Auch die Götter des Symphonic Metal Nightwish mussten ihre Tour zu ihrem 2020 erschienenen Album “Human. :II: Nature.” mehrfach verschieben. Doch was lange währt, wird gut! Überschattet wurde die Tour mit der Nachricht, dass Sängerin Floor Jansen vor einigen Wochen an Brustkrebs erkrankt ist. Die OP hat sie bereits erfolgreich hinter sich und die Prognose ist sehr gut.
Bereits seit 1996 treiben die Finnen schon ihr “Unwesen”. Was vor 26 Jahren am Lagerfeuer begann, mündete schon vor vielen Jahren in den großen Arenen und Stadien dieser Welt. Mehrere Platz 1 Alben im Laufe ihrer Karriere bestätigen dem sympathischen Sextett, dass sie jede Menge richtig machen.
Und so sammeln sich an diesem eisigkalten Dienstagabend bei gefühlten minus 20 Grad Celsius mehr als 7000 Fans – nicht nur der ersten Stunde – vor der Quarterback Immobilien Arena in Leipzig: Auch die junge Generation rückt nach. Chapeau! Wer früher mit seinen Eltern Alice Cooper oder Deep Purple hören durfte und so frühkindlich musikalisch positiv geprägt wurde, bekommt heute die Musik von Nightwish vorgespielt. Auch sind die Leipziger Arena und Nightwish schon alte Bekannte – 2018 spielten die Finnen mit ihrer niederländischen Front-Amazone Floor Jansen das letzte Mal im Rahmen ihrer “Decades” Tour hier.
Zeit für die Hebammen des Verderbens
Wer sich schon immer mal gefragt hat, wie sich die musikalische Vereinigung von Metal mit Techno und finnisch-englischen Texten anhört und wie das vor allem aussieht, hat gute Karten mit Turmion Kätilöt – die Hebammen des Verderbens! Der Name ist eine harte Ansage, wer hier Geburtshelfer*innen erwartet, liegt komplett daneben. Stilistisch passend sind die sechs Bandmitglieder schaurig-schön angemalt und in dem Outfit definitiv nicht der Partner, den man seinen Schwiegereltern vorstellen sollte. An ihrem Erfolg in den finnischen Charts gemessen, sind sie mit mehreren Platz 1 Alben aber definitiv ein guter Fang. Bei Turmion Kätilöt wird nicht lange gefackelt. Bass und Gitarre schrammeln durch die Boxen und bringen Headbanger an Headbanger. Die beiden Sänger Petja und Saku posieren böse miteinander und haben sichtlich Freude dabei. Nach knappen 20 Minuten ist schon wieder Schluss, das Publikum ist zufrieden und aufgewärmt.
Nach einer minimalistischen Umbaupause stürmen Beast In Black in hohen Tönen und mit Geschrei die Bühne. Schon wieder Finnen, man müsste meinen, hier ist ein Nest! Zum Glück ist Finnland für die Vielzahl und Qualität seiner Metalbands berühmt. Beast In Black sind auch kein unbeschriebenes Blatt in der Metalszene. Besonders im Vorprogramm von Nightwish sind die Fünf ein gern und viel gesehener Gast. So hatte die Band 2015 ihren ersten Auftritt überhaupt als Support auf der damaligen “Endless Forms Most Beautiful” Tour. Beast in Black kann man ganz gut in einem Wort beschreiben: Kraftvoll. Die Band sprudelt nur so vor Energie, ist sich für kein powermetaliges Posing zu schade. Sänger Anton Kabanen fordert stetig die ganz hohen Töne heraus und gewinnt. Kollektiv wird geheadbangt, Gitarren und Bass rhythmisch zusammen bewegt. Drummer Atte wirft beim Trommeln leicht die Sticks nach oben, als wär’s nichts. Dabei lächelt er verwegen. Wer hat, der kann.
