Sternenstaub im Tempodrom. Superman hat zur Audienz geladen. Es gibt kein Zurück und kein‘ Weg raus. Lachend, weinend, tanzend will Supermatze heute das Tempodrom zum Einsturz bringen und auch wenn ein solches Motto beinahe zu nett ist, um sexy zu sein, ist die Hütte seit Wochen ausverkauft und schon mit dem Intro klar, dass Scheitern heute keine Option ist.
Ich weiß es und du weißt es auch.
Es gibt kein Zurück und kein‘ Weg raus.
Ok, Matthias, ich erklär dir mal wie’s läuft. Wir sind sich auf Du? „Du und ich, Ich weiß es und du weißt es auch.“ Heute bin ich Supermatze ihm seine Frau. Immerhin bin ich vor dir 30 Sekunden lang auf den Knien rumgerutscht. Ich glaube damit ist DUtzen ok, vermutlich haben wir ohnehin ’ne große Schnittmenge an Dingen, in denen wir uns einig sind, das wird hier also ’ne leichte Nummer.
Aus vollem Herzen lachen, weinen, tanzen – da sind wir uns einig – das tun die meisten Menschen viel zu selten. Die meisten mit viel zu viel Scham und einige niemals. Manche, weil sie nicht das Glück haben, irgendetwas zu tun, was ihnen wirklich etwas bedeutet, mache, weil sie – durch die Dinge, die Menschen einander antun – verlernt haben zu fühlen. Und wieder andere, weil sie alles Fühlen vermeiden, sich mit Konsum jeglicher Art betäuben, sogar aufgehört haben zu hoffen und zu träumen. Lachen, weinen, tanzen – die Welt ist so hungrig nach Leben und wenn Deutschpop der Weg ist, dann soll es so sein.
„Es ist alles nicht so leicht, wenn man’s schwer nimmt, …“
Allerdings hadert der Musikernerd in mir. Sind jene, die perfekt onduliert, mit bravourös geschminktem Samstagabendgesichtern knutschmündelnd hinter dem aufgestellten Schriftzug posieren, das Publikum, das mensch sich wünscht? Sind jene, die auf den besten Plätzen der Stadt, an den roten Teppichrändern den Moment, den sie gar nicht erleben, für die Farm der Vegetiere snatschnattern, streamen, jene, die Schweighöfer auflegen wie das Parfum der Saison, von denen der Künstler auf Kommando beklatscht wird, jene die auf den Rängen tanzen, wenn es anempfohlen wird, tatsächliche jene, die hinhören?
Lachen, weinen, tanzen
Genau da kommt die Ene Kleene ins Spiel: Nehmen wir an, jemand käme, mit offenen Ohren, sich ein Bild von einem Abend für jene zu machen, um das Lachen, Weinen, Tanzen nachzufühlen, Lichtfarben und Klangbilder für all die zu malen, denen egal ist, ob der Typ in dem Pullover tagsüber Schauspieler, Produzent, Regisseur, Synchronsprecher und überall präsent oder doch nur Tankwart, Überlebenskünstler oder Zweiradmechaniker ist. Nehmen wir an, das kritische Ohr ist gekommen, jenen einen Eindruck von Schweighöfers Tempodromshow zu verschaffen, die ein Werk allein daran messen, woran es der Musiker selbst vermutlich selbst gemessen sehen will: der musikalischen Qualität und ihrer Umsetzung.
Viel zu viel
Ich bin nicht sicher, ob Du, Joseph Bach, Nisse und Poisel nicht mehr davon hätten, völlig unerwartet und anonymisierten in einem abgetanzten Schuppen jenseits von Szene und WlanEmpfang, ohne großes Tamtam oder jegliche Erwartungen, vielleicht sogar halbakustisch und für’n Hut aufzutreten. Jede Stadt hat einen solchen Abend, bei dem sich die AuskennerInnen einfinden, NewcomerInnen die Finger wundspielen und am Ende alle jammen, lachen, weinen und tanzen. Ebendies wäre ein Setting, bei dem keine ausgeklügelte Lichtshow, GastsängerInnen, -Rapper und Projektionen von Stimme, Gesang und Komposition ablenken. Ein Setting, bei dem die Muckerpolizei gnadenlos steif und missgünstig maximal den großen Zeh bewegt und einem unverstellte Meinungen von QuartalssäuferInnen und Profimusikern buchstäblich entgegengeschleudert werden, ein Setting, in dem mensch vermutlich ’n geilen Abend haben kann. Unbezahlbar echt.
