Das KommRaus-Festival im Ricklinger Bad neigt sich (leider) dem Ende zu. Seit dem 23.07.2021 haben die diversen kleineren Veranstalter der hannoverschen Kulturszene ein wunderbares, ein vielfältiges Programm auf die Beine gestellt. Musik für jeden Geschmack hat für manchen unvergesslichen Abend gesorgt. Eine entspannte Atmosphäre ließ tatsächlich mal das Drumherum, das da Draußen in der Welt vergessen. Auch dieser Abend, tatsächlich ein Montag (der eigentlich Schontag vom Wochenende ist), verspricht einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Mensch darf gespannt, was heute ins Bad auf die Bühne gespült wird.
Den Abend eröffnet Love Machine aus Düsseldorf/Köln. Love Machine sind eine kleine Wundertüte. Ältere Fotos der Band, so von vor 3 Jahren, lassen vermuten, dass die Truppe um den charismatischen Sänger Marcel Rösche voll die 70er-Jahre-Rocktypen sind. Aber nein, die Jungs waren beim Friseur, Matte ab, Bärte ab, eine ganz normale Rock-Band halt. Also fast. Love Machine lassen sich auf keinen Stil festlegen. Ja, mal psychedelisch brachial, wie erwartet, mal auf Deutsch, mal mit englischen Texten. Rösche gibt den coolen Frontmann: ständig neue Zigarette, neues Bier, viel Posen, nackter Oberkörper. So was halt. Imagepflege.
Hits wie „Düsseldorf-Tokyo“ oder „Hauptbahnhof“ kennt der geneigte Fan. Aber das dann aus dem Schlagerbereich der Vicky-Leandros-Kulthit „Ich liebe das Leben“ eingestreut wird, das hat schon was. Aber warum auch nicht, das Lied geht kommt auch rockig gut rüber. Auf das Leben und die Liebe und eine schöne Zeit.
Was danach kommt bedarf eines kleinen Zeitsprungs. Rückblende. Schon wieder die 70er Hier seine bisherige Geschichte:
Tier (oder Animal, wie ihn seine amerikanischen Fans nennen) ist wild und zügellos, er ist ein Appetit auf zwei Beinen und erwartet nicht viel vom Leben: Trommeln, schlafen, Schmerz, Essen und Frauen, mehr braucht Tier nicht. Trotz seiner wilden Leidenschaft und Hingabe, der es stets freien Lauf lässt, ist Tier in seinem Innersten eine absolut unschuldige Seele. Mag sein Benehmen auch oft ausarten und anderes nahelegen, so würde Tier doch niemals absichtlich jemand oder etwas schaden zufügen.
Bekannt wurde Tier als Drummer der Band „Dr. Teeth and the Electric Mayhem“. Seinen ersten Fernsehauftritt hatte er 1975 in „The Muppet Show: Sex and Violence“. Angeblich verbrachte er die Zeit zwischen seinen Auftritten angekettet in einem Kellerabteil. Doch sein ungezügelter Charakter brachte ihm viele Fans vor allem aus dem jüngeren Publikum ein und er wurde schnell zu einen Hauptcharakter in der Muppet Show.
Über seine Kindheit und sein Familienleben ist wenig bekannt. Angeblich hieß seine Mutter LaVerne und war ebenfalls Perkussionistin. Oft wird er mit Keith Moon, dem Schlagzeuger der Band „the Who“ verglichen. Zwischenzeitlich hatte Tier seine Schlagzeugkarriere an den Nagel gehängt und sich selbst in eine Klinik für Anti-Aggressions-Therapie eingeliefert. Nach kurzzeitiger Abstinenz zog es ihn allerdings wieder zur Musik und seinen geliebten Drums. (Quelle: www.prosieben.de/tv/the-muppets/figuren)
On the same old road, the others used to go
And chivel I’d smoke, happy never found
I climbed all the heights both across the sand n‘ sea
They just won’t see that something we believe
Ja, das alles stimmt und die Geschichte geht noch weiter. Achtung: Der Muppet ist zum Mensch transformiert und jetzt Mitglied einer Berliner Rockband, welche die Szene mächtig aufmischt. Schwerst angesagt die Band. Christoph Bartelt ist Drummer bei Kadavar, sein Spitzname ist „Tiger“. Zwinker, zwinker. Wie denn auch sonst? Zusammen mit Christoph „Lupus“ Lindemann (Gesang, Gitarre) und Bassist Simon „Dragon“ Bouteloup hat sich die Truppe dem Stoner- und Psychedelic-Rock der 70er verschrieben. Was denn auch sonst? Um es vorweg zu nehmen, diese Jungs waren nicht beim Friseur. Schon länger nicht. Das lange Haupthaar ist ständig am Bangen. Die Berliner lieben, nein sie leben diesen Rock. „Tiger“ ist ein Tier an den Drums. Ein absoluter Könner an den Sticks und auf der Bühne gefühlt der Boss. Kadavar machen nicht groß Worte. „Habt ihr Bock? Sehr jut!“, Hier wird berlinert. Lupus ist der einzige der mal eine Ansage macht. Das war´s, dann gehts volle Pulle nach vorn. 90 Minuten allerfeinster Rock. Gesang? Eher nebensächlich. Lange Soli, treibender Beat, psychedelische Klänge und viel Hall. Kunst kommt von Können. Es erfolgt kein Austausch der Gitarren. Nicht nötig. Kadavar sind Musik-Nerds. Na und? Das ist durchaus positiv zu verstehen. Mit ihrem letzten Album „The Isolation Tapes“ haben sie die Zwangs-Konzertpause kreativ genutzt. „Schon watt Feines, so’n Konzert, oder?“ Lupus hat gesprochen, 400 Fans haben es gehört und alle sind glücklich. So einfach ist das.
Galerien (by Michael Lange bs! 2021):
Setlist Kadavar:
- All Our Thoughts
- Evil Forces
- Living in Your Head
- Into the Wormhole
- Lord of the Sky
- Doomsday Machine
- Long Forgotten Song
- Into the Night
- Die Baby Die
- Purple Sage
- Eye of the Storm
- Black Sun
- Creature of the Demon
- Come Back Life