Review: Glückliche Gesichter und klingelnde Ohren bei Pascow (30.03.2023, Bremen)

Eine gefühlte Ewigkeit war das Konzert von Pascow im Schlachthof bereits ausverkauft, kein Wunder, nach dem Albumrelease am 27.1.2023. Mit „Sieben“ knüpfen Pascow nahtlos an den Erfolg von „Jade“ an. Ohne große Überasschungen überzeugt die Platte mit gewohnt rauem, erwachsenem Ton und richtet sich damit gegen die typischen „Stadionmitsinghymnenentwicklungen“, die man häufig bei Punkbands diesen Kalibers beobachten kann. Bei Pascow weiß man, was man kriegt. Dementsprechend sieht auch das Publikum am Abend des 30.3. aus, als würde es die Band schon eine ganze Weile treu begleiten. Unzählige Shirts und Hoodies aus allen Phasen der Bandgeschichte säumen die Körper der schönen Menschen im schönen Schlachthof, aber es scheinen sich auch einige Neulinge in die Masse verirrt zu haben.

Mobina Galore (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Mit Mobina Galore eröffnet eine Band, die in Bremen längst eine kleine, stabile Fanbase aufgebaut hat, schließlich ist das Duo aus Winnipeg, Kanada beim bremischen Label Gunner Records unter Vertrag und hat schon den ein oder anderen Gig in der Hansestadt absolviert. Es verwundert also nicht, dass besonders in den ersten Reihen strahlende Gesichter textsicher Songs wie „Escape Plan“ oder „Whiskey Water“ mitsingen können. Sängerin und Gitarristin Jenna Priestner und Drummerin Marcia Hanson sind sichtlich angetan von dieser ja doch irgendwie besonderen Location und beteuern immer wieder, wie schön es ist, mit Pascow auf Tour gehen zu können. Diese ehrliche Begeisterung kauft man ihnen ab. Zwar ist der Sound nicht ganz so krachend, wie der von Pascow, dennoch haben es Mobina Galore in sich und wickeln mit ihrem amerikanischen Punk Rock Sound schnell den bereits sehr vollen Laden um den Finger. Den beiden wird ein angenehm langes Set zugestanden, bevor es in die Umbaupaus geht. Gern mehr davon. Gern öfter. Da steht einer Bremer Ehrenbügerinnenschaft doch eigentlich auch nix mehr im Weg, oder?

Pascow (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Pascow krachen im Anschluss direkt mit dem Opener „Himmelhunde“ der jüngsten Platte in den Schlachthof. Es brummt, wummert, scheppert. Das Publikum vor der Bühne wird binnen Sekunden zu einer wogenden, wilden, glücklichen, verschwitzten und dennoch rücksichtsvollen Masse, während die Gäste auf den Rängen nur neidisch zuschauen können – der einzige Nachteil des wirklich schönen Schlachthofs ist, dass der Platz zum Tanzen echt begrenzt ist. Aber gut, wir sind ja auch alle schon etwas älter und die Knochen vielleicht nicht mehr das, was sie mal waren. Ein Witz, den sich auch die Gebrüder Pascow liebevoll auf der Bühne hin und herwerfen. Dass die Band nunmehr 25 Jahre Geschichte auf den Buckel hat, ist nicht zu merken. Die vier Musiker aus Gimweiler samt Gastsängerin Clara Krum, die allein an der Akustikgitarre mit „Wunderkind“ verzaubert, stecken voller Energie.

Schließlich ist das hier Punkrock!

Pascow (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)
Pascow (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Klar sitzt nicht immer jeder Ton, aber schließlich ist das hier auch Punkrock! Dem Publikum könnte es nicht egaler sein. Und die wichtigen Botschaften der Songs, die leider noch immer nicht an Relevanz verloren haben, kommen auch nen Halbton tiefer oder höher rüber – schließlich ist’s an diesem Abend mehr als laut genug. Die neuen Stücke von „Sieben“, welche größtenteils in die Setlist verwoben sind, werden genauso energetisch gefeiert wie die Klassiker und man kann davon ausgehen, dass wirklich starke Nummern wie „Mailand“, „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ oder „Von unten nichts Neues“ auch in Zukunft ihren Platz neben „Silberblick und Scherenhände“, „Mila“ oder „Castle Rock“ auf der Setlist der Band finden werden.

Auch das Against Me Cover von „White People For Peace” kommt gut an und schließt irgendwie den Kreis, denn nicht wenige Menschen im Saal dürften Mobina Galore durch Laura Jane Grace auf ihrer letzten Deutschlandtour kennengelernt haben.

Schön, schön. Und nach dem Konzert? „Trampen nach Norden, ihr Ficker“

Galerien (by Thea Drexhage bs! 2023):
Mobina Galore
Pascow

Setlist Mobina Galore (unvollständig):

Mobina Galore (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)
  1. Start All Over
  2. Spend My Day
  3. California
  4. Fade Away
  5. Whiskey Water
  6. Escape Plan
  7. Dig Myself Out
  8. ?
  9. Pieces Of You
  10. You’re Not 23 Anymore
  11. Oh, Irene
  12. Skeletons

Setlist Pascow:

Pascow (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)
  1. Himmelhunde
  2. Jade
  3. Die Realität ist schuld, dass ich so bin
  4. Königreiche im Winter
  5. Wenn Mila schläft
  6. Monde
  7. Diene der Party
  8. Herz
  9. Merkel-Jugend
  10. Tom Blankenship
  11. Im Raumanzug
  12. Kriegerin
  13. Mailand
  14. Castle Rock
  15. Äthiopien die Bombe
  16. 14 Colakracher
  17. Paris fällt
  18. Wunderkind
  19. Mond über Moskau
  20. Gottes Werk und Teufels Beitrag
  21. Silberblick & Scherenhände
  22. Too doof too fuck
    Encore:
  23. Von unten nichts Neues
  24. White People for Peace (Against Me! cover)
  25. Spraypaint the Walls (Cüntsler cover)
  26. Trampen nach Norden

    Links:
    Pascow
    Mobina Galore

    Veranstalter:
    KKT
    Kulturzentrum Lagerhaus
Thea Drexhage
Thea Drexhagehttps://www.be-subjective.de
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.

Weitere Artikel

Ähnliche Beiträge

Preview: Das kann nur heiß werden – Enter Shikari auf Clubtour (2024)

Nach vier erfolgreichen Shows im Frühjahr kommt die Band...

Review: Nachholbedarf – Die Beatsteaks im Pier2 (16.11.2024, Bremen)

Was lange währt wird endlich gut. Die Beatsteaks haben...

Review: Energy Match – Tigrrez Punch & Kafvka (15.11.2024, Bremen)

Doch ein bisschen linksradikal – und das ist auch...

Preview: Jetzt erst recht – Kafvka auf Tour (2024)

Die Band Kafvka aus Berlin ist bekannt dafür, keine...