Wie perfekt kann eigentlich gut sein? Mit der Ankündigung einer (erneuten) Bandpause die letzten Tourdaten auf unbestimmt. Schon Wochen vorher wird gemeldet: Düsseldorf ist ausverkauft, rien ne vas plus. Schon Stunden vor Einlass versammeln sich die ersten. Vorne kennt mensch sich, hinten lernt mensch sich kennen.
Wohlig warm ist es beim Eintreten ins Stahlwerk. Die ersten Reihen dicht gedrängt, ein Vorgeschmack auf die nahende Sardinenbüchse. Über den Merchandisetisch fliegen Platten, T-Shirts, Jutebeutel – heiße Semmeln haben da ein Nachsehen. Auf dem Weg noch ein Getränk und schon beginnt die wilde Fahrt.
Alles zerpflücken
Make-Up und Outfit on fleek, die Ansagen ein klares Zeichen für die LGBTQ+ Community. Schrottgrenze zerpflücken was zerpflückt gehört. Ab dem ersten Schritt in den Raum füllen die Hamburger den Raum. Von heute Richtung Back in Time ist das Motto, drinnen gibt’s Schnee.
Der Geburtstag von Bassist Hauke fordert ein kollektives Happy Birthday. Klassisch aber angebracht. Die Dankbarkeit an Kettcar immer wieder betont, Fernglas in aller Freundschaft gewidmet. Ein Meer aus schwingenden Armen (wichtig: nur den Linken heben!) runden die 30 Minuten ab.
„Eine längere Pause bedeutet nicht sich aufzulösen“
Zum Intro die Überraschung: Noch einmal sind Kettcar gewachsen. Als hätten die Bläser schon immer dazu gehört. Als hätte dieser Moment schon immer dazu gehört. Klartext gleich zu Beginn. Irgendwas Besonderes knistert heute in der Luft. Vermischt mit kollektivem Abschiedsschmerz. Es soll ein Abend zum Erinnern geschaffen werden. Es wird ein Abend zum Erinnern geschaffen.
„Das ist jetzt mal fürs Protokoll, das waren Tiergeräusche, die ihr gemacht habt!“
Mit Muh und Mäh Entscheidungen fällen. Wie geht’s eigentlich dem Nachbarn gegenüber? Auch ohne Anruf vom Reimer’s Mutter gibt es viel zu sagen. Wenn nicht jetzt, wann schließlich auch sonst? So führt das Ende einer Band zur Gründung der nächsten, eine Begegnung zu Erfahrung und ein Erlebnis zur nächsten Strophe und Reimer’s Tochter. Die ist nämlich demonstrieren – „wegen Klima“. Und weil Demokratie was bewegen kann, wenn auch grade nur das Singen der zweiten Strophe.
„Wir können im Swingerclub spielen!“
Immer lauter wird der Chor. Niemand soll alleine singen müssen. Niemand soll alleine Tanzen. Manchmal haben sogar die billigen Plätze Vorteile. „Jo Kettcar ne, hab ich gegoogelt! Richtig gute Musik!“ Der Swingerclub im ersten Stock bietet eine Konzertfläche auf rosa Plüsch, wird bestimmt voll. Man denkt drüber nach. Erstmal zurück zu …But Alive, Reimer als T-Shirt-Verkäufer und Die Kassierer. Der wilde Ritt bäumt sich zum Endspurt auf.
„Wir sind Norddeutsche, wir können damit echt nicht umgehen!“
Der Abschied fällt nicht leicht. Der Abschied wird nicht leicht gemacht. Der tosende Applaus will nicht verebben. Würde Mensch nicht stehen gäbe es Standing Ovation. Wären Kettcar nicht so norddeutsch, käme diese Stille, zurückhaltende Freude nicht halb so herzlichen rüber. Und wäre diese Band nicht so berührend, ein Fleck im Herzen wäre für immer nackt.
Egal wie lange die Pause dauert, es bedeutet nicht das Ende. Egal was die Zukunft bringt, dieser Abend wird nicht vergessen.
Auf bald Kettcar!
Galerien (by Daphne Dlugai bs! 2020):
Setlist Schrottgrenze:
- Glitzer auf Beton
- Life is Queer
- Januar Boy
- Traurige Träume
- Am gleichen Meer
- Fotolabor
- Lied vom Schnee
- Mensch am Punkt
- Fernglas
- Alles zerpflücken
- Sterne
Setlist Kettcar:
- Volle Distanz
- Money left to burn
- Benzin und Kartoffelchips
- Sommer `89
- Wagenburg
- Rettung
- 48 Stunden
- Balu
- Palo Alto
- Nur einmal rächen
- Balkon gegenüber
- Der Tag wird kommen
- Ankunftshalle
- Im Taxi weinen
- Den Revolver entsichern
- Auf den billigen Plätzen
- Landungsbrücken raus
Encore: - Trostbrücke Süd
- Kein außen mehr
- Deiche
Encore 2: - Skateboard
Die Links:
http://www.ghvc.de/index.php?id=kettcar&L=0auf
https://www.schrottgrenze.de
Der Veranstalter:
Fleet Union