Schon eine ganze Weile vor der offiziellen Einlasszeit tummeln sich die Leute in dem nach Pipi riechenden Durchgang des Bremer Tower Musikclubs. Wer den Geruch freiwillig länger als nötig in Kauf nimmt und nicht erst kommt, wenn die Tür bereits geöffnet ist, muss die Bands wirklich mögen. An diesem Abend spielen Ashes of Pompeii im Vorprogramm der Post-Hardcorer von Fjørt. Die Türen öffnen sich um 20:00 Uhr und somit eine Stunde vor Konzertbeginn, trotzdem wird es im Tower sehr schnell voll und warm. Überraschenderweise lassen sich im Publikum sehr viele junge Menschen der „warte-mal-kurz-ich-muss-noch-schnell-ein Foto-für-Instagram-machen-Generation“ ausmachen, was man bei dieser Musikform vielleicht nicht zwingend erwartet. Generell ist der Altersdurchschnitt im Publikum sehr niedrig. Man könnte es der Tatsache zuschrieben, dass auch Fjørt mit gerade einmal vier Jahren Bandgeschichte noch zu den jungen Hüpfern gehören.
Nach einer Stunde Zeit für das ein oder andere Getränk betreten die deutlich dienstälteren Ashes of Pompeii die kleine Bühne des Towers. Nachdem der Kunstnebel sich etwas lichtet wird der ein oder andere Tower-Besucher vielleicht feststellen, dass der Frontmann von Ashes of Pomeii dem netten Sänger Tobi von Yellowknife, der erst vor kurzem mit Matze Rossi auf der Towerbühne gestanden hat, wahnsinnig ähnlich sieht…und auch noch genauso klingt! Zufälle gibt’s…In der Tat handelt es sich bei Tobi Mösch von Yellowknife um denselben Tobi Mösch, der nun auch mit Ashes of Pompeii für ordentlich Krach sorgt.
Die vierköpfige, selbstbetitelte „post-something“ Band startet direkt mit dem neuen Song „Galeere“, welcher zusammen mit „Marabu“ eigens für die anstehende Herbstreise mit Fjørt aufgenommen und auf die 7“ Vinyl „Sea of North“ gepresst worden ist. Neben den beiden genannten Songs spielen sie noch fünf weitere Titel ihrer 2012 erschienenen Platte „Places“, die beim Publikum gut ankommen. Haare werden geschüttelt, hier und da wird mitgesungen und die Lücke zur nicht abgetrennten Bühne wird immer kleiner. Es ist laut, es ist eng, es ist warm, die Menge schwitzt. Man wünscht sich zwei Dinge: Sauerstoff und einen etwas besseren Sound. Ashes of Pompeii sind gut, haben Spaß und geben alles. Leider schafft es die tolle Stimme von Tobi nicht immer, die Wand von Gitarren zu überschallen. Nach sieben Songs ist es auch schon vorbei.
Umbaupause. Mittlerweile ist der Tower so voll, dass die Techniker Probleme haben die Instrumente von und auf die Bühne zu bekommen, was den Umbau um die ein oder andere Minute herauszögert. Glücklicherweise werden die Instrumente direkt nach draußen gebracht, was bedeutet, dass die Tür hinter der Bühne offensteht, was bedeutet, dass endlich wieder Sauerstoff den Saal erfüllt. Neben Bier sicherlich das zweitbeliebteste Konsumgut im Club.
Irgendwann gegen 20:00 Uhr betreten dann die drei charismatischen Jungs von Fjørt die Bühne und legen ohne viele Worte los. Fjørt beginnen ihr Set mit zwei Songs der letzten Platte: „Lebewohl“ und „Anthrazit“. Dieses Mal ist der Sound perfekt. Das Publikum nimmt sich noch etwas zurück, dagegen muss dringend etwas unternommen werden. Bassist/ Sänger David Frings marschiert in Alphamännchenmanier über die Bühne, stellt sich an den Bühnenrand und stachelt das Publikum auf. Er schreit die Songtexte in die Menge; die Menge schreit zurück. Dabei ist der Einzige, der in diesen Momenten wirklich schreien sollte, Sänger/ Gitarrist Chris Hell. Aber was soll‘s, plötzlich schreien alle. Das Publikum ist in Ekstase, nicht lange und der erste kleine Moshpit bildet sich. Gliedmaßen fliegen mehr oder weniger kontrolliert durch die Gegend. Einige Mitglieder der „warte-mal-kurz-ich-muss-noch-schnell-ein Foto-für-Instagram-machen-Generation“ machen große Augen und fühlen sich sichtlich unwohl. Und so geht es weiter. Bis auf „Fauxpas“ dominieren die Songs des 2016 aufgenommenen „Kontakt“ Albums das Set. Chris und David bieten sich perfekt getimte Schreiduelle/-duette, manchmal so schnell, dass man selbst nicht mehr weiß, wo die Stimmen gerade herkommen.
Das Publikum mosht, headbangt und tanzt, jeder wie er mag, bis zum Ende weiter. Die Band bedankt sich zwischendrin bei Publikum, Vorband, Crew und den üblichen Verdächtigen. Bis fast zum Schluss wird nicht viel erzählt. Vor dem Song „Paroli“ wird jedoch einmal deutlich der politische Zeigefinger erhoben. Bassist David fordert dazu auf ein klares Statement gegen AFD und Pegida zu setzen. Es reiche nicht, bei Facebook Beiträge zu teilen und drüber zu schreiben, wie scheiße Frauke Petri sei. Man solle seinen Hintern bewegen und die AFD-Stände in den Städten aufsuchen und leerräumen. Das Publikum sieht das ähnlich und jubelt. „Paroli“ startet. „Haltet Stand, haltet Stand.
Die Lunte lodert, das Pack zieht ein, die Augen groß, die Herzen bitter klein … bietet hart Paroli!“ tönt es, alle schreien mit. David stachelt die Menge noch weiter auf und läuft samt Instrument ins Publikum um zu schreien und zu provozieren. Die Stimmung erreicht ihren Höhepunkt. Mit „D’accord“, „Valhalla“ und „Kleinaufklein“ werden noch einmal Stücke älterer Platten ausgepackt und nach der Zugabe lässt sich sagen: „Man, war das gut!“
Solche denkwürdigenden Abende sind selten. Fjørt sind angenehm anders – eine Mischung aus Hardcore und Postrocklängen mit fast schon leichten Depressive-Black-Metal-Anflügen und deutschen Texten hat es so in dieser Form noch nicht gegeben. Und dazu der perfekte Sound sowie ansteckende Energie der drei Musiker. Erfrischend“
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Setlist – Ashes of Pompeii: