Review: Die Geister, die ich rief – Ghost und Candlemass live (17.02.2019, Hannover)

Das Musikgeschäft ist knallhart umkämpft. Um hier etwas vom Kuchen abzubekommen, muss man entweder nachhaltig gut sein oder sich von der Masse absetzen. Ein sehr guter Marketing-Trick ist die Maskierung. Keiner weiß, wer man ist, wo man herkommt, wo man hingeht, wie alt man ist und ob man in einer Beziehung lebt oder Single ist. Das weckt mediales Interesse und sorgt für Verkaufszahlen. Diese Legendenbildung hat schon international sehr erfolgreich bei KISS oder national gesehen bei Sido und Cro gefunzt. Nachteil ist, mensch könnte in einen Verfolgungswahn verfallen. Sind Fans oder Paparazzi hinter mir her? Bin ich hier sicher? Kann ich die Maske abnehmen? Das kann sehr problematisch sein.

Von all diesen „Problemen“ sind Candlemass meilenweit entfernt. Die schwedische Epic-Doom-Band würde sich wahrscheinlich wünschen, nachhaltiger im Musikgeschäft vertreten zu sein. Problem ist allerdings, dass diese Band genauso oft aufgelöst wie neugegründet wurde. Die Liste der ehemaligen Sänger reicht von hier bis Taka Tuka. Also fast.

Candlemass (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)
Candlemass (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)

Das die Jungs um Ex- undjetztwieder-Sänger und Frontmann Johan Langquist fleißig sind, kann man der Band nicht absprechen. Die Alben erscheinen regelmäßig und kommen in den Kritiken immer gut weg. Das Candlemass als Support leider nicht die verdiente Aufmerksamkeit erhält, könnte daran liegen, dass die Halle noch nicht komplett gefüllt ist. Die Fans versorgen sich zu diesem Zeitpunkt eher noch mit Getränken und Merch. Schade, verpassen sie doch hier ehrlichen handgemachten Rock und einen sehr markanten Sänger. Hoffentlich bleibt der Johan jetzt länger. Es wäre sehr zu wünschen.

Kurz vor Beginn des Haupt-Acts werden die 2700 Fans in der leider nicht ausverkauften Swiss-Life-Hall mit choralen Gesängen geärgert, wobei man das so eigentlich nicht sagen kann, sie werden eher eingestimmt.

Ghost (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)

Eingestimmt auf das HeavyDoomMetalHardDarkRock-Projekt Ghost. Diese Band hat sich konsequent auf das Stilmittel der Maskierung festgelegt und sind hiermit überaus erfolgreich, nicht nur in Schweden. Die Bandmitglieder treten ausschließlich schwarz gekleidet mit silbernen Masken auf. Nur der Ober-Ghost kommt weiß geschminkt mit schwarz unterlaufenen Augen daher. Das Besondere bei ihm: er wechselt des Öfteren das Outfit. Schwarzer Frack, weißer Frack. Schwarze Soutane, rote Soutane, Mitra, verziert mit einem umgedrehten Keltenkreuz, das als Buchstabe G durchbrochen ist.

Ghost (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)

Doch wer ist der Typ mit dem Menjou-Bärtchen? Er selbst nennt sich Cardinal Copia. Doch wer ist der Typ wirklich? Nun ja, 2 Jahre hat es gedauert, da wurde er „enttarnt“. Zum einen haben ihn Fans auf der Straße erkannt, aber schwerwiegender ist dann doch die Tatsache, dass er von ehemaligen Bandmitgliedern auf Tantiemen verklagt wurde. „Shit happens“ hat sich wohl Tobias Forge gedacht.

Die Geister, die ich rief.

Aber egal, die Show geht weiter. Und diese Show ist echt mega. Forge hat sieben Musiker um sich versammelt. Er nennt sie „Nameless Ghouls“. 3 Gitarren, 3 Keyboards sind dabei. Wenn mensch genau hinschaut, erkennt man 2 Frauen.

Into your sanctum You let them in Now all your loved ones And all your kin Will suffer punishments beneath the wrath of God Never to forgive Never to forgive

Ghost (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)

Der Sound in der Halle ist für ein Heavy Metal -Konzert bestens. Mit „Ashes“ und „Rats“ vom neuen Album „Prequelle“ gehen die Grammy-Gewinner gleich in die Vollen. Stampfende Riffs paaren sich mit fetten Refrains. Forge ist Kreativkopf, Antreiber, Chef auf der Bühne. Immer wieder verlässt er links oder rechts die Bühne für Soli seiner Mitstreiter, um dann über eine Showtreppe wieder das Zepter an sich zu reißen. So inszeniert man sich. Tobi Forge hat Entertainer-Qualitäten auf Master-Mercury-Niveau.

