Von Menschen die aus Hannover stammen, sagt man, dass sie das Hochdeutscheste Hochdeutsch der Republik sprechen. Die versteht jeder, von Flensburg bis Oberstdorf. Doch in Deutschland gibt es auch ungefähr 20 Dialekte. Das sind Varietäten der deutschen Sprache, die nur in bestimmten Regionen verwendet werden. Wenn diese Menschen mit ihrem Dialekt loslegen, dann versteht man als Hochdeutscher nix, aber auch gar nix. „Hä, was willst du?“ Das ist dann wie eine Fremdsprache.
Von einer Band, die sich entscheidet in ihrem Dialekt zu singen, kann mensch eigentlich nur den Hut ziehen. Es liegt auf der Hand, dass diese Band wahrscheinlich nur regional auftreten kann, weil sie nur hier verstanden wird. Tourneen durch die Republik kommen dann eher nicht in Frage, weil die Texte ja eh keiner versteht. Für BAP stand immer schon fest, wir kommen aus Köln, wir sprechen Kölsch, wir machen Kölsch-Rock. Klare Kante und ein Bekenntnis zur Heimat. Respekt für diesen Mut.
Und wieder einmal bewahrheitet sich: Qualität setzt sich durch. Und das seit 1976 und nicht nur regional, sondern deutschlandweit und auch international. BAP ist Wolfgang Niedecken. Wolfgang Niedecken ist BAP. Er ist der Vater des anhaltenden Erfolgs und auch Namensgeber. „BAPP“, so nannte Niedecken seinen Vater (auf Deutsch sowas wie Papa). Wie der Vater so der Sohn. Niedecken übernahm den Spitznamen und da BAPP auf der Bassdrum nicht gut aussieht, wurde BAP daraus. So einfach ist das manchmal.
Dä Schuhß ess fruchtbar noch,
Uss däm die Nazibrut russkroch.
Jetzt jilt et: Arsch huh, Zäng ussenander!
Jetz, nit nähxte Woch!
An der Abendkasse der Swiss Life Hall steht der Ablaufplan der Show: Beginn 20:00 Uhr, Ende des Konzerts um 23:20 Uhr. Seid ihr irre? Das sind 3 Stunden 20 Minuten und das Ganze ist ein Sitzkonzert. Also nix mit Tanzen und Tralala. Okay, die Musik ist top, aber die Texte. Da verstehste nix. Wird mensch hier gut unterhalten? Keine Panik. Papa Wolle macht das schon. Zu jedem Song gibt’s ein paar einleitende Worte auf fast Hochdeutsch, Geschichten, Anekdoten, Aufrufe. Der Mann hat viel erlebt. Er erzählt von seiner Kindheit, als er als Knirps eine Mutprobe unter einer Eisenbahnbrücke bestehen musste, wie er seine erste Gitarre bekam oder wie seine Söhne ein Aftershow-Foto mit den Ramones machen durften. Witzig ist die Geschichte von seinem Solo-Album, das er in New Orleans aufnahm.
Um das Feeling der Gegend aufzusaugen, war er auch bei einem Ehepaar in einem kleinen Ort in der Nähe. Dort kam Niedecken mit dem Mann ins Gespräch. Der erzählte, das hier schon öfter Rockstars waren und mit ihm eine durchgezogen haben. Neugierig fragte Niedecken nach: „Wer war denn das?“ Der Mann wusste es nicht und fragt seine Frau: „Du Frau, wer war das nochmal?“ Trocken die Antwort der Frau: „Paul Mc Cartney hieß der Typ“. Die 1700 Fans in der Swiss Life Hall hängen an Niedeckens Lippen und dieser sonoren, warmen Stimme. Diese weist auch auf sein persönlich initiiertes Hilfsprojekt in Afrika hin. Das zu erwähnen ist ihm sehrt wichtig, aber ihm wurde auch aufgetragen heute nicht so viel zu erzählen. Ist ja schließlich ein Konzert.
Der Schoß ist fruchtbar noch,
Aus dem die Nazibrut rauskroch.
Jetzt gilt es: Arsch hoch, Zähne auseinander!
Jetzt, nicht nächste Woche!
In 42 Jahren Bandgeschichte hat sich einiges an Musik gesammelt. Niedeckens BAP greift einmal die große Kiste, gut durchmischen und schon hat man ein Best of BAP.
Neben den Klassikern wie, „Do kanns zaubere“, „Nemm mich met“ „Kristallnaach“ oder „Verdamp lang her“ gibt’s auch Songs aus dem jüngsten Solowerk „Reinrassije Strooßekööter“. Beim Sound hat Niedecken einiges geändert. Nicht nur rockig. Es geht auch anders. Es geht mehr. Durch die Hinzunahme von einem dreiköpfigen Bläsersatz, nämlich dem von der „Sing meinen Song-Band“, gewinnt BAP an zusätzlich an Qualität. Die Songs sind anders, frischer, vielfältiger und haben durchaus den nötigen Druck wie bei „Nemm mich met“. BAP ist eine reine Kerle-Band, wenn da nicht Quotenfrau Anne de Wolff wäre. Sie ist neben den zahlreichen Einspielfilmen, der geschmackvollen Bühne (sogar mit Show-Treppe) der Hingucker des Abends. Die Frau kann alles: Geige, Akkordeon und auch Waschbrett. Bereits bei den Unplugged-Konzerten der Hannover-Furys war sie mit dabei. Und die Fury-Jungs haben wohl Sehnsucht nach ihr, sitzen sie doch im Publikum.
Niedeckens BAP entführen alle von der Kölner Südstadt in die Südstaaten. Mal Rock, mal Reggae, mal Cajun. Texte mit Niveau, Tiefgang, einer Aussage. Sozialkritisch. Politisch. Authentisch. Und hin und wieder auch nur so zum Spaß wie im „Waschsalon“. Nach zwei Zugabenblöcken fragt mensch sich: „Waren das jetzt wirklich 200 Minuten mit BAP? Der Abend war so kurzweilig wie nur was. „Es war uns ein Fest“, so Niedeckens Dank an die Fans. Das stimmt nicht. Es war mehr als das. So jetzt aber fix nach Hause. Auf der BAP-Intenetseite gibt es eine Übersetzung der Texte ins Hochdeutsche. Da erfährt man dann alles über die „Ruut-wieß-blau querjestriefte Frau“, „Arsch huh, Zäng ussenander“ oder „Deshalv spill mer he“.Und alle Fragezeichen lösen sich in Luft auf. „Ach darum ging es in dem Lied.!!“ Großartig.“
Galerien (by Michael Lange bs! 2018):
Setlist:
- Drei Wünsch frei
- Waschsalon
- Psycho-Rodeo
- Diss Naach ess alles drin
- Deshalv spill mer he
- Reinrassije Strooßekööter (Wolfgang Niedecken song)
- Chippendale Desch
- Et ess, wie’t ess
- Bahnhofskino
- Jupp
- Frau, ich freu mich
- Dausende vun Liebesleeder
- Weißte noch?
- Anna
- Wie schön dat wöhr
- Do kanns zaubere
- Nemm mich met
- Absurdistan
- Vision von Europa
- Kristallnaach
- Arsch huh, Zäng ussenander
Encore - Ruut-wieß-blau querjestriefte Frau
- Nix wie bessher
- Jebootsdaachspogo
- Aff un zo
Encore 2 - Stell dir vüür
- Verdamp lang her
- Jraaduss
Links:
www.bap.de