Nach 50 Jahren im Showgeschäft war es Zeit für Kapitän Gary Brooker und seine Matrosen, endlich mal wieder vor Anker in Hannover zu gehen. Der letzte Auftritt ist schließlich schon 15 Jahre her. Anlass der Tournee ist das 50-jährige Bestandsjubiläum der englischen Band, sowie das zu diesem Anlass veröffentlichte Album 13. Studio-Album „Novum“.
Procol Harum – der Name hat nichts zu tun mit einem „Proktologen“, der seine Tätigkeit in einem Harem ausübt. Aus dem Lateinischen übersetzt, bedeutet der Name der 1967 von Gary Brooker und Keith Reid gegründeten Band so viel wie „Fern Vom Jetzt Und Hier“.
Fern vom Hier und Jetzt – dies ist eine gute Beschreibung für die oftmals stark verschlüsselten surrealen Texte der Gruppe:
Your multilingual business friend
Has packed her bags and fled
Leaving only ash-filled ashtrays
And the lipstick, unmade bed
(Homburg, Single 1967)
Procol Harum haben den idealen Ort für ihren Gig gewählt. Das Theater am Aegi ist logischerweise bequem bestuhlt und hat einen super Klang. Genau richtig für die 1000 Fans, die geradezu andächtig dem Progressive-Procol-Rock der Harum-Gang lauschen. Mitklatschen? Mitsingen? Eher nein. Hier wird still in sich gekehrt genossen.
Der 73jährige Brooker (Vocals/ Klavier) ist das einzig verbliebene Gründungsmitglied, welches den Namen und den einzigartigen Sound von Procol Harum bewahrt, nachdem die Gruppe am Ende der 70er Jahre aufgelöst und von Brooker 1991 neugegründet worden ist.
Seitdem erscheinen alle paar Jahre ein neues Studio Album sowie diverse Live Alben, in denen die Band von großen Orchestern und Chören begleitet wird.
Zur aktuellen Besetzung der Band gehören der Bassist Matt Pegg (Jethro Tull, Ian Brown), Drummer Geoff Dunn (Jimmy Page, Dave Stewart, Van Morrison), Gitarrist Geoff Whitehorn (Roger Chapman, Paul Rodgers, Roger Daltrey) und Hammondorgelspieler Josh Phillips (Pete Townsend, Midge Ure).
Auf ein Orchester – Procol Harum waren 1969 eine der ersten Gruppen, die ein vollständiges Orchester einsetzten – muss man an diesem Abend verzichten.
Die musikalische rückwärts gewandte Reise in die Vergangenheit beginnt mit „I Told On You“ aus dem aktuellen Album „Novum“ (2017) „Ich habe es dir erzählt“, so Mastermind Brooker. Und der Mann hat einiges zu erzählen. „Früher“, so Brooker,“hat man uns Flughäfen gebaut, Champagner und Kaviar serviert, und heutzutage gibt’s im Bus nur Cola und Currywurst. Aber wir sind trotzdem sehr glücklich, heute in Hannover zu sein“. Lacher im Publikum.
Der erste Teil des Konzerts gehört den etwas aktuelleren Liedern Nach einer Stunde ist erst mal (wohlverdiente) Pause. Man wird halt nicht jünger. Nach der Unterbrechung taucht mensch dann richtig ein in die Rockgeschichte.
Der PH-Wert steigt minütlich.
Die Band nimmt langsam Kurs auf Ihr Lied. „A Whiter Shade of Pale“ ist bekannt geworden als der Song den niemand versteht und der trotzdem von mehr als 700 anderen Künstlern gecovert wurde (u.a. Joe Cocker, Annie Lennox sowie die Ost-Rocker Puhdys):
Wir haben den lockeren Fandango* ausgelassen,
Und schlugen auf der Tanzfläche Rad.
Ich fühlte mich ein wenig seekrank,
Doch die Menge schrie nach mehr.
Dann kam der Laden immer mehr in Schwung,
Solange bis irgendwann das Dach wegflog.
Und als wir noch einen Drink bestellen wollten,
brachte der Kellner gleich ein ganzes Tablett.
(Übersetzung „A Whiter Shade of Pale 1967)
Auf der nautischen Kreuzfahrt werden alle wichtigen Häfen, insbesondere der Hamburger Hafen angelaufen. In „Homburg“ (zweite Single der Band 1967) geht es aber nicht um die beliebte Hansestadt, sondern um den Hut, der u.a. von Winston Churchill und Konrad Adenauer getragen wurde.
Procol Harum verdienen ihren Platz in der Geschichte sicherlich ihren ersten Singles sowie den ersten vier Alben. Trotzdem fügen sich die neuen Songs harmonisch in den Sound der Gruppe ein und hätten wohl auch schon vor 50 Jahren entstanden sein können. Dieser Verdienst gebührt Gary Brooker, dessen starke und sehr einprägsame Stimme nichts von ihrer Faszination eingebüßt hat.
We fired the gun, and burnt the mast, and rowed from ship to shore
The captain cried, we sailors wept: our tears were tears of joy
Now many moons and many junes have passed since we made land
A salty dog, this seaman’s log: your witness my own hand.
(A Salty Dog)
Ähnlich wie die Seeleute in „A Salty Dog“, die sich selbst den Mast wegschießen und niemals wieder Land betreten werden, wird wohl auch Gary Brooker seine musikalische Reise erst dann beenden, wenn er irgendwann tot von der Bühne kippt. Irgendwann – hoffentlich nicht in allzu naher Zukunft – wird dann im Radio dieser einzigartige Song mit dem tollen Orgel-Intro gespielt werden.
Ihr wisst schon welcher. Aber so weit ist es noch lange nicht. Heute bildet „A Whiter Shade of Pale” den krönenden Abschluss dieses Konzert-Genusses. Und siehe da, die Fans feiern ihre Heroen mit Standing Ovations. Was sonst?!
Galerien (by Michael Lange bs! 2018):
Setlist:
- I Told on You
- Bringing Home the Bacon
- An Old English Dream
- Can’t Say That
- Sunday Morning
- Pandora’s Box
- Simple Sister
- A Salty Dog
- Fires (Which Burnt Brightly)
- Shine On Brightly
- Homburg
- The Only
- Neighbour
- Grand Hotel
- Cerdes (Outside the Gates Of)
- Conquistador
Encore - A Whiter Shade of Pale
Links:
www.procolharum.com