Ghost (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)

Okkult-behaftet ist die Ghost-Show lediglich bei den Texten. Ansonsten ist das hier eher eine quietschbunte Rock-Show. Sound, Lightshow, Pyro. Perfekt. Ghost bieten das volle Effekt-Brimborium. Und irgendwie böse ist hier auch keiner. Die Gitarristen liefern sich hier eine amüsante Battle. Warum die Show sich in zwei Akte aufteilt? Achtung Phrase 1: darüber scheiden sich die Geister. Vielleicht brauchen die Fans eine P-Pause, oder doch eher die Musiker? Oder bedeutet P-Pause einfach nur das Nachladen mit Pyros? Die Unterbrechung ist auf jeden Fall kein Stimmungsbruch. Ghost machen da weiter, wo sie aufgehört haben. Die Fans wissen gar nicht wohin sie zuerst schauen sollen, weil immer Action auf der Bühne ist. Das ist Unterhaltung auf allerhöchstem Niveau. Forge spricht viel mit dem Publikum, stellt ausführlich seine namenlosen Dämonen vor, ohne hierbei Namen zu nennen. (Achtung Phrase 2): Sehr geistreich.

Ghost (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)

Das eher poppige „Dance Macabre“ ist nur ein Highlight von ganz vielen. Insgesamt werden es 2 1/2 Stunden Dauerdampf. Der Abend endet mit „Monstrance Clock“ als Zugabe. Die Fans sind begeistert. Uuuh was für ne Phrase. Wenn Ghost weiter so kreativ bleiben, ist dieses Projekt noch lange nicht ausgelutscht. Dann werden sie noch ewig durch die Musikgeschichte geistern. Uups Jetzt ist aber Schluss.

Galerien (by Torsten Volkmer bs! 2019):

Setlist Candlemass:

  1. Marche Funebre (From Tape)
  2. The Well of Souls
  3. Dark Reflections
  4. Astorolus – The Great Octopus
  5. Mirror Mirror
  6. A Sorcerer’s Pledge
  7. Solitude
Ghost (Foto: Torsten Volkmer bs! 2019)

Setlist Ghost:

  1. Act 1 Klara stjärnor (Jan Johansson song)
  2. Miserere Mei, Deus (Gregorio Allegri song)
  3. Ashes
  4. Rats
  5. Absolution
  6. Ritual
  7. Con Clavi Con Dio
  8. Per Aspera ad Inferi
  9. Devil Church
  10. Cirice (Extended Intro (Riff Off))
  11. Miasma (Papa Nihil on Saxophone)
  12. Jigolo Har Megiddo (Acoustic)
  13. Pro Memoria
  14. Witch Image
  15. Life Eternal Act 2
  16. Masked Ball (Jocelyn Pook song)
  17. Spirit
  18. From the Pinnacle to the Pit
  19. Majesty
  20. Satan Prayer
  21. Faith
  22. Year Zero
  23. Spöksonat
  24. He Is
  25. Mummy Dust
  26. If You Have Ghosts (Roky Erickson cover) (With band introduction.)
  27. Dance Macabre
  28. Square Hammer Encore:
  29. Monstrance Clock
  30. The Host of Seraphim (Dead Can Dance song) (From Tape)

Links:
www.candlemass.se
www.ghost-official.com

Michael Lange
Michael Langehttps://www.be-subjective.de
Michael Lange. MichaL ist der Methusalix in unserem Team. Ein Original, ein Sympath, ein Genießer von A wie Abba bis Z wie Zabba und im realen Leben ein Stepptänzer. »Jawohl, das mit dem KlackerdiKlack.« MichaL hat schon Rock’n’Roll gehört, da waren die Little Boy Blue and the Blue Boys noch grün hinter den Ohren. Man munkelt er konnte schon einparken, da gab es noch nicht mal Rückspiegel, geschweige denn Einparkhilfen. Dennoch ist die MichaL noch lange kein Oldy oder darauf fokussiert. The big L war plötzlich da. Zeitlos. Unerwartet und doch völlig freiwillig tauchte er in unserem Universum auf und bereichert es. KlackerdiKlack.

Weitere Artikel

Ähnliche Beiträge

Review: Hoffentlich können die Ton – Draconian live (02.11.2024, Hannover)

Bei Haudrauf-Konzerten, also Konzerten, wo die Lautstärke hochgedreht wird,...

Review: Verrückt, Verzückt, Verzerrt – Imminence live (23.10.2024, Hannover)

Am Anfang war das Feuer. Die Welt war irgendwie,...

Preview: Es hört nicht auf – SAGA live (2024)

Wenn das Intro von „Wind Him Up“ erklingt, das...

Preview: Alle guten Dinge sind Doom – Draconian mit Nailed To Obscurity und Fragment Soul [2024]

Schwedens Gothic-Doom-Meister Draconian werden in einem Atemzug mit anderen...