Review: Max & Iggor Cavalera – „Roots Bloody Roots“ (25.11.2016, Berlin)

Gute 20 Jahre ist es nun also her, dass „Roots Bloody Roots“ als erster Track vom 1996 erschienenen Album „Roots“ millionenfach aus den Boxen begeisterter Metal-Heads knallte bzw. immer noch knallt und den einen oder anderen alternativen Tanzflur füllte, was im Übrigen bis heute so geblieben ist. Dieses Album ist nicht nur eine der bedeutendsten Veröffentlichungen im Metal-Bereich, sondern auch einer der einflussreichsten Longplayer dieses Genres. Der Erfolg von „Roots“ ebnete Mitte der 90er Jahre das Fahrwasser für den sogenannten Groove bzw. NuMetal.

Zum damaligen Zeitpunkt allerdings sehr gewagt von Sepultura, auch wenn hierin schon ein wenig die Weitrentwicklung der Brasilianer aus der vorhergehenden Platte „Chaos A.D.“ rauszuhören war. Die perfekte Mischung aus Alternative, Hardcore, Groove bzw. Thrash Metal und einem ordentlichen Schuss World Music gab es erst drei Jahre später. Was u.a. daran lag, dass Andy Wallace nicht mehr alleine für die Produktion verantwortlich war, sondern wie schon beim ’91 „Arise“ nahmen sich Sepultura für die Aufnahmen zusätzlich einen Produzenten mit ins Studio. Namentlich handelte es sich um einen gewissen Ross Robinson, welcher für so manche großartige Debüt-Scheibe einiger heute noch sehr bekannter Metal-Bands wie Korn, Deftones bzw. Limp Bizkit in Sachen Produktion verantwortlich war, aber auch Slipknot und Soulfly produzierte; letztere die aktuelle Hauptband von Max Cavalera.

Cavalera (Foto: Andreas Budtke bs!)

Cavalera hatte vor gut 20 Jahren zusammen mit seinem Bruder Igor Cavalera bei Sepultura auf den Bühnen der (Metal-)Welt zur damaligen „Roots-Tour“ performt (dies ist auf dem Live-Album „Under A Pale Grey Sky“ perfekt dokumentiert). Genau auf diesem Höhepunkt verließ Sänger Max wegen interner bzw. familiärer Streitigkeiten die Band. Mit neuem Sänger – an den Drums weiterhin Igor – machten Sepultura weiter, verabschiedeten sich allerdings mit der nächsten Veröffentlichung „Against“ (gezwungenermaßen) wieder vom typischen „Roots“-Sound. Während Max mit Soulfly seine neue Band erweckte und mit dem selbstbetitelten Debüt direkt dort anknüpfte, wo er bei Sepultura aufgehört hat bzw. aufhören musste.

Nachdem die beiden Cavalera-Brüder einige Jahre nicht ein Wort mit einander geredet hatten, vertrugen sie sich wieder. Max und Igor – mittlerweile wegen musikalischen Differenzen ebenso bei Sepultura ausgestiegen – formierten 2007 die Band Cavalera Conspiracy und besannen sich mit den bisherigen Veröffentlichungen auf die Death- bzw. Thrash-Metal-Wurzeln aus den 80er-Sepultura-Jahren, bevor sie sich jüngst – auch auf jahrelanges Bitten zahlreicher Fans –  20 Jahre nach der ersten Veröffentlichung von „Roots“ dazu entschlossen, diesen Klassiker gebührend zu feiern und den Geist des Albums wieder aufleben zu lassen.

Nachdem 2016 zuerst Nordamerika das Vergnügen hatte, ist nun der europäische Kontinent drann und bevor es im Berliner Huxley’s so weit sein sollte, ist erst ein Mal der Support-Act Iron Walrus für das Aufwärm-Programm zuständig. Auf ihrer FB-Seite gibt die Band musikalische Einflüsse von Bands wie Melvins, Helmet, Quicksand oder Crowbar an – meiner Meinung nach nicht die schlechteste Auswahl – und somit überrascht die Band aus Osnabrück nicht nur mich mit einem guten Mix aus Doom/Sludge bzw. Noise-Metal. Ab und an erinnern bei den langsameren Parts im Set sie sogar ein wenig an Neurosis. Ein hervorstechendes Erkennungsmerkmal verfügen Iron Walrus ebenso: Bis auf den Sänger tragen alle anderen Musiker jeweils eine Ski-Maske mit Walrosszähnen, die auch ein guter Merch-Artikel ist – die Band unbedingt mal auschecken!

„Roots Bloody RootS“

Cavalera (Foto: Andreas Budtke bs!)

Nach der Umbaupause gegen 21:00 Uhr ist es nun endlich soweit, begeleitet von Musikern aus den Bands Cavalera Conspiracy bzw. Soulfly kommen die beiden Cavalera-Brüder auf die Bühne des Huxley’s. Während sich Igor hinters Schlagzeug setzt, intoniert Max eine der berühmtesten Zeile im (Metal-)Music-Business – „Roots Bloody Roots“ – und der Funke springt sofort auf das zumeist männliche Publikum mit einem Altersdurchschnitt von Ü20 bis 40+ über. Moshpit & Co. sind die Folge. Als Zweites natürlich „Attitute“, ein nicht minder bekannter Monster-Track. Nach „Cut-Throat“ folgt „…Un, Dos Tres, Cuatro…“ eine weitere Singleauskopplung und spätestens bei diesem „Ratamahatta“ ist der Einfluss der brasilianischen Stammesmusik zu hören (was ebenso im Video zum Song zu sehen ist, Anmerk. d. A.). Weiter geht es mit „Breed Apart“, danach mit – „…What Goes Around, Comes Around“ – eine weitere bekannte Zeile, diesmal aus Track Nr.6 „Straighthate“ und anschließend der kurze, schnelle „Spit“-Kracher.

