Review: Wo die wilden Tiere schrammeln – Kadavar im Tower (16.04.2023, Bremen)

Hyena (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Die Bremer*innen kennen den Flussaal, den Hecht, den Barsch und vielleicht ist ihnen am Ufer der Weser auch schon Mal eine Möwe begegnet, aber Hyänen, die gibt es in Bremen nicht. Kein Wunder also, dass die Menschen, die sich nach und nach im Tower einfinden, einen großzügigen Sicherheitsabstand zur Bühne halten, als sich Hyena still und heimlich aus dem Backstage auf die Bretter schleicht.

Ohne Ansage und 20 Minuten zu früh beginnt das Blues-Punk Duo aus der Hansestadt den Tower vorzuheizen. Für zwei Typen mit Drums und Gitarre erzeugen die beiden einen beachtlich fetten Sound, aber auch als den Gästen klar wird, dass auf der Bühne bereits die eigentliche Band spielt, und nicht erst noch Soundcheck gemacht wird, wird der Sicherheitsabstand weiterhin brav eingehalten. Könnten ja beißen, diese Hyänen. Doch nach und nach lassen es sich die Menschen in den ersten Reihen nicht nehmen, vorsichtig mit dem Kopf zu nicken. In einigen Gesichtern kann man den Drang beobachten, ein kleines Moshpit zu starten, aber wenn keiner mitmacht, wo bleibt da der Spaß? Vielleicht hätte die Nummer anders ausgesehen, hätten Hyena versucht zumindest etwas Kontakt zur wachsenden Menge aufzunehmen, aber Ron und Andre sind nun mal Bremer und Bremer, die sind wortkarg.

Hyena (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

The Tower of Love

Wölfe, Tiger und Drachen sieht man in Bremen auch nicht so oft, trotzdem wird vor der Bühne kurz vor dem Auftritt von Kadavar der Platz rar. Die tun bestimmt nix, als persönliches Wir-kommen-in-Frieden-Angebot gibt’s als Einlaufmusik All You Need Is Love von den Beatles – da kann man ja gar keine Angst mehr haben – und ganz fremd ist das die Band aus Berlin im Tower ja auch nicht, so nahmen das Trio bereits 2016 die kleine Bühne für sich ein. Trio? Halt Stop. Auf der Bühne stehen plötzlich vier Musiker und anders sehen sie alle mittlerweile auch aus. Weg sind die wallenden Metal-Mähnen. „Durch die kurzen Haare haben wir jetzt einen Platz mehr im Tourbus“, scherzt Lupus Lindemann über Neuzugang Jascha Kreft (u.a. Odd Couple), der die Band nun an Gitarre und Keyboards unterstützt.

Kadavar (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Habt ihr Bock?

Kadavar (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Klar. Bei den ersten Riffs von All Our Thoughts wird es plötzlich richtig plüschig eng im Tower – zum Glück haben die meisten Gäste mittlerweile auch kurze Haare, sonst hätten deutlich weniger Tickets verkauft werden dürfen. Es fühlt sich an, wie in einer Sardinendose. Fischig – da fühlen sich die Bremer*innen wieder wohl, auch, wenn zum Tanzen nicht wirklich viel Platz bleibt. Menschen drängen sich dicht an dicht bis an den Ausgang des kleinen Towers. Ausverkauft. Bevor es Kadavar gemeinsam mit Graveyard in die großen Hallen zieht, haben sich die Berliner entschlossen, zwei kleine Warm-Ups in Bremen und Leipzig zu spielen. Schöne Sache!

Kadavar (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Die Setlist, auf den ersten Blick recht überschaubar, ist schön kuratiert. 2-3 Songs aus den vergangenen Studioalben der Band wechseln sich ab. Von All Our Thoughts über Doomsday Machine und Lord Of The Sky bis Die Baby Die und The Green Manalishi ist aus jeder Schaffensphase was dabei. Von 2012 bis heute, aber im Prinzip ist ja alles 70er. All Killer, no Filler. Laut, donnernd, hämmernd – so sehr, dass gelegentlich der gesamte Tower zu vibrieren scheint. Zwischen den Songs wird nur das nötigste mit den Gästen kommuniziert und das ist für die meisten OK, schließlich hat niemand Bock, aus dem Groove zu kommen. So schaut man überwiegend in Gesichter, die mit geschlossenen Augen die Show genießen. In der Mitte des Raumes wird das Kopfnicken gegen ende immer energetischer und so bildet sich gegen Ende das niedlichste Moshpit, das die Stadt zu bieten hat.

Nach 10 Songs inkl. dem dem gewaltigen Come Back Life gibts die obligatorische „So, wir gehen jetzt“ und natürlich fordert die Menge brav die obligatorische Zugabe. Es folgt The Green Manalishi bevor das das 8-minütige Purple Sage von der Debütplatte den Abend beendet. Warm-Up geglückt!

Galerien (by Thea Drexhage bs! 2023)

Hyena
Kadavar

Setlist Hyena:

Hyena (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)
  1. Intro
  2. I’m right
  3. Rock City
  4. Gypsy Disco
  5. On The Run
  6. Red Light
  7. You
  8. Walk

Setlist Kadavar:

Kadavar (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)
  1. All Our Thoughts
  2. Last Livin Dinosaur
  3. Thousand Miles Away From Home
  4. Doomsday Machine
  5. Vampires
  6. Lord Of The Sky
  7. Into The Night
  8. Black Sun
  9. Die Baby Die
  10. Come Back Life
    Encore:
  11. The Green Manalishi
  12. Purple Sage

Links:
Hyena
Kadavar
Tower Musikclub

Thea Drexhage
Thea Drexhagehttps://www.be-subjective.de
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.

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