Start Events Konzertberichte Review: Hören und Verstehen – Kettcar Live (08.02.2018, Hannover)

Review: Hören und Verstehen – Kettcar Live (08.02.2018, Hannover)

Kettcar (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Warum sorgt eine Band für ausverkaufte Konzerte? Weil sie im Radio rauf und runter gespielt werden und mensch sie unbedingt mal live sehen und hören möchte. In diesem Fall Nö. Oder aber als zweite Möglichkeit der regionale Bezug? Eine Stadt, eine Band. Wird schon wärmer. Die „Grosse Freiheit“ dreimal hintereinander auszuverkaufen, das schafft auch nicht jede Kombo. Kettcar aus Hamburg schaffen das. Klaro, ist ein Heimspiel. Aber an den Abendkassen der Venues in München, Bremen, Wiesbaden, Dortmund und Berlin hat oder wird auch das Schild „Sold Out“ hängen. Kettcar kann also nicht nur Hamburg sondern die ganze Republik.

Kettcar (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Bleibt also nur die dritte Möglichkeit. Kettcar haben Qualität. Bingo. That´s it. Kettcar liefern seit 2001 gute Alben ab. Fünf Alben in regelmäßigen Abständen zaubern nicht nur den Kritikern, sondern auch den Fans ein Dauergrinsen ins Gesicht. Und über die doch einigermaßen großen Abstände zwischen den Alben sollte mensch sich nicht aufregen. Denn in diesen Zwischenräumen wird gesammelt, analysiert und dann umgesetzt. Mit Pauken und Trompeten, der Faust in der Tasche. Krawumm. Themen die uns alle betreffen bringen Kettcar auf den Punkt. Mit Leichtigkeit und doch der gebotenen Ernsthaftigkeit. Das letzte Album „Ich vs. Wir“ ist eine weitere Perle der noch lange nicht endenden Kette von Kettcar.

Kettcar (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Wenn mensch sich einem neuen Kettcar-Album annähert, fallen zunächst die oft kurzen, prägnanten Titel auf. „Ankunftshalle“, „Wagenburg“ oder „Sommer ´89“ machen neugierig. Worum geht’s hier eigentlich? Wieso, weshalb , warum? Wer nicht hört bleibt dumm. Kettcar-Scheiben muss mensch öfter hören. Hören, verstehen, nochmal hören, verstehen. Und noch mal hören und dann Verstehen, Verstehen, Verstehen. Irgendwann macht es Ping und das Feuerwerk steigt auf.  Großartig.

Es ist nicht das, was man empfindet
nicht nur das, was man fühlt
nicht, was man voller Sehnsucht sucht
Liebe ist das, was man tut

Das sehen auch die 1400 Fans an diesem Abend so, die für das schon besagte Schild an der Abendkasse im Capitol sorgen. Diese Fans sind definitiv Kettcar-Alben-Vielhörer. Absolut textsicher hängen Sie an den Lippen der Frontmänner Marcus Wiebusch und Reimer Bustorff, die gutgelaunt immer wieder die eine oder andere Anekdote zwischen den Stücken raushauen. Kettcar haben sich zum Ziel gesetzt, ihre Liebeslieder mit den politischen Lieder so zu verweben, das sie irgendwann eine homogene Melange ergeben, die mensch dann nicht mehr unterscheiden kann. Das ist mal ein Auftrag und wird hoffentlich noch lange dauern. Das die besagten Liebeslieder (der Emo-Block) keine Balladen noch gewöhnliche „I Love You“-Songs sind, ist selbstredend. Und gut gehen diese auch nicht immer aus. Aber eins haben sie gemeinsam. Sie gehen von hinten durch die Brust ins Auge und treffen das Herz. „Rettung“ ist tatsächlich ein Liebeslied. Hören und Verstehen.

Kettcar (Foto: Thea Drexhage bs! 2018)

Doch sie können natürlich auch politisch wie in „Mannschaftsaufstellung“ wo es um Nationalismus geht. „Sommer 89“ ist eine packende Kurzgeschichte über einen Fluchthelfer, eine Geschichte über das Suchen nach dem Glück. Sowohl damals als auch heute aktueller denn je. Der Song „Der Tag wird kommen“ handelt von der Homophobie im Fußballbereich und immer wieder geht es in ihren Texten um und gegen Populismus („Wagenburg“)

So vielseitig die Texte von Kettcar sind, so ist auch ihre Musik. Hier trifft gitarrenlastiger Pop auf Punk auf Hip Hop auf Pogo. Tanzen ist an diesem Abend allerdings schwierig, auch wenn man unbedingt abgehen möchte. Zu voll ist die „Tanzfläche“ (Abendkasse, Schild, Du verstehen?) Zum Schluss kommen noch mal drei richtige Knaller mit „Ich danke der Academy“, „Landungsbrücken raus“ und „Den Revolver entsichern“ und dann ist Schluss. Aber bei Kettcar ist ja eigentlich nie Schluss. Es geht immer weiter und weiter und weiter. Hören und Verstehen.

Kettcar (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Setlist:

  1. Trostbrücke Süd
  2. Balkon gegenüber
  3. Graceland
  4. Money Left to Burn
  5. Sommer #89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)
  6. Wagenburg
  7. Rettung
  8. 48 Stunden
  9. Balu
  10. Benzin und Kartoffelchips
  11. Tränengas im High-End-Leben
  12. Kein Außen mehr
  13. Im Taxi weinen
  14. Mannschaftsaufstellung
  15. Ankunftshalle
  16. Deiche
    Encore 1
  17. Auf den billigen Plätzen
  18. Der Tag wird kommen
  19. Ich danke der Academy
  20. Landungsbrücken raus
    Encore 2
  21. Den Revolver entsichern

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Links:
www.kettcar.net

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