Review: Gut geschmirgelt – Melissa Etheridge live (04.03.2019, Hannover)

Da kramt die die Frau doch tatsächlich eine Scheibe aus 1993 hervor und benennt nach ihr eine Europa-Tour. Kann frau so machen, stellt sich nur die Frage nach dem Warum. Wahrscheinlich denkt sie dabei an die guten alten Zeiten als sie Anfang der 90er-Jahre spielend leicht die größten Hallen füllte. Und das weltweit. Melissa Etheridge hat mit ihrem „Yes, I am“- Album einen Volltreffer gelandet. Doch was kam danach? An den ganz großen Erfolg konnte die Blondine in den nachfolgenden Jahren nicht mehr anknüpfen. Warum dann Yes, I am? Ich bin? Ich bin noch nicht weg? Ich bin wieder da? Ich war gar nicht weg. Wahrscheinlich ist es von Allem etwas.

Eines ist gegenüber den 90er-Konzerten gleichgeblieben. Auch das Capitol Hannover ist an diesem Abend rappelzappelvoll. Ausverkauft. Und das an einem Montagabend. Nicht gerade ein typischer, bevorzugter Konzerttag, weil das Wochenende ja gerade erst war. Doch das ist den 1600, vorwiegend weiblichen Fans, völlig egal. Denn ihre Ikone, ihr Vorbild, ihre Mitstreiterin ist in der Stadt. Da kann es schwarz schneien, da geht frau, natürlich, zu diesem Gig.

It´M.E.-Time

Melissa Etheridge (Foto: Michael Lange bs! 2019)

Melissa Etheridge hat sich 1993 öffentlich auf der Vereidigungsfeier von Bill Clinton dazu bekannt, lesbisch zu sein. Da war sie bereits 33 Jahre alt, also verhältnismäßig spät für ein Coming Out. Aber das war halt damals in den 90er-Jahren noch anders. Aber dafür, dass sie den Mut aufgebracht dies zu tun, zollen die Frauen ihr den höchsten Respekt. Heutzutage geht die Gesellschaft zum Glück offener mit gleichgeschlechtlicher Liebe um. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass diverse lesbische, sehr junge  Paare im Publikum sind. Es wird gelacht, geknutscht, gekuschelt. Love is in the Air. Aber nicht nur Love, sondern auch dieser einzigartige Spirit, Melissengeist ist in der Luft.  Diese warme, rauchige, geschmirgelte Stimme der Etheridge. Zack, schon hat frau gute Laune und auch den Kerlen geht das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht.

Baby tell me does she love you like the way I love you?
Does she stimulate you, attract and captivate you?
Tell me does she miss you, existing just to kiss you, like the way I do?
Tell me does she want you, infatuate and haunt you?
Does she know just how to shock you, electrify and rock you?
Does she inject you, seduce you and affect you like the way I do?

Das Konzert beginnt eher ruhig mit „No Souvenirs“. Na klar. Melissa E. will erstmal ankommen: “Hallo Mädels, hier bin ich“. Das Bühnenbild ist karg, die Band zurückhaltendend, aber dennoch präsent. Die Songs konzentrieren sich natürlich auf ihr Smash-Album: „Resist“, „Ruins“, „Come to my Window“ und „Yes I am“. Logisch. Nicht ganz logisch, aber umso erfreulicher ist die Tatsache, dass die Etheridge ein neues Album herausbringt.

Melissa Etheridge (Foto: Michael Lange bs! 2019)

Im April kommt die „Medicine Show“ auf den Markt und mit  „Faded by Design“ liefert Frau Etheridge einen ersten Happen ab, der definitiv Lust auf mehr macht. Um was geht´s in dem Album? Um die Legalisierung von Cannabis als Medizin. Die Etheridge hat sich schon immer eingemischt und Stellung bezogen. Das sie längere Zeit nicht aufgetreten ist, hatte auch medizinische Gründe.  Im Oktober 2004 gab Etheridge bekannt, dass sie an Brustkrebs erkrankt sei. Nach mehreren erfolgreichen Operationen und einer Chemotherapie, teilte sie im Frühjahr 2005 mit, dass sie die Krankheit überstanden habe. Ihr Credo: immer kämpfen, niemals aufgeben. Diese Power überträgt die Grammy- und Oscargewinnerin auf das Publikum.

Ihre Soli auf der akustischen Gitarre, aber auch auf der 12-Saitigen werden länger und immer rockiger. Eine Frau macht sich locker. Alles läuft auf das große Finale hinaus. „I´m the only One“ und „Bring me some water“ steuern auf die definitve  Zugabe hin. “Like the Way, I do”, diese gefühlte Dreiminuten-Nummer kommt als Viertelstünder mit Etheridge-Unterstützung am Schlagzeug daher. Pamm. Gut geschmirgelt, Frau Etheridge.

Galerien (by Michael Lange bs! 2019):

Melissa Etheridge (Foto: Michael Lange bs! 2019)

Setlist:

  1. No Souvenirs
  2. Let Me Go / I Want to Come Over
  3. Dance Without Sleeping
  4. If I Wanted To
  5. Yes I Am
  6. Silent Legacy
  7. You Can Sleep While I Drive 
  8. Resist
  9. Ruins
  10. Faded by Design
  11. Must be crazy for me
  12. Talking to My
  13. Come To My Window
  14. I’m The Only One
  15. Bring Me Some Water
  16. Encore:
  17. Like the Way I Do

Links:
www.melissaetheridge.com  

Michael Lange
Michael Langehttps://www.be-subjective.de
Michael Lange. MichaL ist der Methusalix in unserem Team. Ein Original, ein Sympath, ein Genießer von A wie Abba bis Z wie Zabba und im realen Leben ein Stepptänzer. »Jawohl, das mit dem KlackerdiKlack.« MichaL hat schon Rock’n’Roll gehört, da waren die Little Boy Blue and the Blue Boys noch grün hinter den Ohren. Man munkelt er konnte schon einparken, da gab es noch nicht mal Rückspiegel, geschweige denn Einparkhilfen. Dennoch ist die MichaL noch lange kein Oldy oder darauf fokussiert. The big L war plötzlich da. Zeitlos. Unerwartet und doch völlig freiwillig tauchte er in unserem Universum auf und bereichert es. KlackerdiKlack.

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