Mit Einlass 18:00 Uhr und pünktlichem Beginn um 19:00 ist es zwar ziemlich früh für einen Freitagabend in Hamburg. Dafür gibt es um diese Zeit noch Parkplätze auf St. Pauli in der Nähe vom Gruenspan – Bonus für die von weiter weg Angereisten wie mich. Und wer zu spät drann war, die/der hatte einen wirklich guten Support verpasst.
White Miles, ein Duo aus Tirol, Medina Rekic (Gitarre/Gesang) und Hansjörg Loferer (Schlagzeug/Gesang) geben vom ersten Takt an Vollgas und rocken aber so was von die Hütte, daß spätenstens nach drei, vier Songs der Funke auf alle schon Anwesenden übersprang bzw. sich der Bereich zwischen Bühne und Soundmischer füllte. ’Man, sind die gut!’ dachte ich mir und fragte mich selbst, warum diese Band bisher unter meinem Radar geflogen ist. White Miles habe ich aber ab jetzt auf dem Schirm und kann beides absolut weiterempfehlen, also ihr aktuelles Album „The Duel“ und die Band live zu erleben.
Denn nach dem Support von L7 bzw. zuvor bei Eagles Of Death Metal, beides ja an sich schon sehr gute Referenzen, spielen die Österreicher ab Mitte September einige Headliner-Shows in Deutschland und bezeichnen ihren Stil selbst als „dirty pole dancer stoner blues rock“, dem ist nichts weiter hinzuzufügen.
„dirty pole dancer stoner blues rock“
Wüsste man es nicht besser bzw. hätte nicht so’n Sch… Plastebecher oder diese smarten Telefone in der Hand gehalten, hätte man auch glauben können, man wäre irgendwann in den 90er Jahren gelandet. Im Gruenspan hat sich drinnen nicht wirklich viel verändert (vielleicht die Biersortenauswahl) und der Aufbau auf der Bühne lies auch keine neuzeitliche Licht- bzw. Lasershow erwarten. Im Hintergrund prangte das bekannte L7-Logo, damit jede(r) wusste, was gleich angesagt ist bzw. war. Was L7 alles für Frauen, gerade im Rockbereich der etwas härteren Gangart, als Wegbereiter getan haben, ließe sich auch gut eine Musikgeschichtsstunde füllen. Allerdings so viele andere/neuere Bands sind seit ihrem Gründungsjahr 1985 (leider) nicht hinzu gekommen und wenn es nach mir gehen würde, würden davon mehr CDs bei mir im Regal stehen, als dies momentan der Fall ist. Was nicht an meiner Kaufentscheidung liegt, sondern reine Frauenbands sind wenn es nicht gerade Pop oder Electro ist, ähnlich wie im männerdominierten HipHop, ebenso im Hardrock bzw. Punk doch eher die Ausnahme.
L7
Da es sich bei L7 um Alternative Helden der 1990er Jahre handelt, hier mal ein paar (nützliche) Fakten zur Band aus L.A., welche sich 2003 aufgelöst hat und seit 2014 wieder in der Urbesetzung, Suzi (Gitarre/Gesang), Donita Sparks (Gitarre/Gesang), Jennifer Finch (Bass/Gesang) und Dee Plakas (Schlagzeug), wieder zusammen gefunden hat. Sie spielten seit dieser Reunion in diesem Jahr wieder ihre erste Headliner-Tour in Europa. Haben mit „Bricks Are Heavy“ von 1992 ihr „Nevermind“, ihr „Vs.“, ihr „Dirt“ bzw. ihr „Superunknow“-Album im Gepäck. Welches im Übrigen von Butch Vig produziert wurde. Gründeten Anfang der 90er „Rock For Choice“ und unterstützen seit dem dadurch die Rechte von Frauen in Form von Konzertorganisation bzw. anderen Aktionen. Wurden u.a. deshalb, aber auch wegen der feministisch geprägten Textinhalte zu Vorbildern der sogenannten „Riot Grrrl-Bewegung“…usw.
`ne richtig geile Punkrockband!
Von all dem Mal abgesehen sind L7 eine richtig geile Punkrockband. Das stellten Gardner, Sparks, Finch und Plakas vom ersten Song „Deathwish“ an sofort klar, daß sie aber mal so gar nix während der 13jährigen Auszeit verlernt haben bzw. eingerostet sind. Ganz im Gegenteil, die vier Damen sprühten regelrecht vor Begeisterung und waren augenscheinlich geradezu froh ihre Klassiker endlich wieder live spielen zu können. Und in diesem Tempo ging die großartige Punk’n’Roll-Show auch weiter. Die Stimmung im Saal war ja ohnehin durch den Warmup der White Miles schon richtig gut, aber während des Konzertes gab es kein Halten mehr, die mitreißende Spielfreunde übertrug sich auf ein euphorisierte Zuhörerschaft und wieder zurück auf die Bühne.
Zwischendurch wurde von Frau Gardner abgefragt, wer zum ersten Mal auf einem Konzert von L7 ist, wer also die „Virgins“ unter den Anwesenden sind, in diesem Moment musste ich mich schon melden. War allerdings beim altersmäßig durchmischten Publikum nicht alleine damit. Die meisten hoben ihre Hand bezüglich der Frage, wer denn die Band schon Mal in den 90er Jahren live gesehen habe, doch wenige konnten die Frage, wer den die vier Kalifornierinnen auch schon in den 80er gesehen habe mit einer Meldung bejahen. Mit „Fuel My Fire“ spielten sie u.a. einen meiner absoluten Alltime-Favs, ich mag zwar auch sehr das Electro-Punk-Cover von The Prodigy, aber im Original ist es dann doch am Besten. An dem bekannten Misfits-Logo auf der Bassgitarre von Frau Finch erkannte man, dass 90er Jahre-Helden ebenso Vorbilder haben. Als letzten Track gab es dann noch mit „Shitlist“ einen weitern absoluten Klassiker.
Zugabe, ZUgabe, ZUGabe –
…kein Problem für L7 und bitte „American Society“, „Pretend We’re Dead“ und ganz zum Schluß „Fast and Frightening“. 19 Songs in gut 80 Minuten – fantastisch! Es schien, als hätten die vier Damen aus L.A. in Hamburg nicht so viel begeisterte Euphorie und herzliche FreudInnen erwartet und krönten das ganze noch mit einem Band-Selfie samt Publikum.
Level finished, but Mission not completed.
Warum war an diesem Abend unter allen Anwesenden der männliche Anteil im Jahr 2016, wie bei auch Rockbands allgemein auf diesem Planeten, immer noch höher als der weibliche? Da gibt’s also noch Einiges zu tun für L7 & Co. – Level finished, but Mission not completed. Im Gruenspan kehrte man wieder zurück zum Buisness, was für eine weitere Show an diesem Abend noch umgebaut werden musste. Für viele KonzertbesucherInnen ging es in eine Freitagnacht auf St. Pauli oder auf das gleichzeitig stattfindende Rockspektakel Festival bzw. Alstervergnügen in Hamburg. Ich war einfach nur glücklich L7 endlich live erlebt zu haben – was für ein hammergeiler Abend.
Galerie:
Setlist:
1. Deathwish
2. Andres
3. Everglade
4. Monster
5. Scrap
6. Fuel My Fire
7. One More Thing
8. I Need
9. Slide
10. Crackpot Baby
11. Must Have More
12. Drama
13. Freak Magnet
14. Shove
15. Shirley
16. Shitlist
Encore
17. American Society
18. Pretend We’re Dead
19. Fast and Frightening
Links:
www.l7theband.com
www.white-miles.com
Unbedingt Weiterhören:
L7: „Slap-Happy“; „The Beauty Process: Triple Platinum“; „Hungry For Stink“; Bricks Are Heavy“; „Smell The Magic“ & „L7“
White Miles: „The Duel“ & „job: genius, diagnose: madness“