Start Events Konzertberichte Review: Gloria – Indie-Pop im Alten Schlachthof (27.01.2018, Dresden)

Review: Gloria – Indie-Pop im Alten Schlachthof (27.01.2018, Dresden)

Gloria (Foto: Michael Lange bs! 2018)

Text: Torsten Arndt

Erwartet man von Klaas Heufer-Umlauf zu Beginn eines Televisions-Abend einen kurzen Stand-up zur Begrüßung seines Publikums, ist die Prozedur in Verbindung mit seiner Band Gloria eher eine andere. ‚Immer noch da‘, Hitsingle des 2017er Albums ‚Da‘ ist der Opener und was für einer. Dieser Start ist mehr als ein lockerer Aufgalopp, eher ein Versuch mit einem Ass beim ersten Aufschlag das ungeduldige Publikum zu überraschen. Ein kurzes 15-0, innerer Beifall und ich bin drin im Abend.

Gezähmte Alpha-Tierchen

Gloria sind in erster Linie besagter Klaas Heufer-Umlauf und Mark Tavassol, dem einen oder anderen sicherlich auch bekannt als Bassist der Band Wir Sind Helden. Verderben nicht mehrere Köche – auch wenn es Gute sind – oftmals den Brei? Dazu später etwas mehr. Ich bin sehr gespannt, wie sich das über den musikalischen Abend gestaltet. ‚Der Sturm‘ bricht los und mit dem sich nahtlos anschließenden Song ‚Neu beginnen‘ schwenken Gloria auch schon gleich zu ihren ersten beiden Alben. Kurzes Break, kleiner Schnack mit dem Schiri (Fans), politischer Diss, recht so! Ohne Seitenwechsel geht es weiter. ‚Eigenes Berlin‘ ist dran. Ein toller Song. Überhaupt ist diese Mischung der Lieder für mich mit Bedacht gewählt. Der Wechsel zwischen alt und neu weiß zu gefallen.

Das Konzert ist prädestiniert um Alltagssorgen zu vergessen, sich fallen zu lassen, in Gedanken zu schwelgen und zu tanzen. Auch die Fans nehmen diesen Faden auf, das Publikum im kleinen Saal des Alten Schlachthofs ist animiert, geht die Songs mit und schwoft stimmgewaltig im Saal.

Just Indie-Pop

Gloria (Foto: Michael Lange bs! 2018)

Ein Wort aber noch zu den zwei Frontmännern. Hatte ich im Vorfeld zwischen den Songs eher ein verbales Serve-and-Volley-Duell à la Becker/Edberg erwartet, ist es an diesem Abend überhaupt nicht dieses kleine Gemetzel zwischen den beiden, wie ich schon an anderer Stelle erleben durfte und was das emotionale Konzerterlebnis damals erheblich schmälerte. Nein, es fühlte sich vielmehr wie ein Davis-Cup-Doppel an, wo einer für den anderen singt und zupft. Kein Gequatsche, just music. Sehr angenehm.

‚Stolpersteine‘ ist dran, ein Song vom 2015er Album ‚Geister‘ und politisch aktueller denn je, denn #WeRemember

Du rennst die Treppen rauf und die Schatten laufen dir entgegen,
diese Leute wollen hier nicht gehen,
Wirst du in zwanzig Jahren noch einmal daran denken?
Das Haus hat es gesehen.
Die Aufgaben scheinen verteilt

Herr Tavassol bekommt am Ende von Stolpersteine mehr Platz, um sein Bass etwas weiter auszufahren und wir haben einen Moment Zeit, eigenen Gedanken freien Lauf zu lassen. Außerordentlich emotional empfand ich den mehrstimmigen Gesang. Teils vierstimmig trugen die Mannen um Herrn Heufer-Umlauf ihre Songs in den Saal, das wusste zu gefallen.

Gloria (Foto: Michael Lange bs! 2018)

Ein rundherum gelungenes Konzert geht in den letzten Satz. Längst haben Gloria das Publikum am Haken. Ein feines musikalisches Erlebnis – ohne einen einzigen Tiebreak in Form von Langeweile – bietet am Ende vier Zugaben und schließt mit ‚Süchtig‘. Wie passend, denn das sind wir hier längst alle.

Es ist kein Grand-Slam Konzert, eher wie ein ATP-Turnier am Roten Baum oder in Halle, ohne die ganz großen Gesten. Aber das bedarf es bei Gloria auch nicht. Ihre Songs sprechen für sich, haken sich im Gedächtnis fest, regen mitunter zum Nachdenken an. Wenn ich mir für das nächste Mal etwas wünschen dürfte, würde ich gern Bläser hören. Was wären doch Bläser toll in dieser Live-Performance, in den Alben sind sie bereits zauberhaft integriert. Hört euch dazu mal ‚Süchtig‘ an.

Kleines Fazit gefällig?

Um den Gedanken mit den Köchen und dem Brei nochmal aufzunehmen: zu keiner Zeit ist dieser Mus irgendwie zu salzig, zu scharf oder zu süß. Der Brei ist perfekt abgeschmeckt, fast zu perfekt. Denn das Einzige was diesen kurzweiligen Abend etwas schmälert, ist die Tatsache, dass es in den gut 80 Minuten keinen richtigen musikalischen Ausreißer gibt. Kein krachendes Finale, kein ewiges Malträtieren eines Chorus. Besitzen doch gerade die Songs vom ersten selbst betitelten Album ‚Gloria‘ genügen Potenzial dazu. Aber drauf hoffe ich beim nächsten Mal.

Setlist:
  1. Immer noch da
  2. Der Sturm
  3. Neu beginnen
  4. Eigenes Berlin
  5. Nie mehr
  6. Das was passiert
  7. Warten
  8. Ohne Träume
  9. Erste Wahl
  10. Einer von den anderen
  11. Stolpersteine
  12. Hochhaus
  13. Wenn es passiert (Wir sind Helden Cover)
  14. Seil
    Encore
  15. Geister
  16. Wie sehr wir leuchten
  17. Narben
    Encore
  18. Süchtig
Links:
www.gloriamusik.de
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