mehr Popcorn als Pogo
Heut ist alles etwas edler, durchgestylter, mehr Inszenierung als Gig, mehr Popcorn als Pogo. Die EdelknipserInnen jedenfalls kommen kaum zum Schuss, weil Smartphoenes – ein Begriff, der sich in solchen Situationen vollkommen entblödet – selbst im Mittelgang den Blick versperren, ein halber Song ohne nennenswerten Perspektivwechsel und Lichtverhältnissen, die zum Intro passen mögen, aber kaum einen Blick auf das 30köpfige Palastorchester oder Jenniffer Kae und Co. ermöglichen.
Da knie ich also vor dir und sehe zu wie Unvoreingenommenheit und Good will beginnen zusammenschrumpeln.
Nicht dass MusikjournalistInnen und FotografInnen solcherlei nicht schon gewohnt wären, nicht dass die VeranstalterInnen und KollegInnen nicht unendlich nett und professionell hinnähmen, was es zu organisieren gäbe, aber ganz ehrlich Schnucki, mensch fragt sich angesicht der GroupieTraube, die sich geschlagene zehn Minuten dauerfilmend an der Bühnenkante zusammenrottet, bevor die Securety einschreitet, durchaus, ab MusikerInnen und Fans nicht mehr damit geholfen wäre, wenn ein bis zwei professionell unsichtbar bleibende Profis exzellente und schmeichelhafte Bilder vom gesamten Ensemble, Details und Stimmung hätten liefern dürfen.
Kreischen, Klatschen, Tanzen.
Vermutlich könntest Du hier den Waschzettel deiner Socken oder eine Einkaufsliste vorlesen können und das Publikum würde kreischen. Und doch muss mensch ein bisschen Schmunzeln als du letzteres tust oder die versautesten Smashhits auf elbisch intonierst. Mit dem Publikum flirten, Entertainen kann er ja, aber vielleicht versteckt er sich als Musiker ein bisschen zu viel hinter Charme, Witz, Lichtshow und Co.
„Matze – halb Mensch, halb Katze“
Dennoch, olle Matze, es gibt sie, die Live-Show- und MusikliebhaberInnen, die den Schlussmacher nicht mit die Zweiohrküken betrügen oder sich den geilsten Tag an deiner makellosen Brust ausmalen, die gern gewusst hätten, welche Saiten Robert Protzmann so aufgezogen hat, ob Alex Höffken und Arne Schumann tatsächlich transparente Remo Drum Sets gespielt haben und denen vollkommen egal ist, ob du’n Pullover oder ’n Müllsack trägst,
.. solange die Musik berührt.
Wen interessiert die Verpackung, wenn der Inhalt stimmt. Sapere aude! Die ene Kleene schwankt, es gibt Songs mit Schunkel-Klatschpassagen, die befürchten lassen, dass hier demnächst eine Meisterschaftshymne lauert. Wäre auch nicht so schlimm, könnte die Nation sexy klatschen.
Und gerade, als ene Kleene in die Nacht entschwinden will, findet der Superheld im Pullover Worte, die nicht kalt lassen, spricht von Freundschaft, von Türen, für die es keinen Schlüssel braucht, weil sie immer offen stehen. Darauf ’ne Bro-Fist! Schade nur, dass niemand wirklich zuzuhören scheint, während Superman die Ode ans „Viel zu Viel“ intoniert.
Doch der Moment kommt uns abhanden
Dabei nehm wir so vieles nicht war
Wir sind nie wirklich da
Sind nicht hier
Wolln alle was bedeuten
Auf der Suche nach dem Sinn
Bleibt keine Zeit zu träumen
Ich wünsche dir weniger, Superman, damit du mehr davon hast.
Galerien (by Isabelle Hannemann):
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