Seit über 20 Jahren macht die finnische Symphonic-Metal-Band Nightwish genau das, was sie am besten kann: Musik. Mit ihrem unverwechselbaren Mix aus harten Riffs, feinen Melodien, unermesslicher Dynamik, traditionellen Elementen und Gesang haben Mastermind Tuomas Holopainen (Keyboard), Marco Hietala (Gesang & Bass), Emppu Vuorinen (Gitarre), Floor Jansen (Gesang) und Kai Hahto (Schlagzeug) die Szene maßgeblich geprägt. Egal ob verträumt, wütend, verliebt oder traurig: Nightwish haben viele Facetten. Ihre aktuelle Veröffentlichung heißt “Decades” und sammelt gut ausgewählt und neu gemischt Highlights aus mehr als 20 Jahren Bandgeschichte.
Once I had a dream… and this is it: Nightwish
Um nicht “nur” auf einer Art Best-Of in die Vergangenheit zu reisen, reisen Nightwish gerade quer durch Europa, um alte, gefeierte und vielleicht schon vergessene, sowie neue Hits zu präsentieren. Und so machen sie auch Halt in der Arena Leipzig, die bereits gegen 17 Uhr von zwei Seiten mit endlos scheinenden Menschenschlangen belagert wird. Doch ganz behutsam geht die Einlassprozedur von statten. Die Sitzränge der Arena sind vollkommen ausgelastet. Im Innenraum hat man auch als stehender Gast von fast jeder Position aus eine gute Sicht. Auch dank der zwei großen Displays links und rechts von der Bühne, die mit Live-Aufnahmen versorgt werden, entgeht dem Publikum, egal ob jung oder alt, zum Glück nichts. Denn eins sei vorweg gesagt: Absolut jeder Moment dieses Abends ist wertvoll.
Good evening, Leipzigians
Ganz (über-)pünktlich beginnen Nightwish ihren zauberhaften Abend. Zum Intro gesellt sich Troy Donockley auf die Bühne, der mit seiner instrumentalen Interpretation von “Swanheart” ein Lächeln in jedes Gesicht zaubert. Doch die Ruhe kommt bekanntlich vor dem Sturm. Und so werden die zarten traditionellen Klänge von Donockleys Pipes von den harten Riffs von “Dark Chest Of Wonders” abrupt abgelöst. Nightwish sind da, es kann losgehen. Mit gewaltiger Pyrotechnik begrüßt die gut gelaunte Band mit “Good evening, Leipzigians” ihr euphorisches Publikum. Sängerin Floor Jansen schwebt bestimmend wie eine grazile Amazone über die Bühne und bezaubert alle sofort. Im Hintergrund laufen auf einer riesigen Leinwand passende Videoausschnitte und Animationen, die zusammen mit der wahnsinnigen Lichtinstallation ein wahrhaftiges Erlebnis bieten.
“Come, taste the wine, race the blind”
Einen ersten kleinen Sprung in die Vergangenheit gibt es gleich zu Beginn: “10th Man Down” von der sehr erfolgreichen EP “Over The Hills And Far Away” hat es nach 15 Jahren wieder in die Setlist geschafft. Fast überwältigt erleben alle Fans diesen Song, der von ergreifenden Animationen auf der großen Leinwand hinter der Band begleitet wird. Mit “Èlan” wird die Songtextlage wieder verträumter und fröhlicher. Die Leipzigians müssen unter der Regie von der gut gelaunten Floor zum ersten Mal Stimmgewalt beweisen und meistern ihren ersten Auftritt an diesem Abend mit Bravour.
Mit Liebe und Sorgfalt ausgewählt: Decades
Nightwish haben die Lieder für ihre Tour wohl überlegt und sorgfältig ausgesucht. Es gibt einen wunderbaren Querschnitt aus acht Alben und EPs zu hören. Liebe trifft Hass, Trauer auf Freude, Wut auf Vergebung. Mit jedem Lied kann man sich in eine Zeit zurückversetzen. Euphorisch und bereitwillig tanzt das Publikum kleine oder auch große Kreise, alleine oder zu weit, liegt sich in den Armen oder wünscht sich in welche. Tränen, die fließen werden beim Headbangen wieder getrocknet.
So much to live for, so much to die for
If only my heart had a home
Ein wahres Highlight ist die emotionale Ballade “Dead Boy’s Poem” vom sensationellen Album “Wishmaster” (2000). Nightwish transportieren so viel Gefühl mit diesem Lied, dass es wirklich niemanden kalt lässt. Ob nun im Inneren oder von Außen.
I want my tears back right now!
Traditioneller geht es bei “Sacrament Of Wilderness” oder auch “Elvenpath” zu. Diese Lieder erinnern an die Anfänge von Nightwish, die damals noch nicht von großen Orchestern begleitet wurden. Spaß machen diese Lieder auf alle Fälle und so tanzt die Arena im Takt mit. Zu “I Want My Tears Back” gibt es obendrauf noch ein hervorragendes Solo von Gitarrist Emppu und Troy, so dass keiner mehr auf Rang oder im Saal sitzen oder stehen bleiben kann.
Apropos Anfänge: Fast 20 Jahre musste die erste Nightwish-Single überhaupt auf ihren Wiedereinsatz warten: “The Carpenter” rundet die Zeitreise wunderbar ab und es ist schön zu hören, wie die Band einmal angefangen hat: mit Gitarre am Lagerfeuer. Auch ist es schön zu sehen, wie viele der anwesenden Fans dieses Lied kennen: sehr sehr viele! Statt Keyboarder Tuomas greift hier Troy ans Mikrofon und ergänzt sich zusammen mit Floor phänomenal.
Nightwish – The greatest show on earth
Das große Finale beginnt mit dem äußerst gewaltigen musikalischen Epos “The Greatest Show On Earth”. Wer denkt, dass ein 22 minütiger Song schnell langweilig werden kann, der irrt an dieser Stelle gewaltig. “The Greatest Show on Earth” arbeitet sich in seinen Teilen immer mehr nach vorne und gewinnt beharrlich “an Masse” und an Energie. Die vielen Animationen und Videos im Hintergrund ergänzen das fantastisch und so fühlt man sich für einen kurzen Moment wie im Weltall oder im Labor von Darwin.
Nach dieser fantastischen Inszenierung endet das große Finale und der wunderschöne Abend mit der atemberaubenden cinematischen Ballade “Ghost Love Score”, die alles vereint, was Nightwish ausmacht: Emotion, Feingefühl, Härte, Dynamik und Verspieltheit.
Nach zwei Stunden ist die wahnsinnig schöne Show von Nightwish zu Ende. Doch eins bleibt: Die Gänsehaut. Denn:
We were here!
Galerie (by Kristin Hofmann bs! 2018):
Setlist Nightwish:
- Intro + Swanheart
- Dark Chest Of Wonders
- Wish I Had An Angel
- Come Cover Me
- Gethsemane
- Èlan
- Sacrament Of Wilderness
- Dead Boy`s Poem
- Elvenjig + Elvenpath
- I Want My Tears Back
- Last Ride Of The Day
- The Carpenter
- The Kinslayer
- Devil & The Deep Dark Ocean
- Nemo
- Slaying The Dreamer
- The Greatest Show On Earth
- Ghost Love Score
Links:
Nightwish
Veranstalter:
Vielen Dank an Mawi Concert