Singer-Songwriter-Konzerte sollten eigentlich zu der Sorte Event zählen, bei der es ohne riesen Band, riesen PA, riesen Lichtshow und anderem TamTam in erster Linie nur um eins geht: die Musik, pur und in Reinform. Events, die dem Publikum erlauben abzuschalten und für ein paar Stündchen dem hektischen Alltag zu entfliehen. So die schöne Theorie.
Warum also passiert es immer wieder, nicht nur bei John Allen, dass die Gäste es einfach nicht schaffen, sich für einen Bruchteil ihres Tages auf etwas einzulassen, für das sie sich aufgehübscht, den Abend Zeit genommen und letztendlich auch Eintritt bezahlt haben?
Mit John Allen traut sich ein richtig guter Typ ins verschlafene Oldenburg, ein Örtchen, in dem gute Musik nicht unbedingt mit dem Goldlöffel serviert wird. Mensch muss schon etwas gründlicher suchen und findet dann Orte, wie das Headcrash. Ein Frisörsalon, der es immer wieder schafft, diverse Künstler anzulocken und somit das zu schaffen, was in den größeren Veranstaltungshallen der Stadt fehlt: Abwechslung.
Der Abend beginnt leicht verspätet und im Friseursalon tummeln sich zwischen Häufchen zusammengefegter Haare und Waschbecken zahlreiche Gäste, die ganz verschiedene Mentalitäten an den Tag legen. Es gibt die Guten, die sich vor der Bühne versammeln und John Allen gespannt lauschen, welcher mit einer Menge Charme und Witz durch sein Programm führt. Und dann gibt es die richtigen Ärsche, die es absolut nicht schaffen, einfach mal den Mund zu halten. Das ist in erster Linie absolut respektlos dem Künstler gegenüber, der sich auf der Bühne die Seele aus dem Leib singt, aber auch extrem unschön für die, die eben doch abschalten wollen. Es helfen weder böse Blicke der Guten, noch das viel zu nette Bitten des Musikers. Hätte Allen an dieser Stelle trotzig die Bühne verlassen, hätte es jeder verstanden und vermutlich applaudiert. Kaum etwas ist deprimierender, als ein Konzert, dass nicht vom Künstler selbst versaut wird, sondern von denen, die eigentlich auf der gleichen Seite stehen sollten.
Shine On, Shine On
Aber es ist ja nicht alles schlecht. John Allen, der immer wieder betont, das Publikum mit seinen Stücken deprimieren zu wollen, stellt auf der Bühne einen eigentlich ganz gut gelaunten Typen dar, der auch dem aufmerksamen Teil des Publikums zahlreiche Lacher mit seinen charmanten Anekdoten über vergangene Liebe, Ernest Hemingway, James Joyce und Fluch und Segen der digitalen Zeit, abgewinnen kann. Musikalisch nimmt er die gewillten Zuhörer und ZuhörerInnen mit seiner tiefen Stimme mit auf eine klangliche Reise vom amerikanischen Country bis zum irischen Folk. Das Mitsingen klappt erst bei einer kurzen „Take me Home – County Roads“-Einlage, bei der sich Oldenburgs wahrer Charakter offenbart – von Schamgefühl leider keine Spur. Die Gassenhauer gewöhnlicher Ü40 Parties liegen den OldenburgerInnen im Blut. Mutig führt John Allen sein Programm fort.
Die Zugabe erfolgt unplugged. Allen begibt sich mit seiner Klampfe in die Mitte des Publikums und zwingt somit auch die Ärsche und ÄrschInnen, endlich mal die Klappe zu halten und das Konzert wird zu dem, was es von Anfang an hätte sein sollen. Leise und intim. Als Cover gibt’s Springsteens „The River“, die Gäste sind dabei. Mit „Home“ beendet John Allen den Abend und plötzlich wird Mitgesungen, ohne Aufforderung.
If you don’t know what to do, just do what your heart tells you to do
And if you don’t know what to say, just say what your heart tells you to say.
And if you’re searching for a home, just go where your heart tells you to go.
Schön, aber leider etwas spät, liebes Oldenburg. Geht zum Quatschen das nächste Mal in ‘ne Kneipe.
Galerien (by Thea Drexhage bs! 2019)
Links:
www.john-allen.de