Von Anfang an ist klar: heute wird es heiß im Gruenspan. Es fühlt sich an als hätte sich die Wärme des gestrigen, heißesten Tages des Jahres in der Konzerthalle gespeichert und immer mehr Menschen strömen hinein, um die Halle noch mehr aufzuheizen. Die Tickets sind ausverkauft. Die Leute sind wegen der Rock-Band Fontaines D.C. gekommen. Sie hatten diese Tour wegen der anhaltenden Corona-Situation vom Frühjahr 2021 verschoben.
Düster, extrem laut und tösend geht es mit Just Mustard als fünfköpfiger Vorband los. Mit dabei haben sie Musik vom neuen Album Heart Under. Die wummernden Bässen, surrend schrillen Gitarreneffekte und der mantraartige Gesang der Leadsängerin Katie Bell fangen direkt mit voller Energie und Lautstärke an. Zeit zum Aufwärmen wird dem Publikum nicht gegeben. War auch nicht nötig.
Auf manche mag ihre Musik wie verstörender Lärm wirken, sie hat aber etwas Faszinierendes, bombastisches und hypnotisch intensives an sich, wenn man sich darauf einlässt. Die Harmonien, Klangexperimente und Texte sind jedenfalls eins – ziemlich düster. Katie Bells Stimme klingt aus dem Getöse und dem dichten Nebel auf der Bühne wie eine helle Sirene.
Can I change how I think?
Can You stay? Stain my lip
Can you change my head?
Change my head
Sieben Songs und eine kurze Pause später ist es dann Zeit für die irische Band Fontaines D.C. Ab jetzt wird es etwas weniger düster, aber noch genauso laut und kraftvoll. Auf den ersten Blick wirken die fünf jungen Musiker wie eine poppige Boyband. Dieser Eindruck wird schon nach den ersten geisterhaften Tönen des Chorals des Songs In ár gCroíthe go deo widerlegt. Ein wirklich eingängiges Lied mit irisch-gälischem Titel. „In ár gCrothe go deo“ bedeutet übersetzt „Für immer in unserem Herzen“ und sollte auf Wunsch auf dem Grabstein einer in England gestorbenen Irin stehen. Die Behörden erlaubten diese Worte nicht auf dem Friedhof, da die Sprache als provokativ empfunden werden könnte. Wie auch in diesem Song werden in den anderen Konventionen, Kirche, Politik und Ex-Partner angeprangert. Passend dazu heißt das neue Album, das definitiv im Zentrum des Abends steht, Skinty Fia. Skinty Fia ist ein gälischer Kraftausdruck. Übersetzt bedeutet es so viel wie „die Verdammnis des Hirsches“ oder kurz „Fuck“. Passt gut zu den wütenden Texten und Sounds der Platte. Diese Wut macht die Musik so energiegeladen.
Der charismatische Leadsänger Grian Chatten hat eine besondere Bühnenpräsenz. Bemerkenswert sind die sehr rhythmischen, von ihm mit Nachdruck gerufenen Texte. Ganz einprägsam zum Beispiel beim letzten Lied I Love You.
Say it to the man who profits,
and the bastard walks by
And the bastard walks by, and the bastard walks by
Say it to him fifty times
and still the bastard wont cry
Mit festen Schritten nimmt Chatten die Bühne für sich ein, steigt auf die großen Lautsprecher und fordert das Publikum auf mit abzugehen. Mit der Zeit schwappt die Energie immer mehr auf alle über. Bei einigen Songs laufen Zuschauer*Innen von den hinteren Reihen so weit wie möglich nach vorne um im schwitzig heißen Gewühl aus herumspringenden Fans so nah wie möglich dabei zu sein. Dass es unglaublich warm und stickig ist, scheinen sie dabei gar nicht mehr zu bemerken. Sogar einige Crowdsurfer sind dabei. So kurzweilig das Konzert auch ist, am Ende sind viele froh wieder zurück nach draußen in die angenehme Kälte des verregneten Sommerabends zu gehen.
Text: Johanna Stelling
Setlist:
- In ár gCroíthe go deo
- A Lucid Dream
- Hurricane Laughter
- Sha Sha Sha
- Roman Holiday
- I Don’t Belong
- Chequeless Reckless
- Televised Mind
- Nabokov
- Big Shot
- Too Real
- How Cold Love Is
- Jackie Down The Line
Encore: - A Hero’s Death
- Skinty Fia
- Boys In the Better Land
- I Love You
Galerien (by Jörg-Martin Schulze bs! 2022):
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