Review: Energy Match – Tigrrez Punch & Kafvka (15.11.2024, Bremen)

Doch ein bisschen linksradikal – und das ist auch gut so. Für die Band Kafvka läuft’s gut aus schlechten Gründen: die politische Lage ist mehr als unangenehm – nicht nur in den USA, wo nun eine zu heiß gebackene Süßkartoffel das Sagen hat, sondern auch bei uns wird’s immer dramatischer. Das ist beängstigend, gerade für junge Leute, Flinta, queere Leute. Und gerade da sind Räume wie das Lagerhaus, die Acts wie Kafvka einladen, so wichtig. Man kann zusammenkommen und gemeinsam alles scheiße finden, Gleichgesinnte kennenlernen und irgendwann erkennen, dass man doch nicht so allein ist, wie es sich manchmal anfühlt. Als sich das Lagerhaus nach Einlass nach und nach füllt, sind es vor allem Kids, bunt und divers, dazwischen ein paar junggebliebene Millennials und Eltern, die sich vor der Bühne sammeln, als pünktlich um 20 Uhr Tigrrez Punch den Laden aufmacht und ganz genau die Lage checkt.

Tigrrez Punch (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)

Queerfeministisch-süßmausig

Tigrrez Punch (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)

Die Texte von Tigrrez Punch treffen vermutlich genau die Lebensrealität vieler Anwesenden, sodass es nicht lange dauert, bis der Funke überspringt. Dies mag auch an der offenen Art liegen. Entgegen den üblichen Rap-Klischees geht es bei Tigrrez Punch nicht ums höher, schneller, weiter, sondern um die eigene Vulnerabilität, Body Positivity, das abgefuckte Patriarchat und politische Missstände – aber fast immer, ohne dabei in Hass oder platte Parolen zu verfallen. Ehrliche, nahbare Ansagen und richtig gute Animation lassen die Grenze zwischen Publikum und Bühne schnell verschwimmen und machen den Auftakt mehr als gelungen. Besonders hervorzuheben ist hier die Performance von Fight Like A Girl, wie gut war das denn bitte? Bremen und Tigrrez Punch, das war definitiv ein Energy Match.

So natürlich auch bei Kafvka. Breits bei den ersten Tönen von „Das alte Lied“ ist das Publikum hellauf begeistert. Warum an diesem Abend so viele Kids anwesend sind, hängt vermutlich damit zusammen, dass die Antifaschismus-Hymne „Alle Hassen Nazis“ in den letzten Jahren auf vermutlich jeder einzelnen auch nur leicht links-orientierten Demo zu hören war – und das ist auch gut so. Aber die Band hat natürlich auch eine ganze Nummer mehr Songs, meist mit ähnlich starkem Inhalt.

Kafvka (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)

Zwischen den Songs gibt’s nicht ganz so viele Ansagen, wie beim Support, aber es gibt ja auch eine ellenlange Setlist, die abgearbeitet werden muss – trotzdem ist das Gemeinschaftsgefühl da. Zwischen alten Bangern mischt sich an diesem Abend viel Material der neuen Platte Kaputt – dies geschieht nahtlos. Dennoch hat der Abend mit 27 Songs seine Länge, doch das kann man gut aushalten, denn die Nettiquette funktioniert.

Lass dein Shirt an, Trink nicht zu viel und lass deine Hände bei dir!

Kafvka (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)

Getanzt wird rücksichtsvoll, die Lautstärke seitens der Bühne ist mega angenehm und besoffene Assis, wie es ja im Punk doch immer mal vorkommt, gibt es keine. Lediglich als Timo von Team Scheiße mal eben vorbeischaut, um den gemeinsamen Song Geburtstag zu performen und dann noch ‘nen Schmetterling aus dem Ärmel zu schütteln, wird’s etwas wilder in der Publikumsmitte Und dann ist der Abend auch fast vorbei. Mit Fick die Welt geht das Set zuende. Fazit: ist alles abgefuckt, aber mit n‘ Bisschen Solidarität kann man da vielleicht noch was drehen.

Bitte fickt die Welt nicht
Weil wer die Welt fickt am Ende sich selbst fickt
Kinder an die Macht, die Zukunft ist jetzt
Luftschlösser statt Luftbunker, Future perfekt

Kafvka (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)

Galerien (by Thea Drexhage bs! 2024)

Tigrrez Punch (15.11.2024, Bremen)
Kafvka (15.11.2024, Bremen)

Setlist Kafvka:

Kafvka (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)
  1. Das alte Lied (Prolog)



  2. Millionen



  3. Tanz deinen Schmerz weg



  4. Danke nein ja bitte sehr



  5. Symptom



  6. Wie lange noch bis



  7. Alles was wir tun



  8. Maul auf
(Rio Riseup cover)


  9. 2018



  10. Ally



  11. Dorfjugend



  12. Skip 2020



  13. Wo sollen wir wohnen



  14. Wie aus Stein



  15. Am Tag als Rio Reiser starb



  16. So viel mehr



  17. Hallo Welt



  18. Wut



  19. Kaputt



  20. Fick dein Volk



  21. Alle hassen Nazis



  22. Underrated Forever



    Encore:
  23. Paroli



  24. Geburtstag
(with Timo Warkus) (Duet with Team Scheisse singer)


  25. Schmetterling
(Team Scheisse cover) (with Timo Warkus) (Duet with Team Scheisse singer)


  26. Das Ende der Welt



  27. Fick die Welt

Links:
Kafvka
Tigrrez Punch

Thea Drexhage
Thea Drexhagehttps://www.be-subjective.de
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.

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