Eigentlich gibt es kaum etwas, das noch nicht über Dave Grohl und seine Kollegen von den Foo Fighters geschrieben wurde. Titel wie „beste Live-Band der Welt“ oder „nettester Rockstar auf dem Planeten“ bekommen die US-Rocker in jedem beliebigen Artikel hinterhergeschmissen – und das anscheinend zu Recht. Shows die die 3-Stunden-Marke knacken, Auftritte trotz Beinbruch und sowieso und überhaupt. Das klingt alles fast schon zu gut. Am Sonntag den 10.06.2018 begeben sich also mal eben 60.000 Menschen zur Hamburger Trabrennbahn, um zu gucken, ob Herr Grohl wirklich so nett ist wie alle behaupten.
Bevor es so weit ist, gilt es zu marschieren und zu warten. Die Wege zur Trabrennbahn sind lang, Hamburg beherrscht von Straßensperren. Am Ziel angekommen begrüßen die Besucher lange Einlassschlangen. Immerhin wird das Warten durch den ein oder anderen Witz der Moderatoren/Koordinatoren aufgelockert. Die strengen Kontrollen verlaufen zügig und gut koordiniert.
Erst 2,5 Stunden nach Einlass startet das musikalische Programm mit den Briten von Wolf Alice. Rotziger Alternative Rock zieht über die Trabrennbahn hinweg in die angrenzenden Hamburger Stadtteile. Der Sound sitzt, das Wetter hält sich bei angenehmen 22 Grad und trotz Unwetterwarnung stabil, die Begeisterung bei der Menge im Infield ist jedoch noch nicht entfacht. Es wird erzählt, im Gras gesessen und zwischendrin müder Applaus gespendet. Die MusikerInnen um Ellie Rowsell lassen sich die Laune nicht verderben und genießen ihren großen Auftritt.
In den Umbaupausen staut es sich an den anscheinend zu wenigen Getränkeständen – schnell gibt es, trotz der enormen Preise, keine Becher mehr. Die schlechte Laune der Wartenden wird sofort am Personal ausgelassen, welches an dieser Stelle jedoch immer freundlich und professionell bleibt und sicherlich als letztes Schuld an den vorherrschenden Zuständen hat – eine bessere und günstigere Versorgung mit Trinkwasser auf dem Gelände wäre wünschenswert gewesen. Außerhalb der diversen Einlasspunkte gab es immerhin vor der Show Zelte der guten Menschen von Viva Con Agua, welche Trinkwasser für 1€ zur Verfügung stellten. Erstmal auf dem Gelände angekommen, konnten diese jedoch auch nicht mehr helfen.
Während die meisten BesucherInnen sich also noch um die Bierwagen tummeln, beginnt auf der Hauptbühne das Duo The Kills. Sängerin Alison Mosshart und Kollege Jamie Hince überzeugen mit ihrem energetischen und übermäßig coolen Auftritt. Das Publikum ist mittlerweile etwas mehr dabei, vereinzelte Tänzer finden ihren Weg ins Infield. Wer nicht tanzt steht da und starrt auf das Geschehen auf der Bühne. Alison Mosshart fasziniert mit rauem Gesang und lasziven Tänzchen, nicht umsonst wird sie im späteren Verlauf des Abends von Dave Grohl als
Bad Motherfucker
betitelt.
Und dann kommt der letzte Umbauakt des Tages. Mutige Menschen wagen sich noch einmal auf die Jagd nach einem Erfrischungsgetränk, während die nächsten ihres an den endlos langen Schlangen der Dixie-Klos direkt! neben! der Bühne wieder loszuwerden versuchen.
Um Punkt 20:00 Uhr beginnen dann endlich die Stars des Abends mit einem lauten Knall ihren ersten Song „Run“. Da ist er, der Grohl. Breit grinsend rennt er über Bühne und Steg, kaut seinen obligatorischen Kaugummi, dessen Schmatzen noch viele Male an diesem Abend durchs Mikrofon schallen wird und versprüht die pure Lebensfreude.
Verschwörungstheoretiker behaupten ja, dass Dave Grohl sein leben lang nur ein und denselben Kaugummi kaut.
Die Gesichter in der Menge sind wie ausgetauscht. In jedem Einzelnen steckt ein fettes Grinsen. Alle Songs werden gefeiert – kein Wunder, schließlich verbraten die Foo Fighters mit „All my life“ und „Learn to fly“ direkt am Anfang zwei ihrer beliebtesten Nummern. Zwischen den Songs hält Dave Grohl das Publikum mit unfassbar witzigen und charmanten Ansagen bei Laune – verdammt, der ist wirklich so nett, wie alle behaupten.
