Endlich, endlich, endlich wieder Muff Potter!
Dem Norddeutschen wird in der Regel nachgesagt, nicht der Gesprächigste zu sein. Im Prinzip reicht ein herzliches „Moin!“ aus, um alle wichtigen Angelegenheiten zu klären. Das scheint sich allerdings nicht wirklich im Hamburger Publikum rumgesprochen zu haben, denn als Support Felix Gebhard mit seiner Gitarre loslegt, ist das Gequassel in der Menge überwältigend. Man sollte doch annehmen, dass Konzerte im Allgemeinen schon Scheißlocations für tiefgehende Gespräche sind und selbst wenn, gehört es doch immerhin zum Guten Ton, auch dem Support Act für ein Paar Minuten ein Ohr zu schenken.
Gebhard, der als Gründungsmitglied der Hansen Band in Hamburg kein Fremder sein dürfte, wird völlig von der Masse übertönt. Erst, als einige Muff Potter Mitglieder sein experimentelles Gitarrenspiel mit Schlagzeug und Bass unterstützen, erreicht sein Sound eine Dynamik, die das Publikum entweder übertönt, oder verstummen lässt. So bekommt Gebhard doch noch die Aufmerksamkeit, die er verdient. Wer den Anfang verpasst hat, ist eben selbst schuld.
Dass das Publikum auch sinnvoll mit seinen Stimmbändern umgehen kann, zeigt sich sofort, als die sehnlich vermissten Muff Potter endlich auf die Bühne kommen. Der Jubel ist ohrenbetäubend, die Songtexte sitzen vom ersten bis zum letzten Song. So, und nicht anders sollte es sein, liebe Hamburger und Hamburgerinnen.
„Die letzten Worte sind längst verhallt.
Die letzten Türen wurden geknallt.
Hast du dich jetzt versteckt oder nur verirrt?“
Die Band macht den Anschein, als wären die letzten Jahre Pause nie gewesen.
Jede Nummer funktioniert, und die Gäste? – Vermutlich die gleichen wie damals – tanzen, pogen (vorbildlich rücksichtsvoll) und singen sich die Seele aus dem Leib.
Die Freude über die Rückkehr von Muff Potter war bereits beim Kartenvorverkauf ersichtlich.
Jedes Konzert auf der Tour war nach kürzester Zeit ausverkauft. Nachdem sich die Reunion im Sommer beim kleinen „Jamel rockt den Förster“- Festival ankündigte, war die Spannung groß und das Warten auf die Konzerttermine fast unerträglich. Als nun all diese Anspannung von den BesucherInnen abfällt, fällt auf, dass es keine neuen Songs gibt und auch von keinen die Rede ist. Die Setlist zieht sich durch die vergangenen Alben und zitiert die „Bordsteinkantengeschichten“ ebenso wie die „Gute Aussicht“.
„Jeder Liebe ihr’n Erfinder. Jeder Revolution die Kinder.
Jedem Richter sein Gesetz. Jeder Szene ihr Geschwätz.“
Bei „Das sehe ich erst wenn ich’s glaube“ vereinen die Hamburger
Quasselstrippen ihre Kehlen zum Dauerchor. „Es gibt kein gutes Leben ohne
Blasphemie“ immer und immer wieder. Die Band ist gerührt, der Pogo macht Pause,
die aufmerksamen Securities finden ein paar Momente zum Luftholen, bis es mit der
großartigen Darbietung von „Die Guten“ weitergeht.
Die obligatorische Zugabenpause ist lächerlich kurz und reicht somit gerademal für einen langen Atemzug. „Alles war schön und nichts tat weh“ gibt dem Publikum noch ein paar Minuten die Chance die geschundenen Gliedmaßen auszuruhen, aber dann gibt es da ja noch das „Das frozen man syndrom“ und natürlich „Alles nur geklaut“.
„Was wirkt wie eine wilde Sause
ist nur die Suche nach einem zu Hause.
Es gibt schlechte Noten für gutes Betragen,
wir können auch ohne Spaß Alkohol haben!“
Crowdsurfer tauchen auf, PogotänzerInnen fallen um. Es wird noch einmal wild, da hilft auch der sichere Hafen von „Den Haag“ nicht mehr. Die Band verschwindet ein zweites Mal von der Bühne und lässt etwas mehr Zeit zum Durchatmen. Welch ein Witz, kurz bevor sie die schwitzende Meute mit ihrem „100 Kilo“-Herz endgültig erschlagen.
Hach, was für ein Abend. Jungs, bitte bleibt uns erhalten!
Setlist Muff Potter:
- Born blöd
- Take a run at the sun
- Punkt 9
- Wunschkonzert
- Sie tippen irre auf deinen Möbeln
- Wenn dann das hier
- Elend #16
- Gute Aussicht
- 23 Gleise später
- Wie spät ist es, und warum?
- Von wegen (aus Gründen)
- Auf der Bordsteinkante (nachts um halb 1)
- Wir sitzen so vorm Molotow
- Fotoautomat
- Das seh ich erst wenn ich’s glaube
- Die Guten
- Feuerficker
Encore:
- Alles war schön und nichts tat weh
- Das Frozen Man Syndrom
- Allesnurgeklaut
- Den Haag
Encore 2:
- 100 Kilo
Galerien (by Thea Drexhage bs! 2019):