Beim Betreten des beeindruckenden großen Saals der Elbphilharmonie kommt man schon vorm Konzert ins Staunen. Ólafur Arnalds ist auch begeistert von der Location. Der Isländer fühle sich bei dem Anblick „kind of trippy“, als habe er LSD genommen. Sie scheint perfekt für ein Konzert von ihm. Die Akustik im großen Saal ist beeindruckend. Man hat das Gefühl als würde jeder Ton und jedes Geräusch mehr hervorstechen und einen größeren Effekt haben als normalerweise. Im Publikum regt man sich kaum, um diese Stille und die sanften, wabernden Klänge der Musiker nicht zu stören und den Songs des neuen Albums „some kind of peace“ zu lauschen.
Schon beim Support-Act der isländischen Sängerin und Songwriterin Jófríður Ákadóttir alias JFDR ist diese Stille besonders wichtig. Ihre Lieder sind ruhig. Ihr Gesang ist melancholisch und wirkt verletzlich. Man fühlt sich an Björk und Sigur Rós erinnert. Ihre Musik ist sehr persönlich. Den ersten Song hat für ihre Schwester in einer schweren Zeit geschrieben. Mal spielt Jófríður Gitarre, mal Klavier. Falls man zuvor noch angespannt und hektisch war, war man spätestens nach dem letzten Song zur Ruhe gekommen. Die absolute Stille des Publikums fällt auch ihr auf: „Thank you for your respect and silence.“
Nach einer kurzen Pause betritt zunächst Ólafur Arnals die Bühne, danach die weiteren fünf Musiker*Innen. Sie begleiten ihn auf Bratsche, Violine, Cello und Schlagzeug. Ólafur selbst sitzt die meiste Zeit am Flügel und Synthesizer. Es fängt mit sphärischen Klängen an, die Streicher setzen ein und Ólafur beginnt mit seinem gefühlvollen Klavierspiel. Songs wie dieser werden die nächsten zwei Stunden prägen.
Etwas Besonderes ist an diesem Abend die Begleitung von zwei selbstspielenden und eigens programmierten Stratus-Klavieren. Sie werden durch das von Ólafur gespielte Klavier angetrieben und generieren jedes Mal andere Harmonien und Melodien. Der Multiinstrumentalist erzeugt mit seinen Kompositionen besondere Stimmungen. Sie erinnern an impressionistische Bilder. Fließend, repetitiv und mehr auf die Atmosphäre bedacht als klare, harte Linien zu zeichnen. Oft beginnen die Songs ruhig. Der 35-jährige erzeugt sich langsam entwickelnde Steigerungen der Intensität. Ganz langsam verwandeln sich Songs von sehr minimalistischen, sanften Tönen zu einem energiegeladenen Klanggefüge mit einer Fülle an Instrumenten und dominanter werdendem Rhythmus. Perfekt darauf abgestimmt ist auch die Lichtshow. Die immer unterschiedliche Beleuchtung spiegelt die Musik wider. Mal eher minimalistisch, fließend, mal rhythmisch und mal aufgeregter und fast schon überladen, mal eher in kalten Farben und mal warm. Es gelingt so
die Atmosphäre auch optisch aufzugreifen.
Alle Songs sind, bis auf eine Ausnahme, rein instrumentell. Beim fünften Lied kommt Jófríður wieder auf die Bühne und singt zu Arnalds Lied „Back tot he Sky“. Ihr Gesang und Ólafurs Kompositionen harmonieren sehr gut. Das Lied handelt vom Verlust eines geliebten Menschen.
„What do I do with the
Void in your shape
Leaving me frailty
A drop and I break”
Zwischendurch gibt sich Ólafur gesprächig und humorvoll. Er erzählt persönliche Geschichten zu den Songs, involviert das Publikum, indem er ein von den Zuschauer*Innen gesungenen Ton in einem seiner Lieder verwebt, und öffnet sich dazu, wie seltsam es für ihn war unter Corona-Bedingungen ein neues Album zu veröffentlichen. Ein Stück sei nicht fertig, wenn es noch kein Publikum live gehört habe. Es sei nur der halbe Weg die Songs zu schreiben, aufzunehmen und zu veröffentlichen. Gemeinschaft sei der Grund, warum er Musik mache. Dementsprechend groß ist seine Dankbarkeit heute hier sein zu können.
„This is what music is about. Community.”
Besonders persönlich wird er beim letzten Song. Diesen hat er am Todestag seiner Oma für sie geschrieben. Sie sei der Mensch, der ihn zur Musik geführt habe. Zusammen haben sie oft Pfannkuchen gegessen und dabei stundenlang Chopin gehört. Allein auf der Bühne spielt Ólafur am Klavier. Später dann setzen die Streicher ein. Jedoch statt dieses Mal auf der Bühne, stehen sie fast ganz oben hinter dem Publikum, im Ausgang. Während sie einige Harmonien wiederholen, gehen sie ganz langsam, Schritt für Schritt nach draußen und entfernen sich immer weiter vom Konzertsaal. So entsteht ein beeindruckender Fading-Effekt.
Das Publikum spricht sehr unterschiedlich auf die Musik an. Einige Zuschauer*innen gehen während des Konzertes mitten in der Vorstellung. Von den anderen wiederum, gibt es vor der Zugabe und ganz zum Schluss Standing Ovations und Jubel. Wieder andere sind vielleicht recht angetan, aber haben mit Müdigkeit zu kämpfen. Tatsächlich hat die Musik einen beruhigenden Effekt und ist recht repetitiv und meditativ. Vielleicht problematisch, wenn man nicht absolut ausgeschlafen zum Konzert gekommen ist. Aber ist eine gewisse Schläfrigkeit nicht auch „some kind of peace“?
Text: Johanna Stelling
Galerien (by Jörg-Martin Schulze bs! 2022):
Òlafur Arnalds
Setlist Ólafur Arnalds:
- Loom
- brot
- Only the Winds
- Back to The Sky
- Still/ Sound
- Beth’s Theme
- Spiral
- Woven Song
- Momentary/ Saman
- Hapiness Does Not Wait
- Ypsilon
- Undir
- Ekki Hugsa
- Nyepi
- Doria
- We Contain Multitudes
Encore - Near Light
Lag furir ömmu
Links:
JFDR
Ólafur Arnalds