The wind is blowing through my hair and I feel like a fucking rock star! I feel like Beyoncé – and I like it! Let’s sing the next song for Beyoncé!
sinniert Grohl am Ende des Laufstegs stehend, bevor er “My Hero“ anstimmt und 60.000 Kehlen beginnen mit ihm zu singen. Von der kürzlichen Stimmerkrankung bei Rock am Ring ist kaum noch etwas zu merken, außer das hier und da die Band etwas mehr zu tun bekommt. So zieht sich die Vorstellung der einzelnen Bandmitglieder in die Länge, da jeder seinen eigenen Song spielen darf.
Zum Beispiel wird der Pianopart von „Imagine“ angestimmt – ein Song über „Love, Peace and Harmony“ wie Grohl behauptet, bevor er dazu Van Halen’s „Jump“ zu singen beginnt. Schönheit versteckt sich an den merkwürdigsten Plätzen.
Und so könnte dieser Artikel weiter gehen, jede einzelne Anekdote und jeden einzelnen gefeierten Song benennen, wie z.B. die brilliante Darbietung von „La Dee Da“ mit Bad Motherfucker Alison Mosshart – doch das würde den Rahmen sprengen.
großes tennis!
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass:
a) die Foo Fighters den Titel der „Besten Live-Band der Welt“ zu Recht verliehen bekommen haben. Das, was dort auf der Bühne geschieht, ist ganz großes Tennis. Die Band beherrscht die Menge vom ersten Ton und das Ganze ohne diese „kommt jetzt hüpft mal oder klatscht mal eben mit“ Aufforderungen. Das machen die Leute auch so. Weil sie Bock haben und weil alle so nett sind. Womit wir auch schon zum nächsten Punkt kommen.
b) Ja, der Grohl ist wirklich so nett wie alle behaupten. Mal Abgesehen von all den fröhlichen Ansagen kann er sich auch in Hamburg einen kleinen random Act of Nettigkeit nicht verkneifen. So berichtet er, dass er vor der Show ganz in der Nähe einen Weinladen der seinen Nachnamen trägt entdeckt hat. Ganz nach dem Motto „geht da mal morgen alle hin, vielleicht komm ich auch. Sagt ihr kennt Dave Grohl und dann gibt’s
Free Wine!
Was die meisten für einen Scherz halten, lockt andere Besucher am Montag wirklich für den ein oder anderen Probierschluck zum Weinhaus Gröhl und als wäre das nicht schon absurd genug, taucht Herr Grohl am Nachmittag tatsächlich selbst auf, wie der Ladenbesitzer auf seiner Facebookseite bekannt gab. So nett!
c) Nein, es ist nicht ein und der selbe Kaugummi. Nach der denkwürdigen Darbietung von „Best of You“ kann der aufmerksame Besucher Dave Grohl beobachten, wie er seinen Atemerfrischer in den Bühnengraben spuckt – Wieder ein hartnäckiger Mythos zerstört.
Nach 2,5 Stunden entschuldigen sich die Musiker. Es gäbe Lärmschutzauflagen, würde es nach ihnen gehen, würden sie auch 4 Stunden spielen. Und 60.000 Menschen glauben das. Als letzte Nummer gibt es „Everlong“ und etliche Gäste stürmen noch einmal ins Infield.
Kurz nach Sonnenuntergang heißt es dann Abschied nehmen, aber nur auf bestimmte Zeit. Grohl verspricht baldige Rückkehr und seine Versprechen hält er, das wissen alle.
Auf dem Heimweg begegnet man überall in der Stadt riesigen lachenden Menschentrauben, während im Hintergrund noch immer Chöre die „Ohhhohohhh’s“ von „Best of You“ schmettern.
Galerien (by Thea Drexhage bs! 2018):
- Foo Fighters (10.06.2018, Hamburg) [34]
- The Kills (10.06.2018, Hamburg) [40]
- Wolf Alice (10.06.2018, Hamburg) [23]
Setlist Wolf Alice:
1. Moaning Lisa Smile
2. Yuk Foo
3. You’re a Germ
4. Lisbon
5. Don’t Delete the Kisses
6. Beautifully Unconventional
7. Sadboy
8. Visions of a Life
9. Fluffy
10. Giant Peach
Setlist Foo Fighters:
1. Run
2. Learn to Fly
3. Lean to Fly
4. The Pretender
5. The Sky is a Neighbourhood
6. Rope
7. Drum Solo
8. Sunday Rain
9. My Hero
10. These Days
11. Walk
12. Another One Bites the Dust/ Imagine/ Jump/Blitzkrieg Bop
13.Under Pressure (Taylor Hawkins)
14. Monkey Wrench
15. Wheels
16. Breakout
17. Dirty Water
18. This Is a Call
19. La Dee Da
20. Best of You
21. Everlong
Links:
www.thekills.tv
www.wolfalice.co.uk
www.foofighters.com
Veranstalter:
fkp scorpio