Schwarz gekleidet, Liefers zusätzlich mit Hut, den er auch den ganzen Abend nicht absetzt. Das gibt dem Ganzen natürlich einen zusätzlichen Touch an Intellektualität. Allerdings könnte die Band auch JJ and the Jumpsuits heißen. Das einheitliche Aussehen ergibt sich aus den schwarzen, hochgeschlossenen Kleidungsstücken. (Hmmm, ist das nicht zu warm?) Anscheinend nicht. Am Outfit wird den ganzen Abend nichts geändert. Sieht erstmal ungewöhnlich aus, doch mensch gewöhnt sich dran. Musikalisch bewegt sich Radio Doria im Radio-Format-Pop-Bereich. Nicht wirklich was Besonderes, aber durchaus gefällig arrangiert. Die Texte setzen sich mit Lebensfreude und den Launen des Lebens auseinander. Es geht um Liebe, Zusammenhalt, das Miteinander, aber auch Nachdenklichkeit. Die holten sie sich im Vorfeld zur Tour im Iran, den sie mehrwöchig bereist haben. Hier wollten sie mal die 2 Seiten des Lebens kennenlernen. Auf der einen dieses arme, immer irgendwie kriegsbedrohte Land, auf der anderen Seite Deutschland, unser Aller Schlaraffenland, wo trotz allen Reichtums nie ein innerer Frieden eintritt.
Womit sind wir
eigentlich unzufrieden?
Bei dieser Aussage brandet Beifall auf im Publikum. Was zum Nachdenken. Was mit Niveau. Was alle angeht.
Jan Josef Liefers beweist mehrfach, dass er Entertainer-Qualitäten hat. Wie zum Beispiel als er erzählt, wie er bei Reinhard Mey angerufen hat, um ihn zu fragen ob er die Pianoballade „Nie egal“ (ein Lied über Freundschaft) mit ihm singen würde. Reinhard war nicht da, aber seine Frau. Die hat ihm ausgerichtet, daß der Reinhard gerade joggt, aber sich melden wird. Das hat der Reinhard dann auch gemacht. Geschickt hat er ein Foto von sich, schweißtriefend nach dem Joggen mit erhobenem Daumen. So leicht gewinnt man einen Duettpartner. Witzig amüsant diese Einblicke. Noch amüsanter sind die Einblicke die Liefers in die Tour-Bus-Fahrten gewährt, auf denen man sowieso nicht schlafen kann. Also wird die Zeit genutzt um Texte zu schreiben über die Stadt, in die man fährt („Lied für Hannover“). Dabei kommt dann sowas raus wie das Thema Schützenfest: „Haben die Schützen nichts getroffen, waren sie wenigstens besoffen“. Oder was für Menschen mit Abitur: „an was denkt mensch zuerst, wenn er das Wort Masch hört? Meyer oder See?“. Und natürlich darf auch der nicht fehlen: „Tatortermittlerin Lindholm ist schon genial, aber Chef sind der Liefers und der Prahl“. Ha Ha wat fürn Brüller.
Keine Worte, kein Sinn, keine Sätze
Das Schönste, das Größte, das Beste
Ist unbeschreiblich, unbeschreiblich
Das Tiefste, das Liebste, das Stärkste
Das Schlimmste, das Wahrste, das Schwerste
ist unbeschreiblich, unbeschreiblich
Ich hab‘ es gesehen
Ich hab‘ es gesehen
Und es ist unbeschreiblich
Höhepunkt des Abends ist der Song „Unbeschreiblich“. Dieser umfasst alles was mensch mit Worten nicht ausdrücken kann, was mensch erlebt haben, gesehen haben muss. Wie zum Beispiel die Geburt der eigenen Kinder oder auch die Dankbarkeit der Menschen für den Transport von Milchpulver nach Aleppo. Unbeschreiblich. Dann ein kleiner Stimmungswechsel. Die Dorianer können auch fröhlich.
„Wo gehst du hin“ klingt nach Paul Simon´s „Graceland“ und „Das weiße Haus“ ist dann doch nicht politisch, wie mensch annehmen könnte sondern liefert Lebensfreude durch Neuanfang. Bei „Verlorene Kinder“ steht und singt der ganze Saal. Tolle Stimmung. Zum Schluss gibt’s noch eine Entschuldigung. Die Single-Auskopplung „Jeder meiner Fehler“ sprüht vor Optimismus. Standing Ovations. Das Radio Doria darf gerne wieder auf Sendung gehen.
Galerien (by Michael Lange bs! 2018):
Setlist:
- Abendlied
- Eigentlich
- 2 Seiten
- Geister
- Wie es nie war
- Nie egal
- Wir sind
- So schön
- Ein Lied für Nürnberg
- Nochmal zum ersten Mal
- Wo gehst Du hin
- Ein Halleluja
- Unbeschreiblich
- Das weiße Haus
- Sehnsucht Nr. 7
- Verlorene Kinder
Encore - Blutmond
- Jeder meiner Fehler
Links:
www.radio-doria.de
Veranstalter:
Hannover Concerts