Endlich mein persönliches Album-Highlight: „Lookaway“. Die Live-Version kann mich nicht vollends überzeugen, gerade wenn Fan weiß, dass der Song auf der Platte von DJ Lethal (House Of Pain), Jonathan Davis (Korn) und einem gewissen Mike Patton (Faith No More/Mr. Bungle) mitgetragen wird.1 Bei „Itsári“ sind auch wieder sehr stark die brasilianischen Wurzeln zu erkennen – Drum-Solo von Igar Cavalera inklusive – und es folgt eine nahtlose Überleitung zu „Ambush“. Der Vorletzte „Endangered Species“ ist dann wieder ein klassisches Stück Metal und zum Schluss brüllt Max Cavalera den kurzen 1.30min-Smasher „Dictatorshit“ quasi als Rausschmeißer ins Mikro.

Cavalera (Foto: Andreas Budtke bs!)

Allerdings nicht ohne eine Zugabe, die nach dem Hauptteil von den Anwesenden im fast ausverkauften Berliner Huxley’s auch umgehend gefordert wird. Der Sound in besagter Lokalität war gerade im hinteren Bereich des Saales eher suboptimal und der Nachtisch, welcher von der Band kredenzt wird, hat leider auch nicht ganz die Qualität des Hauptgangs. Sie spielen das bekannte Cover „Procreation (Of The Wicked) von Celtic Frost. In Reminiszenz an Lemmy / Motörhead gibt es deren „Ace Of Spades“ – über Interpretationen anderer Bands lässt sich ja bekanntlich genüsslich streiten. Sagen wir man kann die gute Absicht dahinter erkennen, muss aber die praktische Ausführung nicht über den Klee loben. Kurz: Auf diese schnellere bzw. ’punkigere’ Version von „Roots Bloody Roots“ hätten aber einige KonzertbesucherInnern (mich eingeschlossen) gut verzichten können.

Never change a good-running Track!

Cavalera (Foto: Andreas Budtke bs!)

Alles in Allem könnte man diesem Abend eine Zwei+ anheften.2 Die Tour zum 20jährigen Bestehen des Albums ist eine tolle Idee der beiden Brüder, eben auch um den Leuten das Live-Erlebnis zu geben, welche 1996 die Band (noch) nicht sehen konnten. Der Hauptteil hat metalmäßig voll überzeugt, allerdings wären ein bisschen mehr Spielfreude bzw. noch ein paar Sepultura-Nummern von anderen LPs bei der Zugabe schon ganz nett gewesen. Außer Frage steht, dass das Album an sich auf jeden Fall die Berechtigung hat, im jedem gut sortierten (Metal-)Regal zu stehen. „Roots“ ist eigentlich ein absolutes ’Must-Have’, denn nicht ohne Grund wurde 1996 zur normalen Version zusätzlich noch eine Doppel-Ausgabe mit Bonus-Tracks in Form von „Roots“ bzw. „The Roots Of Sepultura“ herausgebracht. Außerdem wurde das Album im Jahr 2005 zum 25jährigen Jubiläum des damaligen Labels Roadrunner Records mit weiteren unveröffentlichten Titeln remastered neu aufgelegt.

Galerien:

Links:
www.maxandiggorreturntoroots.com
www.cavaleraconspiracy.net
www.soulfly.com
www.sepultura.com.br

Veranstalter:
Wizard Promotions Konzertagentur GmbH

Weiterhören:
Sepultura: „Under A Pale Grey Sky“, „Roots“/„The Roots Of Sepultura“, „Chaos A.D.“& „Arise“ | Cavalera Conspiracy: „Pandemonium“, „Blunt Force Trauma“ & „Inflikted“ | Soulfly: „Omen“, „Conquer“, „Dark Ages“, „Prophecy“, „3“, „Primitive“ & „Soulfly“

Anmerkungen:

1 Nach „Dusted“ und einem weiteren Klassiker „Born Stubborn“ folgt auf dem Longplayer das kurze „Jasco“, diesen Titel gibt es beim Konzert nicht zu hören. Schade eigentlich, so leitet dieser doch eigentlich sehr prägnant zum folgenden „Itsári“ ein.

2 Andere Teile der Redaktion halten eine 4- ob der lustlosen Performance für angebrachter.

Tobias Richter
Tobias Richterhttps://www.facebook.com/mischband/
Jeder sollte einen Tobi haben. Keiner von uns hat ihn je gesehen, der Typ ist einfach zu groß und artig, der schmeißt aufgeblasene orange Dinger in Einkaufsnetze und - wie man so hört - muss sich der Ü190 Hüne dafür bücken. Eat Sleep Ball Repeat. Ansonsten ist ein Tobi einer, der Kassetten professionell aufwickeln kann, "der immer Ärger macht, der Streiche spielende Anstifter, der, der süchtig nach Furcht ist, ein Sinnbild für Gefahr." Jeder sollte einen Tobi haben. Und eine B-Seite.

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