Erst letzten Sommer gastierte der Deutsche Musiker Johannes Oerding zum Sommer Open Air in der Jungen Garde Dresden. Umso schöner, dass er bereits einige Monate später wieder zu Gast im Alten Schlachthof in Dresden ist – dabei hat er sein neues Album “Plan A”. Die grauen Regenwolken verkrümeln sich auch gen Abend, sodass niemand der vorfreudigen Besuchern in der beeindruckenden Warteschlange großartig nass werden muss. Wer allerdings kurz vor 19 Uhr noch einen Parkplatz sucht, hat nur noch auf dem kostenpflichtigen Parkplatz für 5 Euro gute Karten. Ansonsten muss er mit viel Geduld inmitten der anstehenden Fans wenden. Während sich die friedliche Menschenmenge in Richtung Eingang fortbewegt, schießt der aufgeregte Konzertbesucher noch schnell das ein oder andere Selfie mit dem passenden Tourplakat von heute.
Der Alte Schlachthof Dresden meldet für heute ausverkauft – es wird also kuschelig. Das Venue selbst hat sich wieder schick(er) gemacht – über den Eingängen zur Halle sind nigelnagelneue Displays mit dem Hinweis, bitte durch zu treten und somit Platz für alle Konzertbesucher zu schaffen. Über den zahlreichen Getränkeständen, Bars und Snackpoints glänzen ebenso neue Schilder. An der Bar stapeln sich Aperol und Campari – ein klein wenig Mittelmeerfeeling in der sächsischen Hauptstadt! Die Vorstellung, Herrn Oerding mit Gitarre oder am Klavier auf einer charmant kleinen italienischen Piazza beim Aperitivo zu lauschen, ist aber durchaus auch eine nette.
Es bleibt Italienisch! Als die Supportband Il Civetto – “Die Eule” – pünktlich um 19.30 Uhr die Bühne betritt, ist der Große Saal des Schlachthofs schon bestens gefüllt. Der Bandname kam, weil die Band eben einen Namen brauchte, scherzt Sänger Leon Keiditsch schuhlos in seinen weißen Tennissocken. Tatsächlich umschmeichelt er den Stil der Band aber recht gut: weltoffen, sanft und dynamisch vereint die Band verschiedene musikalische Einflüsse und macht daraus ihr ganz eigenes Ding.
Auf hammermäßige Saxophonsolos folgt wunderschön tiefer, kraftvoller, aber weicher Gesang, der die Ohren der wohlwollenden Zuschauer kitzelt. Überhaupt schwingt die ganze Bühne während Il Civetto zaubert. Nach reichlich 30 Minuten ist bereits Schluss.
Il Civetto haben einen super Auftritt hingelegt und mit dem heutigen Abend viele neue Fans gewonnen.
Nachdem sich die kleinen und großen Fans geduldig und stundenlang im Warten üben mussten, ist es kurz nach 20 Uhr endlich so weit: Johannes Oerding ist da! Wie ein Wirbelwind stürmt er mit “Kaleidoskop” auf seine Bühne und zieht mit seinem charmanten Charisma sofort alle in seinen Bann. Der Schlachthof bebt, die Bühne bebt, die Stimmung ist mit der ersten Sekunde da. Der sympathische Sänger geht sofort mit seinen Fans auf Tuchfühlung, schüttelt Hände, tanzt im Bühnengraben umher.
Mit viel Witz und Persönlichkeit führt Johannes Oerding durch sein mehr als zweistündiges Programm. Wenn er mit seinen Fans spricht, fühlt sich ein jeder gesehen und angesprochen – teilweise sogar mit Vornamen. Während die Temperatur im großen Saal bereits in den ersten Lieder rasant ansteigt, scherzt der Sänger:
Wir haben die Heizung extra auf 5 hochgedreht!
So ein bisschen Wärme stärkt die Vorfreude auf den Sommer. Keineswegs erschüttert sie die wohlwollende Partystimmung im Schlachthof, auch wenn der ein oder andere mit Kreislauf von den Maltesern versorgt wird. Die längeren Ansagepausen nutzen dann auch einige, um ihren Flüssigkeitshaushalt wieder ins Reine zu bringen. Johannes Oerding selbst wechselt am Abend auch gern den Ort des Geschehens – ob auf der Bühne, im Graben oder auch inmitten seines Publikums: einen Platz fürs Singen mit seinen Fans findet er immer. Der eine hält das Mikrofon, während Johannes Oerding mit seiner Gitarre eine sichtlich gerührte Dame besingt. Kann es eine schönere Konzerterinnerung geben? Dass er dabei ein kleines Medley aus seinem eigenen Lied “An guten Tagen” und “An Tagen wie diesen” (Song von Die Toten Hosen) macht, zeugt ebenfalls von originellem Charme.
Momente, Momente, Momente
An Highlights und Geschichten spart der geborene Münsterländer nicht. Überhaupt scheint Johannes Oerding keine Eile zu verspüren. Mit ruhiger Gelassenheit erzählt er zwischen seinen Liedern, während seine Fans ihm an den Lippen hängen. Es folgt auch hier und da mal ein Mark Foster Joke, aber man kennt sich ja. Mittendrin gibt es nicht nur Lieder quer durch den Albengarten zu hören, sondern auch ein sehr geglücktes Medley aus verschiedenen Coversongs: Macarena vs. Relight My Fire vs. Tanze Samba vs. I Wanna Dance With Somebody. Herrlich. Ob es Johannes Oerding reicht, nur mit somebody zu tanzen, bleibt fraglich – er hat sich auf jeden Fall auf die Plan A Fahne geschrieben mit JEDEM heute Abend zu tanzen. Backstreets Back Alright!
Ich werde euch finden!
Musikalisch darf sich auch seine Band voll ausleben. Egal ob Pianosolo Drumsolo, Basssolo oder Gitarrensolo: Soli gibt es heute ohne Ende! Umso schöner, dass seine Band und er bereits seit 17 Jahren treue Begleiter sind, denn diese Einheit spürt man. Von Müdigkeit ist auch keine Spur zu sehen und das obwohl der Konzertabend schon reichlich zwei Stunden andauert. So kann das gedrittelte Publikum auch gegen Ende mit Leichtigkeit zu “Ecke Schmilinsky“ lautstark und sogar ausgezeichnet mitsingen bevor alle gemeinsam zum Schluss zu “Alles brennt”, “An guten Tagen” und “Kreise” nochmal so richtig aufdrehen. In der Anmoderation zu “Heimat” scherzt Johannes Oerding noch einmal: Ich werde euch finden! und verspricht, wieder nach Dresden zu kommen. Was für ein Konzert an einem Dienstagabend! Wir verneigen uns, dankeschön.
Galerien (by Kristin Hofmann bs! 2023):
Setlist Johannes Oerding:
- Intro
- Kaleidoskop
- Plan A
- So schön
- Was wäre wenn
- Porzellan
- Diese Stadt
- Traurig aber wahr
- Hundert Leben
- Piano Interlude
- Eins zu Eins Gespräch
- Santa Fu Piano
- Santa Fu
- Medley (im Publikum)
- Drumsolo
- Anfassen
- Schnee von Gestern
- Ecke Schmilinsky
- Heimat
- Alles brennt
- An guten Tagen
- Kreise
- Ich will noch nicht nach Hause
- Für immer ab jetzt
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