Endless noise
Etwas länger dauert dann der Umbau, um die Bühne startklar für Nightwish zu machen. Pünktlich um 20:45 Uhr ist es dann soweit. Getrieben vom Intro des aktuellen Albums lodern im Takt bereits die ersten Pyros, der Spannungsbogen ist gezogen. Mit einem großen Knall fällt schließlich der große Banner vor der Bühne, Nightwish und stehen da und machen mit “Noise” gleich gewaltig Stimmung. Das Leipziger Publikum hat auch keine Sekunde Bedenkzeit und feiert ihre Helden des Abends bereits ab der ersten Sekunde.
Es folgt ein gut durchmischtes, fast zweistündiges Programm aus den aktuelleren Alben. Besonders die ausgewählten Titel von “Human. :II: Nature.” zeichnen sich durch ihre bombastische Live-Performance aus. Vor allem “Tribal” hält niemanden auf den Fuß- oder Stuhlsohlen. Im Takt feuern die Flammen in die Luft und erhellen die Halle, die Band headbangt, das Publikum ebenso. Auch wenn das neue Album viel zu lange warten musste, um live präsentiert zu werden, ist eins sicher: Das Warten hat sich gelohnt.
Zeit für den Sing-Along
Ein wahres Highlight ist “Shoemaker” – der „einfache“ Sing-Along Song, wie Sängerin Floor Jansen scherzt. Warum? Nicht nur, dass der Track unglaublich viel Text hat, auch der Klimax des Songs im etwa letzten Drittel hat es in sich. Unklar, in welchem Oktavbereich Floor diesen Song ins Mikrofon schmettert, als wäre es ein Leichtes. Aber fest steht: Sie kann es und jede Note sitzt perfekt. Einfach nur Wow. Trotzdem nicht ausgeschlossen, dass der Song fanseitig sehr gern mitgesungen wird – textsicher ist das Leipziger Publikum auf jeden Fall.
Schön ist auch das kleine Akustik-Set mittendrin – die einzige Stelle des Abends, an der man mal nicht Headbangen kann. Aber etwas Energietanken muss auch sein. Nebenbei hat es etwas hypnotisches Sängerin Floor zusammen mit Troy Donockley allein auf dieser großen Bühne zu sehen. “Our Decades In The Sun” hat heute seine zweiten Live-Auftritt überhaupt. Umso schöner, dabei sein zu dürfen.
The greatest show on earth
Natürlich dürfen auch ältere Stücke aus 26 Jahren Nightwish Geschichte nicht fehlen. Ein Konzert ohne “Ghost Love Score”, ein 10-minütiger musikalischer Epos vom Album “Once”, wäre ein Grund für einen internen Fanaufstand. Für einen solchen gibt es heute Abend zum Glück keinen Grund. Auch die Hitsingle „Nemo“ findet ihren Platz und weckt Erinnerungen an das Nightwish Konzert der Once Tour im Haus Auensee im Jahre 2004, als bei diesem Song in spektakulärer Art echter Regen von der Bühne kam. Echten Regen gibt es leider nicht mehr, dafür erleuchten riesige LED Leinwände mit Live-Mitschnitten und Video Snippets die Bühne im Hintergrund. Zum krönenden Abschluss gibt’s mit “The Greatest Show On Earth” noch ein weiteres Live-Spektakel der ganz besonderen Sorte. Die Evolution der Menschheit beschreibend, mausert sich der Track wie ein eigener Soundtrack über 15 Minuten von Szene zu Szene, bevor dieser absolut wunderbare Konzertabend endet.
Galerien (by Kristin Hofmann bs! 2022)
Nightwish (13.12.2022, Leipzig)
Beast In Black (13.12.2022, Leipzig)
Turmion Kätilöt (13.12.2022, Leipzig)
Setlist Nightwish
- Music (Drums Intro)
- Noise
- Storytime
- Tribal
- Élan
- 7 Days To The Wolves
- Dark Chest Of Wonders
- Harvest
- I Want My Tears Back
- Sahara
- Our Decades In The Sun (Acoustic Set Floor & Troy(
- Nemo
- Shoemaker
- Last Ride Of The Day
- Ghost Love Score
- The Greatest Show On Earth
- All the Works of Nature Which Adorn the World: Ⅷ. Ad Astra
Links:
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Contra Promotion